7/J XXVI. GP

Eingelangt am 09.11.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Niki Scherak, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Untreue im Zusammenhang mit Grundstücksverkäufen durch die Stadt Wien

 

An 5.4. wurde von NEOS Wien eine Sachverhaltsdarstellung wegen Verdachts der Untreue mit folgendem Inhalt bei der WKStA Wien eingeschrieben aufgegeben. Die Vorkommnisse und der sich daraus ergebende Verdacht sind von großer politischer Brisanz. Bis dato liegen keinerlei Informationen zu einer Aufnahme eines Ermitt-lungsverfahrens vor.

In der folgenden Sachverhaltsdarstellung wird auf den im März 2017 veröffentlichten RH-Bericht zu 23 ausgewählten Liegenschaftsverkäufen referenziert.

Die Stadt Wien veräußerte im Zeitraum 2005 bis 2014 3.400 Liegenschaften. Der Rechnungshof beschäftigte sich in seinem im März 2017 veröffentlichten Bericht mit 23 ausgewählten Liegenschaftsverkäufen aus dieser Periode. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Stadt Wien beim Verkauf von Liegenschaften und bei der Ein-räumung von Baurechten ihr Einnahmenpotenzial nicht ausschöpfte.

So verkaufte sie etwa Liegenschaften an gemeinnützige Bauvereinigungen um bis zu 40 % unter den von ihr selbst angenommenen Verkehrswerten. Der RH stellte bei 21 der 23 geprüften Transaktionen Mängel fest. So wurde unter anderem trotz hoher Liegenschaftswerte teilweise kein Bieterverfahren durchgeführt, gegen das Vergabegesetz verstoßen, kein Gutachten zur Ermittlung des Verkehrswerts ein-geholt oder mangelhafte oder nicht nachvollziehbare Gutachten zugrunde gelegt, Liegenschaften unter den gutachterlich festgestellten Verkehrswerten verkauft und keine Nachbesserungsvereinbarungen abgeschlossen. Die Grundwertermittlung durch die MA 69 war in vielen Fällen mangelhaft. Die Schlüssigkeit und Nachvoll-ziehbarkeit von Gutachten wurde in einigen Fällen nicht ausreichend erläutert. Der Richtigkeit der Gutachten wäre aber besonders dann hohe Bedeutung zugekommen, wenn Liegenschaften ohne öffentliches Bieterverfahren verkauft wurden, wie es regelmäßig der Fall war, oder nur Bauberechtigte als Erwerber einer Stammliegenschaft in Frage kamen.

Teilweise wurden Liegenschaften bewusst weit unter dem Verkehrswert verkauft, um den Wohnbauträgern die Beantragung (zusätzlicher) Förderungen nach WWFSG zu ermöglichen, da bei einer Förderungsgewährung die „Angemessenheit der Preise“ zu beachten sind. Dabei wurde es teilweise unterlassen, ausdrückliche vertragliche Ver-pflichtungen zur Garantie der Errichtung sozialer Wohnbauten festzulegen. Zudem wurde der Gemeinderat nicht transparent darüber informiert, wie hoch die Differenz zum tatsächlichen Verkehrswert war und in welchem Ausmaß eine vermeintliche nicht ausgewiesene Wohnbauförderung vorliegen sollte.

Verkäufe unter dem Verkehrswert betrafen aber nicht nur Veräußerungen zum Zwecke des sozialen Wohnbaus, sondern ebenso den Verkauf von Grundstücken zur Er-richtung

freifinanzierter Wohnungen und den Verkauf von Betriebsgrundstücken, in denen  eine Wohnbauförderung gesetzlich überhaupt nicht in Frage käme.

So wurde beispielsweise ein Grundstück in Gersthof zur Errichtung freifinanzierter – und nicht geförderter – Wohnungen zu einem Preis von EUR 4.600.000, das entspricht einem Quadratmeterpreis von EUR 579, veräußert, obwohl für ein als Bau-land gewidmetes Grundstück in dieser Lage laut Immobilienpreis-Spiegel ein Qua-dratmeterpreis von bis zu EUR 1.500 zu erzielen gewesen wären. Der Verkauf erfolgte ohne Bieterverfahren, die Schlüssigkeit des Gutachtens wurde nicht weiter begründet.

Durch die Einräumung von Baurechten zu unangemessenen Bauzinsen entgingen der Stadt bei Einzelbaurechten jährlich bis zu EUR 9.360.000 und bei Baurechten für gemeinnützige Bauvereinigungen jährlich bis zu EUR 23.080.000 an Einnahmen. Obwohl die Stadt Wien selbst einen – soziale Erwägungen inkludierten – angemes-senen Bauzins von EUR 8,38 pro m2 errechnete, wurden durchschnittlich nur EUR 3,00 pro m2 Baurechtsfläche eingehoben. Bei der neuerlichen Bestellung von Baurechten im Jahr 2013 wurden bei der Festlegung des Bauzinses soziale Überlegungen miteinbezogen, ohne überhaupt Informationen über die wirtschaftlichen und so-zialen Verhältnisse der Mieterinnen bzw Mieter gehabt zu haben. Obwohl der von der Stadt Wien unter sozialen Erwägungen ermittelte Bauzins bei EUR 8,38 pro m2 lag, wurde ein Bauzins von EUR 3,13 pro m2 vereinbart. Der Stadt Wien entgingen da-durch Einnahmen von ca EUR 3.900.000.

Mit Einzelbaurechten belastete und durch zu geringe Bauzinse im Werte geminderte Liegenschaften wurden um bis zu 45 % unter dem fiktiven Freigrundwert verkauft.

Für Wohnen gewidmete Kleingartenliegenschaften wurden um bis zu 45 % unter  dem Verkehrswert verkauft. Dabei wurde sogar unter Annahme einer durchschnittlichen Kaupreisreduktion von 25 % ein Erlösentgang von bis zu EUR 37.000.000 in Kauf genommen.

Durch zu günstige Bauzinse und den anschließenden begünstigten Verkauf der Stammliegenschaften an die Bauberechtigten kam die Stadt Wien ihrem gesetzlichen Auftrag nach § 84 Abs 3 Wiener Stadtverfassung, aus ihrem Liegenschaftseigentum eine Rente zu erzielen, nicht nach. Zudem lagen den gewährten Preisnachlässen beim Verkauf der Stammliegenschaften teilweise keine Grundsatzbeschlüsse des Wiener Gemeinderats zugrunde.

Der RH hielt in seinem Bericht weiters fest, dass nur bei 67 der 3.400 Liegenschaftsverkäufe ein öffentliches Bietverfahren durchgeführt wurde. Dabei unterblieb das öffentliche Anbot der Liegenschaft auch in Veräußerungen von Grundstücken zur Errichtung frei finanzierter Wohnungen, obwohl gerade hier das öffentliche Bietverfahren die gebotene Vorgehensweise wäre, um den bestmöglichen Verkaufspreis zu erzielen.

Durch die Nichtdurchführung öffentlicher Bietverfahren und selbst bei den durchgeführten Bietverfahren wurden die Verfahrensgrundsätze der Europäischen Kommis-sion nicht immer eingehalten. In einem anderen Fall wurde seitens der Stadt Wien beziehungsweise einer stadteigenen Gesellschaft ein Erfolgshonorar an eine private Immobiliengesellschaft ausbezahlt, ohne dass die Vorschriften des BVerG eingehalten worden wären.

Ein weiterer Vermögensschaden resultierte aus der unterlassenen Aufnahme von Nachbesserungsvereinbarungen, wodurch es der Stadt Wien nicht möglich war, an einer späteren Wertsteigerung veräußerter Liegenschaften zu partizipieren.

Zuständig für die Liegenschaftstransaktionen der Stadt Wien war gemäß der Geschäftseinteilung des Magistrats die Magistratsabteilung 69 – Immobilienmanagement. Sämtliche Liegenschaftstransaktionen unterlagen nach den Bestimmungen der Wiener Stadtverfassung ab einem bestimmten Verkaufspreis der Genehmigungspflicht durch den Gemeinderat oder den Gemeinderatsausschuss für Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung.

Es besteht der Verdacht, dass der Gemeinderat im Zuge der Zustimmung zu Liegenschaftsverkäufen nicht immer vollständig, ausreichend transparent und nachvollziehbar über die Differenz des Verkaufspreises zum tatsächlichen Verkehrswert informiert wurde und über die Entscheidungsgrundlage somit getäuscht wurde. Einer vermeintlichen nicht ausgewiesenen Wohnbauförderung konnte somit nicht wirksam zugestimmt werden. In anderen Fällen stimmte der Gemein-derat hingegen in Kenntnis der Sachlage einem zu niedrigen Verkaufspreis zu.

 

Folgende rechtliche Beurteilung liegt nahe:

Das Verbrechen der Untreue nach § 153, Abs 1, Abs 3 2. F StGB begeht, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt, indem er einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt.

Der Tatbestand der Vermögensschädigung umfasst jeden Vermögensnachteil im wirtschaftlichen Sinne, der demjenigen, über dessen Vermögen der Täter verfügt  oder den zu verpflichten er befugt ist, erwächst. Neben der Verminderung der Aktiven gilt insbesondere jeder zugefügte Gewinnentgang als Vermögensnachteil. Der Vermögensnachteil kann auch in der Vereitelung einer Gewinnchance liegen.

Der tatsächliche Vermögensnachteil ergibt sich aus dem Vergleich des Vermögensstandes, wie er sich als Folge des Missbrauchs in einem bestimmten Zeitpunkt er-gibt, mit der Vermögenslage, wie sie sich ohne den Missbrauch der Vertretungs-macht durch den Machthaber in diesem Zeitpunkt ergeben würde.

Als Befugnis ist die Vertretungsmacht nach außen hin zu verstehen. Die erteilte Befugnis ergibt sich in erster Linie aus dem behördlichen Auftrag beziehungsweise der eingeräumten Vertretungsmacht. Mit der privatrechtlichen Liegenschaftsverwertung als Machthaber beauftragt war entsprechend der Geschäftsverteilung des Magistrats die Magistratsabteilung 69. Sämtliche Liegenschaftstransaktionen lagen daher zumindest ihrer Art nach im eingeräumten Wirkungskreis der MA 69. Alleinige Vertretungsmacht ist zur Begehung einer Untreue nach herrschender Lehre und gefestigter Rechtsprechung nicht erforderlich. Die bloße Mitentscheidungsbefugnis des Täters oder das Erfordernis der Zustimmung eines weiteren (übergeordneten) Entscheidungsträgers hat auf den Tatbestand des § 153 StGB keinen Einfluss.

Außer bestimmten Wertgrenzen, ab denen ein Geschäft vom Gemeinderat oder zuständigen Gemeindeausschuss zu genehmigen war, gab es bis 2014 keine konkre-ten Richtlinien und Vorschriften, die im Rahmen der Liegenschaftsgeschäfte zu beachten waren. Auch ohne konkreter Festlegungen konkreter Kriterien, wie die eingeräumte Befugnis auszuüben ist, ergibt sich aber schon aus den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und Sorgfaltsmaßstäben, insbesondere den gerade in der Privatwirtschaftsverwaltung anzuwendenden Grundsätzen ordentlicher Geschäftsführung, die Verpflichtung des Machthabers und Geschäftsführers, dem Berechtigten den größtmöglichen Nutzen zu bringen.22 Von öffentlichen Bediensteten ist daher zu erwarten, dass sie der von ihr vertretenen Gebietskörperschaft den größtmöglichen Nutzen  verschaffen.

Seine Befugnis missbraucht daher nicht nur, wer seinen Verpflichtungen im Innenverhältnis, sondern auch, wer überhaupt den Grundsätzen redlicher und verantwortungsbewusster Geschäftsführung zuwiderhandelt. Aus den Grundsätzen ordentli-cher Geschäftsführung und den allgemeinen Regeln des ABGB ergibt sich insbesondere die Maxime, beim Vorliegen mehrerer Handlungsmöglichkeiten jene zu wählen, welche den größten Nutzen für den Machtgeber erwarten lässt. Die Sorgfaltspflicht gebietet nicht zuletzt die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften. Das gilt umso mehr, wenn diese Vorschriften zum sparsamen Umgang mit öffentlichem Vermögen oder der Erzielung des größtmöglichen Nutzens zum Inhalt haben, wie es vor allem bei Vergabevorschriften der Fall ist. Bei der Veräußerung öffentlichen Vermögens ist der größtmögliche Nutzen in der Regel nicht dann erreicht, wenn ein „angemessener Preis“ vereinbart wurde, sondern nur dann zu erzielen, wenn auf Grundlage eines Ausschreibungs- oder Bieterverfahrens unter mehreren Angeboten das günstigste oder meistbietende ausgewählt werden kann.

Eine Zustimmung des Machtgebers – hier der Stadt Wien, vertreten durch den Gemeinderat – zu einer bestimmten Vertretungshandlung – wie beispielsweise dem Abschluss von Liegenschaftsverkäufen -, schließt die Annahme eines Befugnismissbrauches nicht aus, wenn sie auf bewusst unrichtigen oder unvollständigen Informa-tionen beruht.

Die subjektive Tatseite der Untreue erfordert Wissentlichkeit hinsichtlich des Befugnismissbrauchs und bedingten Vorsatz hinsichtlich der Vermögensschädigung.

In Anbetracht der herrschenden Lehre und ständigen Rechtsprechung ist der Tatbestand der Untreue durch den dargestellten Sachverhalt und den Feststellungen des Rechnungshofs erfüllt.

Die Stadt Wien erlitt durch die von der Magistratsabteilung 69 zwischen 2005 und 2014 durchgeführten Rechtsgeschäfte und Vermögensveräußerungen weit unter den tatsächlichen Verkehrs- oder Freigrundwerten einen Vermögensnachteil von zumindest EUR 39.000.000.

Aus der Einräumung von Baurechten zu unangemessen niedrigen Bauzinsen resultierte ein Erlösentgang von jährlich bis zu EUR 9.360.000 bei Einzelbaurechten und bis zu EUR 23.080.000 bei Baurechten für gemeinnützige Bauvereinigungen.

Ein nicht feststellbarer Vermögensnachteil resultierte zudem aus der Direktvergabe von Aufträgen und dem Direktverkauf von Liegenschaften ohne Durchführung eines Bieter- oder Vergabeverfahrens, wodurch eine Wahl des meistbietenden beziehungsweise günstigsten Angebots unter mehreren Angeboten und somit die Erzielung des größten Nutzens für das öffentliche Vermögen vereitelt wurde.

Dabei geht aus dem Rechnungshofbericht hervor, dass die Liegenschaften teils er-heblich unter den selbst angenommenen Verkehrswerten verkauft wurden. Durch den Verkauf zu einem „angemessenen Preis“ sollte eine Förderung einer Wohnbauförderung nach dem WWFSG ermöglicht werden, die beim Verkauf zum tatsächlichen Verkehrswert nicht möglich gewesen wäre. Dabei wurde auf die Lagequalität der Liegenschaften keine Rücksicht genommen. Die Stadt Wien erlitt da-durch einen Vermögensnachteil, da für die Liegenschaften ein deutlich höherer Verkaufserlös zu erzielen gewesen wäre. Ein Befugnismissbrauch liegt vor, da die Liegenschaften absichtlich zu einem deutlich unter dem selbst angenommenen Verkehrswert verkauft wurden. Aus der eingeräumten Befugnis und dem öffentlichen  Auftrag ergibt sich aber die Verpflichtung, der vertretenen Gebietskörperschaft den größtmöglichen Nutzen zu verschaffen. Die Veräußerung von Grundstücken zu Zwecken des sozialen Wohnbaus „zu jedem Preis“ ohne jegliche Rücksichtnahme auf deren Lage und den tatsächlich erzielbaren Verkaufspreis, obwohl dieses Ziel auch durch den Verkauf von Liegenschaften in anderer Lagequalität und ohne einem Abweichen vom Verkehrswert in diesem Ausmaß möglich gewesen wäre, ist mit den Verpflichtungen des Machthabers und den Grundsätzen ordentlicher Geschäftsführung keineswegs vereinbar. Da die Mindererlöse in Kenntnis des tatsächlichen Verkehrswerts bewusst in Kauf genommen wurden, bestehen keine Zweifel an der Erfüllung des subjektiven Tatbestands, da die Befugnisse wissentlich missbraucht wurden und ein Vermögensnachteil der Stadt Wien billigend in Kauf genommen wurde. Das Argument, es handle sich um nicht ausgewiesene Wohnbauförderungen, ändert dar-an nichts. Denn auch bei der Vergabe von Förderungen ist stets darauf zu achten,  die Interessen des Machtgebers zu Wahren und den größtmöglichen Nutzen zu er-zielen. Für das Handlungs- und Auswahlermessen ist daher die Konstellation des konkreten Falls beachtlich. Dass beträchtliche Erlösentgänge wissentlich in Kauf genommen wurden, obwohl das Ziel der Ermöglichung sozialen Wohnbaus auch auf andere Weise möglich gewesen wäre, indem Grundstücke veräußert oder Projekte gefördert werden, deren Förderbarkeit nicht unter Inkaufnahme erheblicher Gewin-nentgänge begründet werden müsste, ist mit dem Auftrag der Verschaffung größtmöglichen Nutzens nicht vereinbar. Dabei ist zudem beachtlich, dass der Gemeinderat, dessen Zustimmung nötig war, über die Entscheidungsgrundlagen getäuscht wurde, indem weder die Differenz des Verkaufspreises zum tatsächlichen Verkehrswert, sohin das Ausmaß der vermeintlichen Förderung, noch das Vorliegen einer Förderung selbst hinreichend transparent dargestellt wurde.

Noch eindeutiger stellt sich die Lage bei der Veräußerung von Grundstücken zur Errichtung freifinanzierter Wohnungen und von Betriebsgrundstücken dar. Sowohl aus dem Bericht des Rechnungshofs als auch aus der medialen Berichterstattung geht hervor, dass Grundstücke weit unter ihrem Wert verkauft wurden. Das Argument des sozialen Wohnbaus kann in diesen Fällen nicht vorgebracht werden. Davon abgesehen, dass eine zu Vermögensveräußerung unter den erzielbaren Preisen schon an sich einen Befugnismissbrauch begründen, ergibt sich dieser insbesondere aus dem Verstoß gegen Grundsätze ordentlicher Geschäftsführung. Aus den Unterlagen des RH geht hervor, dass Grundstücke in der Regel direkt ohne Durchführung eines Bieterverfahrens erfolgt sind. Die Durchführung eines Bieterverfahrens ist insbesondere bei Grundstücken in dieser Lage und mit diesem Verkaufswert aber nicht nur absolut branchenüblich, sondern insbesondere im Umgang mit öffentlichem Vermögen unerlässlich und bei sorgfältigem Handeln die gebotene Vorgehenswese. So wurde beispielsweise ein Grundstück in bester Lage zu einem Quadratmeterpreis von von  EUR 579 veräußert, obwohl für ein als Bauland gewidmetes Grundstück in dieser Lage laut Immobilienpreis-Spiegel ein Quadratmeterpreis von bis zu EUR 1.500 zu erzielen gewesen wären. Durch die Direktvergabe zu diesem Preis ohne Einholung weiterer Anbote im Rahmen eines Bieterverfahrens, wurde objektiv sorgfaltswidrig und absolut branchenunüblich gehandelt. Die Nichtdurchführung eines Bieterverfahrens bei der Veräußerung öffentlichen Vermögens widersprach zudem den Vorgaben der Europäischen Kommission. Der Gemeinderat stimmte dem Verkauf zu, obwohl seitens der Opposition ausdrücklich auf die Möglichkeit der Erzielung eines höheren Verkaufspreises hingewiesen und die Durchführung eines Bieterverfahrens gefordert wurde. In diesem Fall kommt neben der Strafbarkeit der zum Abschluss des Rechtsgeschäfts befugten die Strafbarkeit sämtlicher Mitglieder des Gemeinderats, die dem nachteiligen Rechtsgeschäft zugestimmt haben, als mittelbare Täter in Frage. Die Stadt Wien erlitt durch diese als Befugnismissbrauch zu wertende Handlungsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen erheblichen Vermögensnachteil.

Aus dem RH Bericht geht zudem hervor, dass zahlreiche Grundstücke auf Grundlage mangelhafter Gutachten zur Ermittlung des Verkehrswerts verkauft wurden. Auch beim Verkauf dieser Grundstücke wurde der selbst angenommene Verkaufspreis völlig unnachvollziehbar um bis zu 45 % unterschritten. Der Stadt Wien ent-stand durch diese Vorgehensweise sogar bei Annahme eines begünstigten Kaufpreises um 25 % ein Vermögensnachteil von bis zu EUR 37.000.000. Neben der auch in diesem Fall mutwilligen Inkaufnahme eines Vermögensnachteils, völlig konträr zur Verpflichtung des Bevollmächtigten, seinem Machtgeber den größtmöglichen Nutzen zu verschaffen, wurde durch den begünstigten Verkauf zudem gegen § 84 Abs 3 WStV verstoßen, wonach aus dem Liegenschaftseigentum eine Rente zu erzielen ist. Der Gewährung der Preisnachlässe lag außerdem kein Grundsatzbeschluss des Wiener Gemeinderats zugrunde.

In sämtlichen Fällen wäre zumindest ein Verkauf zum selbst ermittelten und angenommenen Verkehrswert geboten gewesen. Zudem hätte eine ordnungsgemäße Befugnisausübung die Durchführung von Bieterverfahren und die Ausschreibung von Vergaben erfordert, um das beste Angebot auszuwählen.

Ein objektivierter Vermögensschaden resultierte auch auf der Einräumung von Baurechten zu unangemessenen Bauzinsen. Der RH stellte fest, dass die bei der Berechnung des Bauzinses soziale Erwägungen miteinbezogen wurden, obwohl keine nachvollziehbaren Informationen zu den tatsächlichen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der Nutzungsberechtigten (Mieter) vorlagen. Obwohl die Stadt Wien selbst bei Einbeziehung sozialer Erwägungen von einem angemessenen Bauzins  von EUR 8,38 EUR pro m2 ausging, wurden Baurechtsliegenschaften zu einem Bauzins von lediglich EUR 3,13 pro m2 überlassen. Daraus ergab sich allein für das Jahr 2014 ein Einnahmenentgang von EUR 3.900.000,37 hinsichtlich der genossenschaftlichen Bauberechtigen von EUR 23.080.000.38 Neben dem Umstand, dass der Bauzins deutlich unter dem selbst ermittelten Wert lag, wurde dem gesetzlichen Auftrag nach § 84 Abs 3 WStV, aus dem Liegenschaftseigentum eine Rente zu erzielen, nicht nachgekommen.

Der RH konnte anhand der jahrelang zu niedrig angesetzten Bauzinse und des anschließenden begünstigten Kaufs von Stammliegenschaften nicht ausschließen,  dass einzelne Gemeindemitglieder aus dem Gemeindegut einen größeren Nutzen zogen, als zur Deckung ihres Bedarfs notwendig war und sohin gegen § 83 Abs 3 WStV verstoßen wurde.

Ein derzeit nicht feststellbarer Vermögensschaden ergibt sich aus der unter-lassenen Implementierung von Nachbesserungsklauseln. Nach Ansicht des RH bestand für die Stadt Wien unter anderem durch diese Vorgehensweise das höchste Risiko, das vorhandene Erlöspotenzial nicht auszuschöpfen. Da derartige Klauseln beim Verkauf von Liegenschaften absolut branchenüblich sind, ist auch in diesem Fall von einem Verstoß gegen die Grundsätze ordentlicher Geschäftsführung und sohin einem Befugnismissbrauch auszugehen.

Zusammenfassend entstand der Stadt Wien durch Immobiliengeschäfte objektiv ein beträchtlicher Vermögensnachteil. Die Höhe von Folgeschäden durch die Nichtfest-legung branchenüblicher Vertragsklauseln ist derzeit nicht feststellbar. Die zum Abschluss der oben beschriebenen Rechtsgeschäfte befugten Personen missbrauchten die ihnen eingeräumte Befugnis, indem sie ihrer Obliegenheit, ihrem Machtgeber, der Stadt Wien, den größtmöglichen Nutzen zu verschaffen wissentlich und einen Vermögensnachteil billigend in Kauf nehmend nicht nachkamen. Der Befugnismissbrauch ergibt sich teils aus Verstößen gegen das Vergabegesetz, in sämtlichen anderen Fällen durch einen auffallend sorgfaltswidrigen Verstoß gegen die Grundsätze ordentlicher Geschäftsführung. Der RH sah das Risiko eines Vermögensnachteils insbesondere im Verkauf ohne öffentliches Bieterverfahren, einem Verkauf auf Grundlage eines mangelhaften Verkehrswertgutachtens, dem Verkauf unter dem Verkehrswert und dem Verzicht auf Nachbesserungsvereinbarungen verwirklicht.

Da die getätigten Rechtsgeschäfte in zahlreichen Fällen nicht der Erzielung des größtmöglichen Nutzens für die Stadt Wien dienten und die Machthaber der Stadt gröblich gegen die Grundsätze ordentlicher Geschäftsführung verstießen und Ver-mögensnachteile nachgewiesenermaßen wider besseren Wissens trotz Kenntnis des tatsächlichen Verkehrswerts bewusst in Kauf genommen wurden, besteht der begründete Anfangsverdacht, dass sich die zuständigen Machthaber der Stadt Wien des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 2. F StGB strafbar gemacht haben.

Es wird daher angeregt, dass die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft den Sachverhalt auf seine strafrechtliche Relevanz prüfen möge.

Zuständigkeit der WKStA

Da die Feststellungen des Rechnungshofs auf einen EUR 5.000.000 übersteigenden Vermögensschaden, der durch das Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 2. F StGB verursacht wurde, schließen lassen, ist nach § 20a StPO die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) für das gesamte Verfahren zuständig.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

 

1.    Wurde infolge der Aufgabe einer eingeschriebenen Sachverhaltsdarstellung bezüglich des Verdachts der Untreue iZd Veräußerungen von Liegenschaften der Stadt Wien am 5.4.2017 durch NEOS Wien Ermittlungsschritte gesetzt?

2.    Wenn nein, warum nicht?

3.    Erfolgten bereits Einvernahmen? Wenn ja, wie viele und welchen Personenkreises?

4.    Erfolgte in der oben dargestellten Causa Weisungen bezüglich der Aufnahme  oder Einstellung des Ermittlungsverfahrens oder bezüglich konkreter Ermittlungsschritte? Wenn ja, wie viele und (gegebenenfalls) betreffend welcher Ermittlungsschritte?

5.    Läuft das Ermittlungsverfahren noch? Wenn nein, wann wurde es aus welchem Grund eingestellt?