17/J XXVI. GP

Eingelangt am 14.11.2017
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend prolongierte Intransparenz von Vermögensstrukturen in Liechtenstein

Im Zusammenhang mit den Panama Papers 2016 zeigen die aktuellen Paradies Papers erneut auf, wie durch intransparente und oft schwer nachvollziehbare Vertragskonstruktionen bzw. -strukturen, Kapital möglichst steuerschonend um den Globus transferiert wird. Trotzdem immer wieder angemerkt wird, dass die meisten dieser Optimierungen nicht illegal sind, führen diese zu ungleicher Effektivbesteuerung von z.B.: KMUs und Großkonzernen. Auch wenn es weniger um Steuerhinterziehung per se geht, sollte, neben den Ungleichheiten in der Effektivbesteuerung, vor allem die folgende Tatsache unmissverständlich klar sein: Offshore-Konstrukte können tatsächlich zur Verschleierung von Transaktionen und von Eigentumsverhältnissen im Zusammenhang mit Geldwäscherei und Korruption missbraucht werden. Dies sollte nicht zu einfach sein.

Während in öffentlichen Stellungnahmen immer wieder die Rede davon ist, dass Österreich in dieser Sache Vorreiter ist, gibt es Sachverhalte, die diesen entgegenstehen.

Hintergrund

Die Steuerabkommen zwischen Österreich und Liechtenstein (1. Jänner 2014) sowie zwischen Österreich und Schweiz (1. Jänner 2013) sollten die effektive Besteuerung, der in der Vergangenheit ins Ausland transferierten Vermögenswerte sowie eine laufende Besteuerung der Kapitaleinkünfte von in Österreich ansässigen Personen, sicherstellen. Betroffen waren natürliche Personen, die über ein Konto oder Depot bei einer schweizerischen oder liechtensteinischen Bank verfügten.

Der gemeinsame Meldestandard der OECD (Common Reporting Standard kurz CRS oder der automatische Informationsaustausch, kurz AIA) verpflichtet die teilnehmenden Staaten zum automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten und sieht eine verstärkte Mitwirkung von Finanzinstituten der Vertragsstaaten vor. Finanzinstitute haben die steuerliche Ansässigkeit ihrer Kund_innen zu erheben und Kund_innen- und Kontodaten von im Ausland ansässigen Kund_innen an die lokale Steuerbehörde zu melden. Diese wiederum leitet die Informationen an die Finanzbehörde der Ansässigkeitsstaaten weiter. Ein derartiger Standard war in den oben genannten Abkommen noch nicht vorgesehen. Diese mussten daher angepasst werden.

Bundesminister Schellings Position in der Verhandlung der jeweiligen AIA-Abkommen

Auf die Frage, ob beabsichtigt ist, die beiden Abkommen zu modifizieren, um den Standards des automatischen Informationsaustausches zu entsprechen, antwortete Bundesminister Schelling: "Es ist beabsichtigt, mit beiden Staaten Verhandlungen zum Abschluss eines Abänderungsprotokolls zu führen, um diese an den EU-rechtlich geforderten neuen Standard betreffend Informationsaustausch anzupassen."

Auf die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus einer Modifikation bzw. einer Kündigung ergeben, antwortete der Bundesminister: "Die Einbehaltung der Quellensteuer nach den Steuerabkommen soll grundsätzlich durch den EU-rechtlich gebotenen automatischen Informationsaustausch ersetzt werden; die Details der technischen und inhaltlichen Umsetzung sind allerdings Gegenstand der Verhandlungen."

(Quelle: 9210/AB  vom 19.08.2016 zu 9636/J (XXV.GP))

AIA-Abkommen mit Schweiz

In der Schweiz wurde das Abkommen zum automatischen Informationsaustausch mit 1. Jänner 2017, ohne Ausnahmen zu gewähren, durchgesetzt. Somit findet der automatische Informationsaustausch statt und die ersten Meldungen für das Jahr 2017 kommen im Jahr 2018.

Exkurs technische Umsetzung:

Mit dem Inkrafttreten des AIA-Abkommens zwischen der EU und der Schweiz am 1. Jänner 2017, das den automatischen Informationsaustausch zwischen der Schweiz und den EU-Staaten regelt, wurde das oben beschriebene Steuerabkommen zwischen Österreich und der Schweiz vom 13. April 2012 (BGBl. III Nr. 192/2012) vollständig aufgehoben. Das hat zur Folge, dass das bisher geltende Wahlrecht, die Vermögenswerte entweder einer anonymen Abzugssteuer (analog zur KESt) zu unterwerfen oder diese an die österreichische Finanzbehörde zu melden, seit dem 1. Jänner 2017 nicht mehr besteht. Die erste Meldung der Kunden- und Kontodaten unter AIA wird für das Jahr 2017 im Jahr 2018 vorgenommen.

Verhandlungsergebnis und der Fall Liechtenstein

Man sollte also meinen, dass es im Falle Liechtenstein zu einem ähnlichen Ergebnis kam, das auch der oben genannten Anfragenbeantwortung entspräche. Doch das ist nicht der Fall. Im Bezug auf Liechtenstein gab es großzügige Ausnahmen.

Das Liechtenstein Abkommen war zudem ziemlich langsam unterwegs.

Der erstmalige Datenaustausch mit Österreich ist zwar auch hier für September 2018 vorgesehen. Aufgrund der inhaltlichen Überschneidungen des AIA-Abkommens mit dem bisher geltenden Abgeltungssteuerabkommen vom 1. Jänner 2014 wurden zwischen den Vertragsstaaten folgende, vom Schweizer Abkommen abweichende, Änderungen vereinbart:

Konten und Depots von bis zum 31. Dezember 2016 bestehenden steuerlich transparenten Vermögensstrukturen sowie Konten und Depots von steuerlich intransparenten Vermögensstrukturen (Stiftungen und Trusts – unabhängig vom Zeitpunkt der Errichtung) werden als „ausgenommene Konten“ angesehen. Für sie gilt weiterhin das Abgeltungssteuerabkommen, sofern der/die Kunde/-in bzw. der/die wirtschaftliche Eigentümer/in in Österreich ansässig ist.

Gleichzeitig wurde mit dem Abkommen die Besteuerung von Zuwendungen von intransparenten Vermögensstrukturen an in Österreich ansässige Nutzungsberechtigte von 25 % auf 27,5 % angepasst.

Die nicht geänderten Bestimmungen des Steuerabkommens bleiben weiterhin unverändert gültig. Dies betrifft insbesondere die Bestimmungen über die Stiftungseingangssteuer sowie die Bestimmungen hinsichtlich der steuerlichen Intransparenz von liechtensteinischen Vermögensstrukturen.

Zusammengefasst

Das heißt, während man sich bereits mit der de facto Aufhebung des Bankgeheimnisses durch die Einführung des Kontenregisters und der erleichterten Kontenauskunft in Österreich fast schon als unabänderlicher Tatsache abgefunden hat, eröffnet die Änderung eines Staatsvertrags mit Liechtenstein wieder eine Option zur Wahrung von Diskretionsbedürfnissen, die im Abkommen mit der Schweiz scheinbar nicht nötig waren. Mit der Gründung einer liechtensteinischen Vermögensstruktur, das sind zum Beispiel liechtensteinische Stiftungen oder Anstalten, kann verhindert werden, dass österreichische Finanzbeamt_innen in deren Vermögen Einsicht nehmen oder Liechtenstein entsprechende Finanzdaten weiterleitet. Besser noch; wenn eine „intransparente Vermögenstruktur“ gegründet wird, kann der automatische Informationsaustausch weiterhin außer Kraft gesetzt werden. Demgegenüber haben die EU-Länder einen automatischen Informationsaustausch zum Standard erhoben, der jedoch de facto auf Liechtenstein, wie gerade gezeigt, nicht zutrifft.

Vertreter_innen des österreichischen Finanzministeriums verhandelten seit November 2015 aktiv mit ihren liechtensteinischen Kolleg_innen über die Fortsetzung des Abgeltungsabkommens. Dieses sieht vor, dass Kapitaleinkünfte, die von Österreicher_innen in Liechtenstein bezogen werden, einer der österreichischen Kapitalertragsteuer vergleichbaren Abgeltungssteuer unterliegen. Weil mit dieser Abgeltungssteuer allen österreichischen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen wird, muss die Identität des/der Empfängers/-in den Kapitaleinkünften nicht offengelegt werden. Dies gilt sowohl für jene Einkünfte, die direkt bezogen werden, als auch für jene Einkünfte, die liechtensteinischen Stiftungen zufließen. Von Transparenz also keine Spur.

Das Protokoll tritt am 1. Jänner 2017 in Kraft und soll, wie es in der Präambel dazu heißt, durch effektive Besteuerung von Kapitaleinkünften aus Vermögenswerten von liechtensteinischen Vermögensstrukturen als „gleichwertige, administrativ bewährte und missbrauchsresistente Maßnahme gegenüber dem internationalen Informationsaustausch“ angesehen werden. Es ist jedoch so, dass weiterhin eine Abgeltungssteuer anzuwenden ist. Da dadurch die Besteuerung sichergestellt wird, besteht keine Verpflichtung, die Informationen bezüglich dieser Einkünfte zwischen den Vertragsstaaten auszutauschen.

Einzige Einschränkung: die Möglichkeit der anonymen Abgeltungssteuer kann nur von Vermögensstrukturen, nicht aber natürlichen Personen verwendet werden. Bei den Vermögensstrukturen ist zwischen transparenten und intransparenten zu unterscheiden. Bei ersteren hat sich der/die Stifter/in wesentliche Einflussrechte vorbehalten. Die Struktur wird daher aus steuerlicher Sicht nicht anerkannt und die Einkünfte müssen vom/von der Stifter/in oder den Begünstigten versteuert werden. Bei solchen Strukturen muss die Gründung bis 31. Dezember 2016 erfolgt sein, um in den Genuss der anonymen Abgeltungssteuer zu kommen. Intransparente Strukturen können die Anonymität hingegen auch dann in Anspruch nehmen, wenn sie nach diesem Datum gegründet werden.

Somit stehen österreichischen Anleger_innen mit der Gründung einer liechtensteinischen Vermögensstruktur in der Rechtsform einer Privatstiftung, einer Anstalt oder eines Trust Enterprise (Trust reg.) weiterhin vielfältige, insbesondere völlig legale und steuerkonforme Möglichkeiten zur Verfügung, die Anonymität zu wahren. Daneben bieten sie auch aus zivil- und steuerrechtlicher Sicht Vorteile, wie insbesondere Nachfolgeplanung und Vermögensschutz.



Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordnet_innen nachstehende

Anfrage:

 

1.    Mit welchen Ländern unterhält Österreich ein AIA-Abkommen?

2.    Welchen Vertragspartnern wurde eine Ausnahme bei automatischen Informationsaustausch gewährt?

a.    Welche Ausnahmen sind dies im konkreten?

3.    Wie hoch werden die jeweiligen zusätzlichen Einnahmen bzw. die jeweiligen Mindereinnahmen durch die Steuerabkommen zwischen Österreich und Liechtenstein (in Kraft: 1. Jänner 2014) sowie zwischen Österreich und Schweiz (in Kraft: 1. Jänner 2013) geschätzt? (bitte um jährliche Auflistung für die jeweiligen Abkommen)

4.    Wie hoch werden die jeweiligen zusätzlichen Einnahmen bzw. die jeweiligen Mindereinnahmen durch die AIA-Abkommen zwischen Österreich und Liechtenstein (in Kraft: 1. Jänner 2017) sowie zwischen Österreich und Schweiz (in Kraft: 1. Jänner 2017) geschätzt bzw. erwartet? (bitte um jährliche Auflistung für die jeweiligen Abkommen)

5.    Mit welcher Begründung werden die Ausnahmen im Liechtensteiner AIA, die der Schweiz nicht eingeräumt wurden, gerechtfertigt?

6.    Welche Zielsetzung hatte das BMF bei den Verhandlung mit Liechtenstein?

7.    Wie unterschiedet sich die Zielsetzung der Verhandlungen mit Liechtenstein mit jenen mit der Schweiz?

8.    Wie beurteilt der BMF den Mehrwert an Transparenz in Hinblick auf das Abkommen mit Liechtenstein?