621 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVI. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über die Regierungsvorlage (594 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Errichtung der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erlassen (BBU-Errichtungsgesetz – BBU-G) und das BFA-Verfahrensgesetz, das Asylgesetz 2005 und das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 geändert werden

In dem von der Bundesregierung im Jahr 2017 beschlossenen Regierungsprogramm 2017–2022 („Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017–2022“) wurde die Schaffung einer im ausschließlichen Eigentum des Bundes stehenden Bundesagentur zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben des Bundes im Bereich der Grundversorgung und Betreuung von Asylwerbern sowie zur Bereitstellung von Rechts- und Rückkehrberatungsleistungen sowie Übersetzungs- und Dolmetschleistungen für Asylwerber und sonstige Fremde festgelegt. Vor diesem Hintergrund wird mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: „Bundesagentur“) geschaffen. Diese soll im Bereich des Asyl- und Fremdenrechts Aufgaben wahrnehmen, die bisher überwiegend von externen Leistungserbringern für den Bund erbracht wurden. Durch die Bündelung der in § 2 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Gesetzesentwurfs vorgesehenen Leistungen in einer im Eigentum des Bundes stehenden GmbH soll der starken Abhängigkeit gegenüber externen Leistungserbringern begegnet werden und sollen Einsparungen sowie eine Optimierung der Kosteneffizienz erzielt und eine Qualitätssicherung auf hohem Niveau erreicht werden.

Die zu errichtende Bundesagentur soll schlanke sowie kosteneffiziente Verwaltungs- und Managementstrukturen aufweisen. Leistungsempfänger sollen der Bundesminister für Inneres und, soweit es die Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht (§ 52 BFA-Verfahrensgesetz [BFA-VG], BGBl. I Nr. 87/2012) betrifft, der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz sein, die auf Basis eines mit der Bundesagentur abzuschließenden Rahmenvertrags die Leistungen entsprechend abrufen können sollen.

Das Stammkapital der Bundesagentur ist gemäß § 1 Abs. 5 des vorliegenden Entwurfes mit einem Nominale von einer Million Euro vorgesehen, welches zur Gänze in bar eingezahlt werden soll.

In Abhängigkeit von dem jeweiligen Leistungsbereich erfolgt die Finanzierung differenziert. Die Finanzierung des Hauptleistungsbereichs der Betreuung und Versorgung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden erfolgt durch eine vierteljährliche vorschüssige Transferleistung, welche nach dem Quartalsende aufgrund der tatsächlichen Anzahl der zu Betreuenden abgerechnet werden soll. Die Rückkehrberatung und die Tätigkeit von Menschenrechtsbeobachtern werden einerseits durch die zuvor erwähnten Transferleistungen des Bundes (Bundesminister für Inneres), andererseits durch Fördermittel, insbesondere solche des Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) und der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex), finanziert.

Demgegenüber sollen sowohl die Rechtsberatung als auch die Tätigkeit der Dolmetscher gegen Kostenersatz erbracht werden, das dem jeweiligen Bedarfsträger (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, im Folgenden: „Bundesamt“, oder Bundesverwaltungsgericht) auf Einzelfallbasis (d.h. pro Rechtsberatung bzw. Einsatz als Dolmetscher) zu verrechnen ist.

Konkret sollen von der Bundesagentur künftig folgende Aufgaben wahrgenommen werden:

Durchführung der Versorgung gemäß Art. 6 und 7 der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung – Art. 15a B‑VG), soweit diese dem Bund obliegt (§ 2 Abs. 1 Z 1):

Grund der Errichtung einer bundeseigenen Gesellschaft ist in erster Linie die bisherige, durch eine europaweite Ausschreibung erfolgte, gewinnorientierte Betreuung von Asylwerbern, welche in dieser Form nicht länger fortgesetzt werden soll. So soll zum Zwecke einer qualitativen Anpassung bzw. Optimierung im Vollzug künftig nur noch die Bundesagentur mit der Durchführung der (Bundes-) Grundversorgung beauftragt sein. Dabei sollen in der operativen Tätigkeit die 24-Stunden-Betreuung unter Berücksichtigung von besonderen Betreuungsbedürfnissen (Kinder- und Jugendliche, medizinische Sonderbetreuung) qualitativ angepasst und die Grundversorgung vornehmlich durch Sachleistungen (Unterbringung, Verpflegung, medizinische Versorgung) erbracht werden. Die Zielgruppe der Bundesbetreuung ergibt sich dabei wie bereits nach der geltenden Rechtslage aus den Bestimmungen des Grundversorgungsgesetzes – Bund 2005 (GVG-B 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, und der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern gemäß Art. 15a B-VG über gemeinsame Maßnahmen zur vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde (Asylwerber, Asylberechtigte, Vertriebene und andere aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbare Menschen) in Österreich (Grundversorgungsvereinbarung – Art. 15a B‑VG), BGBl. I Nr. 80/2004.

Durchführung der Rechtsberatung gemäß §§ 49 und 52 BFA‑VG (§ 2 Abs. 1 Z 2):

Nach geltender Rechtslage können die zuständigen Bundesminister (der Bundesminister für Inneres für Verfahren vor dem Bundesamt, der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz für Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht) die Rechtsberatung von Asylwerbern und Fremden durch Auswahl und Beschäftigung von die Qualitätsanforderungen des § 48 Abs. 1 BFA‑VG erfüllenden Rechtsberatern entweder selbst durchführen (§ 48 Abs. 4 BFA‑VG) oder sich zur Besorgung der Rechtsberatung jeweils einer oder mehrerer juristischer Personen bedienen (§ 48 Abs. 6 BFA‑VG). Künftig sollen diese beiden Optionen entfallen und die Rechtsberatung von Asylwerbern und Fremden sowohl gegenüber dem Bundesamt (§ 2 Abs. 1 Z 2 lit. a) als auch gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht (§ 2 Abs. 1 Z 2 lit. b) ausschließlich von der Bundesagentur durchgeführt werden. Dies erfolgt unter Wahrung sämtlicher unionsrechtlicher Vorgaben, insbesondere die Unabhängigkeit der Rechtsberater und deren Freiheit von Interessenkonflikten betreffend (vgl. etwa Art. 19 ff der Richtlinie 2013/32/EU zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl. L 180 vom 26.06.2013, S. 60 [im Folgenden: „Verfahrens-RL“]; Art. 26 Abs. 2 UAbs. 2 der Richtlinie 2013/33/EU zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung) ABl. L 180 vom 29.06.2013, S. 96 [im Folgenden: „Aufnahme-RL“]). Dabei wird der Besonderheit, dass die Rechtsberatung künftig einer im alleinigen Eigentum des Bundes stehenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung obliegt, durch die Festlegung einer umfassenden Verschwiegenheitspflicht der Rechtsberater (§ 13 des vorliegenden Entwurfes) und die Möglichkeit einer zusätzlichen institutionellen bzw. organisatorischen Absicherung der Unabhängigkeit im Wege des Abschlusses eines Rahmenvertrags (§ 8 des Entwurfes) Rechnung getragen. In diesem Sinne werden sich die fachlichen und persönlichen Anforderungen an Rechtsberater – ohne inhaltliche Änderung im Vergleich zur geltenden Rechtslage (§ 48 BFA‑VG) – künftig direkt aus § 13 des vorliegenden Gesetzesentwurfes ergeben, während die Bestimmungen des § 48 Abs. 4 bis 6 BFA‑VG ersatzlos entfallen. Rechtsberater haben dabei ihre Beratungstätigkeit auch weiterhin objektiv und nach bestem Wissen durchzuführen und sind kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung unabhängig und weisungsfrei gestellt. Als weitere Maßnahme zur Gewährleistung der Unabhängigkeit soll einem Asylwerber oder Fremden gemäß dem vorliegenden Gesetzesentwurf überdies nicht von demselben Beschäftigten der Bundesagentur einerseits Rechtsberatung (§§ 49 und 52 BFA‑VG) und andererseits Rückkehrberatung oder Rückkehrhilfe (§ 52a BFA‑VG) gewährt werden dürfen.

Durchführung der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe gemäß § 52a BFA-VG (§ 2 Abs. 1 Z 3):

Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe kann einem Fremden in jedem Stadium seines (asyl- oder fremdenrechtlichen) Verfahrens gewährt werden; in bestimmten Fällen (vgl. § 52a Abs. 2 BFA‑VG) ist der Fremde verpflichtet, eine solche in Anspruch zu nehmen. Die Beratung umfasst die Perspektivenabklärung während und nach Abschluss des Verfahrens und kann auch in der Gewährung finanzieller Leistungen bestehen, die dem Fremden die Wiedereingliederung in die Gesellschaft des Ziel- bzw. Herkunftsstaates erleichtern sollen. Die Durchführung der Rückkehrberatung und Rückkehrhilfe soll künftig ebenfalls ausschließlich durch die Bundesagentur vorgenommen werden.

Zurverfügungstellung von Menschenrechtsbeobachtern zum Zweck der systematischen Überwachung von Abschiebungen gemäß § 46 Abs. 6 FPG (§ 2 Abs. 1 Z 4)

Abschiebungen sind im Hinblick auf die Einhaltung menschenrechtlicher Grundsätze von Gesetzes wegen zwingend systematisch durch Menschenrechtsbeobachter zu überwachen. Die Menschenrechtsbeobachter werden künftig – wenn auch nicht ausschließlich – von der Bundesagentur zur Verfügung gestellt. Wie bisher hat die Überwachung einer Abschiebung unter der Prämisse der völligen Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Menschenrechtsbeobachters zu erfolgen. Die gleichzeitige Tätigkeit als Menschenrechtsbeobachter und als Rückkehrberater im Rahmen der Bundesagentur soll
– mit Blick auf die bei der Menschenrechtsbeobachtung erforderliche Objektivität und zum Zweck der Vermeidung von Interessenkonflikten – ausgeschlossen sein.

Zurverfügungstellung von Dolmetschern und Übersetzern im Rahmen von asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren (§ 2 Abs. 1 Z 5):

Im Rahmen der Grundversorgung sowie asyl- und fremdenrechtlicher Verfahren werden aufgrund sprachlicher Barrieren regelmäßig Dolmetscher und Übersetzer benötigt. Um diesen Bedarf decken zu können, sollen den Behörden und dem Bundesverwaltungsgericht künftig Dolmetscher und Übersetzer von der Bundesagentur zur Verfügung gestellt werden. Konkret werden die Sprachmittler in Verfahren gemäß § 3 Abs. 2 Z 1 bis 4 und 7 BFA-VG tätig sein. Wie bereits bisher handelt es sich somit um einen breiten Einsatzbereich, welcher bspw. Befragungen und Einvernahmen im Zusammenhang mit der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz, mit der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen oder mit der Gewährung bzw. Einschränkung von Grundversorgungsleistungen umfasst.

Den Behörden und dem Bundesverwaltungsgericht soll es daneben weiterhin möglich sein, im Bedarfsfall auch auf andere Sprachmittler zurückzugreifen (etwa im Fall von Fremdsprachen, die im oben erwähnten Tätigkeitsbereich selten benötigt werden, und die Bundesagentur daher keine Übersetzer und Dolmetscher für diese Sprachen beschäftigt). Zudem wird es – wie bereits nach der geltenden Rechtslage – möglich sein, eine Dolmetschleistung unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung durchzuführen, wenn eine solche am Ort der Einvernahme oder Befragung nicht binnen angemessener Zeit zur Verfügung gestellt werden kann (vgl. § 12a BFA-VG).

Gleichzeitig mit der Errichtung der Bundesagentur ist es erforderlich, bestimmte in den fremden- und asylrechtlichen Materiengesetzen enthaltene Vorschriften an die neue Organisationsstruktur anzupassen. Die Änderungen betreffen im BFA‑VG und AsylG 2005 die Rechtsberatung im Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht. Dies betrifft einerseits die durch die Errichtung der Bundesagentur erforderlichen Verweisanpassungen. Andererseits wird in Übereinstimmung mit den unionsrechtlichen Vorgaben nunmehr vorgesehen, dass Rechtsberatung während des gesamten behördlichen Asylverfahrens nur noch nach Maßgabe der faktischen Möglichkeiten gewährt wird. Lediglich unbegleiteten Minderjährigen und – altersunabhängig – sämtlichen Asylwerbern in den Fällen des § 29 Abs. 4 AsylG 2005 soll – wie schon nach geltender Rechtslage – weiterhin ein Rechtsanspruch auf Zuweisung eines Rechtsberaters zukommen. Ein Anspruch auf kostenlose Erteilung von rechts- und verfahrenstechnischen Auskünften soll jedoch jedenfalls bestehen.

Die Anpassungen des GVG‑B 2005 betreffen die Durchführung der Versorgung, die künftig ausschließlich durch die Bundesagentur erfolgen soll.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 09. Mai 2019 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein, MA die Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Dr. Alfred J. Noll, Werner Amon, MBA, Ing. Maurice Androsch, Nurten Yılmaz, Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Wolfgang Gerstl, Werner Herbert sowie der Bundesminister für Inneres Herbert Kickl.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, dagegen: S, N, J) beschlossen.

Ein im Zuge der Debatte von dem Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll eingebrachter Abänderungsantrag fand keine Mehrheit (dafür: S, N, J, dagegen: V, F).

 


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (594 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2019 05 09

                        Hans-Jörg Jenewein, MA                                                          Angela Lueger

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau