612 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über den Antrag 495/A der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Karl Nehammer, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Schulunterrichtsgesetz geändert wird

Die Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Karl Nehammer, MSc, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 22. November 2018 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Der neue § 43a SchUG ist eine Verfassungsbestimmung, die ein Verbot des Tragens weltanschaulicher oder religiös geprägter Bekleidung, die mit einer Verhüllung des Hauptes verbunden ist, für Schülerinnen und Schüler bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres vorsieht.

Die Bestimmung beruht auf einer sorgfältigen Grundrechtsabwägung, wobei die Rechte des Kindes im Vordergrund stehen. Die Übereinkunft über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) garantiert Kindern zahlreiche Rechte, unter anderem die in Art. 28 und 29 festgeschriebenen Rechte auf Bildung und Entfaltung der Persönlichkeit. Die Kinderrechtskonvention findet in der österreichischen Bundesverfassung ihre Entsprechung in Art. 14 Abs. 5a B-VG und ihre einfachgesetzliche Umsetzung in § 2 SchOG. Als wesentliche Grundwerte von Bildungseinrichtungen sind in der Bundesverfassung (Art. 14 Abs. 5a B-VG) Demokratie, Humanität, Solidarität, Friede und Gerechtigkeit sowie Offenheit und Toleranz gegenüber den Menschen festgeschrieben.

Ziel der Erziehung in österreichischen Bildungseinrichtungen ist es, Kindern die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen und diese zu selbständigem Urteilen zu befähigen. Es soll somit auch eine erfolgreiche soziale Entwicklung und Integration (vgl. auch EGMR 10.1.2017, Osmanoglu ua. gegen Schweiz, in dem die besondere Rolle von Bildungseinrichtungen im Integrationsprozess hervorgehoben wurde) der Schülerinnen und Schüler in den Schulen sichergestellt werden.

Die Verhüllung des Körpers und eine Verhüllung des Hauptes sind bei Anhängern einiger islamischer Strömungen bzw. Richtungen oder Traditionen ab Erreichen der Geschlechtsreife Teil der geübten Praxis, bei anderen nicht. Bei jenen Personen, bei denen es Teil der geübten Praxis ist, kann ein Eingriff in das Grundrecht auf Religionsfreiheit vorliegen. Soweit Grundrechtseingriffe vorliegen, sind diese zulässig, wenn sie vorhersehbar sind, ein legitimes Ziel verfolgen und verhältnismäßig sind. Zu diesen Zielen zählen etwa der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Gesundheit und der Moral sowie der Schutz der Rechte Dritter. Die Orientierung an religiösen Werten darf nicht im Widerspruch zu den Zielen der staatsbürgerlichen Erziehung stehen, die sich an den genannten Grundwerten des Art. 14 Abs. 5a B-VG, den Baugesetzen und Staatszielbestimmungen der Verfassung orientiert und die auch die Gleichstellung von Mann und Frau umfasst.

Die Verhüllung des Hauptes, das Tragen eines Kopftuches in einer von mehreren bestimmten Formen, zeigt das Erreichen der Geschlechtsreife an. Es macht damit mehrere Dinge für jeden öffentlich erkennbar, insbesondere den Stand der körperlichen Reife, die Konfession (die Art der Trageweise kann vor allem auch die Anhängerschaft zu einer bestimmten Gemeinschaft anzeigen), die Einhaltung von bestimmten religiösen Regelungen und damit innerfamiliäre Situationen.

Die vorliegende Regelung soll ebenso den Schutz von Musliminnen und Muslimen, die die Verhüllung aus persönlicher Überzeugung nicht praktizieren und jener Anhänger von Richtungen des Islam, in welchen die Verhüllung keine Praxis ist und damit eine freie Entscheidung über die Religionsausübung sichern als auch eine erfolgreiche Integration ermöglichen. Integration ist ein beidseitiger Prozess, der eine Mitwirkung der jeweiligen Zielgruppe bedingt. Das Tragen des islamischen Kopftuches bis Vollendung des 10. Lebensjahres kann zu einer frühzeitigen, insbesondere geschlechtlichen, Segregation führen, welche mit den österreichischen Grundwerten und gesellschaftlichen Normen nicht vereinbar ist.

Ziele dieser Bestimmung sind die Einhaltung des Schutzes der öffentlichen Ordnung durch Vermeidung einer Segregation nach Geschlecht und damit der Gleichberechtigung von Mann und Frau gemäß Art. 7 B-VG, der Schutz der Information über den persönlichen körperlichen Entwicklungsstand von Kindern, das Religionsbekenntnis bzw. die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ausrichtung des Islam und damit der Schutz der Rechte Dritter sowie die bestmögliche Integration. Auch im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit und Elternrechten (Art. 2 S. 2 ZPEMRK) hat der Staat seine besondere Schutzfunktion wahrzunehmen um sozialen Druck auf Mädchen hintanzuhalten und deren freie Selbstbestimmung zu gewährleisten.

Der Begriff weltanschaulich und religiös geprägter Bekleidung stellt darauf ab, wie eine Bekleidung von einem objektiven Betrachter gesehen wird. Es kommt dabei nicht auf die persönliche Absicht des Trägers an. Entscheidend ist wie diese von Dritten rezipiert wird. Unter „Verhüllung des Hauptes“ ist jede Art von Bekleidung, welche das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllt, umfasst. Aus dem Zusammenhang des Satzes ergibt sich, dass andere Verhüllungen des Hauptes, zB Verbände aus medizinischen Gründen oder Kopfbedeckungen aus Witterungsgründen und Ähnliches nicht von dieser Regelung umfasst sind.

In Umsetzung dessen soll bei Verstoß einer Schülerin bzw. eines Schülers gegen das Verbot die Schulleiterin bzw. der Schulleiter tätig werden und unverzüglich die jeweils zuständige Bildungsdirektion verständigen. Die Erziehungsberechtigten sind innerhalb eines kurzen Zeitraums von maximal 4 Schultagen zu einem Gespräch zu laden. Die Teilnahme an diesem ist verpflichtend. Bei diesem Gespräch werden die Erziehungsberechtigten über das Verbot und ihre Verantwortung für die Einhaltung aufgeklärt. Am Ende dieses Gesprächs wird von den Erziehungsberechtigten schriftlich festgehalten, dass sie über das Verbot und die daraus erwachsenden Konsequenzen aufgeklärt wurden und sich zur Einhaltung verpflichten. Erst nach Durchführung dieses aufklärenden Gesprächs und bei weiterem Verstoß gegen das Verbot liegt eine Verwaltungsübertretung vor, die mit einer Geldstrafe bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe zu sanktionieren ist. Eine Verwaltungsvertretung liegt ebenfalls vor, wenn die Erziehungsberechtigten der verpflichtenden Ladung nach nochmaliger Aufforderung nicht nachkommen. Das Verfahren folgt analog den Bestimmungen zu Schulpflichtverletzungen.“

 

Der Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Initiativantrag in seiner Sitzung am 16. Jänner 2019 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Ing. Robert Lugar die Abgeordneten Karl Nehammer, MSc, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Dr. Alfred J. Noll, Mag. Dr. Rudolf Taschner, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Katharina Kucharowits, Doris Margreiter, Nico Marchetti und Peter Wurm sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann und der Ausschussobmann Abgeordneter Wendelin Mölzer. Anschließend hat der Unterrichtsausschuss die Beratungen einstimmig vertagt.

 

Der Unterrichtsausschuss hat die Verhandlungen in seiner Sitzung am 19. März 2019 wieder aufgenommen. Univ. Prof. Dr. Ebrahim Afsah, Kenan Güngör, Dipl. Soz., SL Dr. Gerhard Hesse, em. Univ Prof. Dr. Heinz Mayer, Univ. Prof. Dr. Susanne Schwab und Zana Ramadani wurden als Auskunftspersonen den Beratungen beigezogen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Karl Nehammer, MSc, Nico Marchetti, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Christian Kovacevic, Andrea Michaela Schartel, Dipl.-Ing. Christian Schandor, Mag. Gerald Hauser, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Stephanie Cox, BA, Katharina Kucharowits, Doris Margreiter, Erwin Preiner, MMMag. Gertraud Salzmann und Mag. Dr. Rudolf Taschner sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann und der Ausschussobmann Abgeordneter Wendelin Mölzer. Anschließend hat der Unterrichtsausschuss die Beratungen einstimmig vertagt.

 

Der Unterrichtsausschuss hat die Verhandlungen in seiner Sitzung am 8. Mai 2019 wieder aufgenommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Ing. Robert Lugar, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Stephanie Cox, BA, Nurten Yılmaz, Christian Kovacevic, Nico Marchetti, Erwin Preiner und Katharina Kucharowits sowie der Ausschussobmann Abgeordneter Wendelin Mölzer.

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollgen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

Zu Z 1 (§ 43a SchUG):

Für die Einführung der neuen Bestimmung § 43a SchUG mit dem vorliegenden Antrag bedarf es keiner Verfassungsbestimmung, da bereits im Rahmen der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern über die Elementarpädagogik für die Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/22 eine entsprechende, beinahe wortgleiche Regelung erlassen wurde. Beide Bestimmungen zielen auf die erfolgreiche soziale Integration von Kindern gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten, der Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele der Bundesverfassung sowie der Gleichstellung von Mann und Frau ab und sind neutral formuliert. Daher kann die Notwendigkeit einer Verfassungsbestimmung entfallen.“

 

Bei der Abstimmung wurde der Gesetzentwurf unter Berücksichtigung dieses Abänderungsantrages mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, dagegen: S, N, J) beschlossen.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend „bessere Integration: es geht um die Summe der Maßnahmen und nicht um Symbolpolitik“ eingebracht, der keine Mehrheit fand (für den Antrag: S, J, dagegen: V, F, N).

 

Ferner beschloss der Unterrichtsausschuss mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, dagegen: S, N, J) folgende Feststellungen:

„Der Unterrichtsausschuss trifft zum Schulunterrichtsgesetz folgende Feststellungen, da es zum vorgeschlagenen § 43a Abs. 1 missverständliche Interpretationen gibt:

Im Sinne des § 43a Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz wird unter weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist, jede Art von Bekleidung verstanden, die das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllt. Daher fallen beispielsweise die jüdische Kippa und auch die Patka, die von Sikhs in diesem Alter getragen wird, nicht unter diese Regelung.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2019 05 08

                               Ing. Robert Lugar                                                              Wendelin Mölzer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann