34/J XXVI. GP

Eingelangt am 12.12.2017
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Anfrage

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Risiken der Carbon Bubble

 

Der Weltklimarat IPCC hat im Jahr 2014 in seinem fünften Sachstandsbericht festgehalten, dass etwa zwei Drittel der bereits erkundeten fossilen Reserven nicht gefördert und verbrannt werden dürfen. Andernfalls ist es sehr unwahrscheinlich, die globale Erwärmung bis zum Jahr 2100 auf weniger als plus zwei Grad Celsius zu begrenzen. Die eben erwähnten zwei Grad Celsius gelten allgemein als das Limit, das gerade noch mit den möglichen Mitteln zu beherrschen ist. Die größten Förderer von Öl, Kohle und Gas haben allerdings einen Großteil der bereits bekannten Reserven schon in ihren Bilanzen bzw. Staatshaushalten verbucht. Daraus resultiert, wenn man den globalen Klimawandel auf ein verträgliches Maß begrenzen will, eine nicht unerhebliche Überbewertung der Unternehmen und Finanzinstrumente, die als sogenannte „Carbon Bubble“ bezeichnet wird.

Aktien, Anleihen und Kredite der Finanzinstitute innerhalb der Europäischen Union an Unternehmen, die über fossile Brennstoffreserven und Rohstoffe verfügen, haben einen Umfang von insgesamt über einer Billion Euro. Der Börsenwert aller Öl-, Gas- und Kohlekonzerne beläuft sich insgesamt auf fast fünf Billionen US-Dollar. Sie gehörten und gehören bislang, bedingt durch eine hohe Liquidität, kontinuierliche Wachstumsraten und lukrative Dividenden, zu den beliebtesten Anlagen.

Mittlerweile haben Analyst_innen aus diversen Bereichen und Ländern mehrfach beschrieben, dass solche Anlagen Finanzmarktrisiken bergen. So mahnt die britische Investmentbank HSBC explizit, dass Investor_innen dieses Risiko, gerade weil es eine so langfristige Entwicklung ist, noch einpreisen müssen. Die Bank of England warnt Versicherungen ausdrücklich vor fossilen Geldanlagen und verweist auf die jährlich rund 700 Mrd Euro, die zur Erkundung neuer fossiler Reserven verwendet werden. Weltweit formieren sich unterschiedlichste Gruppen rund um das Thema „Divestment“ und drängen Parlamente, Universitäten und Stiftungen dazu, ihr Vermögen aus fossilen Anlagen abzuziehen. Es fehlt bisher auch in Österreich an nationalen Maßnahmen, die diesen Forderungen entsprechen.

Der Norwegische Staatsfond, der größte seiner Art, investiert dezidiert in keine Wertanlagen, die im direkten Zusammenhang mit fossiler Energie stehen.

In einer Anfragebeantwortung von 2015 (6162/AB) antwortete Bundesminister Schelling auf die Frage: „Wie schätzt Ihr Ressort die Gefahr einer Carbon Bubble für den österreichischen und europäischen Finanzsektor ein und wie kommt Ihr Ressort zu dieser Einschätzung?“ folgendermaßen:

„[…] Zum gegebenen Zeitpunkt und Informationsstand kann lediglich von einem geringen ´Carbon Bubble´-Risiko ausgegangen werden. Für das zukünftige Risikopotential hingegen ist wesentlich, wie Investoren auf die Entwicklungen im UNFCCC-Prozess (Stichwort: Verhandlungen zum globalen Treibhausgasreduktionsabkommen, das ab 2020 in Kraft treten soll) reagieren werden. Das von der EU als INDC (Intended National Determined Contribution) in den UNFCCC-Prozess eingemeldete unionsrechtliche Klimaziel bis 2030 (Einsparung von 40% THG-Emissionen gegenüber dem Basisjahr 1990) ist in diesem Zusammenhang ein weiteres, deutliches Signal in Richtung „Low carbon“ Economy.“

In derselben Anfragenbeantwortung liest man folgendes:

„Wesentlich für allfällige Kursverluste ist wie diese Unternehmen der Thematik Klimaschutz im Allgemeinen strategisch begegnen werden. Pfadabhängigkeiten und drohende Lock-In-Effekte sind Elemente, welche die Positionierung der betroffenen Unternehmen vor allem in den Jahren 2018 bis 2030 bestimmen werden. Zum gegebenen Zeitpunkt ist (kurzfristig) jedenfalls keine Gefahr einer plötzlichen Abwertung der Vermögenswerte des fossilen Sektors gegeben.“

Der Bundesminister stellte weiter fest, dass:

„Nachteilige Auswirkungen auf die Finanzmärkte und der darauf agierenden Akteure (Banken, Versicherungen, Fonds, Anleger etc.) können sich u.a. durch die Anhäufung von Finanzinstrumenten, deren Wert sich von Rohstoffen, wie etwa Öl, Kohle und Gas, abgeleitet (=Rohstoffderivate) ergeben. Der Handel mit diesen Derivaten kann auf den Finanzmärkten in weiterer Folge zur Bildung von schädlichen ´Spekulationsblasen´ führen.“

Und dass:

„Die Thematik ´Divestment bzw. Carbon Bubble´ selbst wird im Rahmen der ADP-Verhandlungen bzw. der Vorbereitungen zur 21. Weltklimakonferenz (COP 21) in Paris nicht explizit thematisiert werden.“

Seit dieser Anfragenbeantwortung fanden mehrere Klimakonferenzen statt, die mehr Klarheit über das Risiko einer „Carbon Bubble“ lieferten.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

 

Anfrage:

1.    Wie schätzt Ihr Ressort die Gefahr einer „Carbon Bubble“ für den österreichischen und europäischen Finanzsektor ein und wie kommt Ihr Ressort zu dieser Einschätzung?

2.    Wird dazu seitens Ihres Ressorts eigene Expertise in Form von Gutachten o.ä. aufgebaut? Wenn ja, bitte entsprechende Gutachten o.ä. auflisten bzw. beifügen.

3.    Stimmt Ihr Ressort der Aussage zu, dass die Minderung globaler Emissionen bis zum Jahr 2050 um mindestens 50 Prozent einen Kursverlust bei Unternehmen des fossilen Sektors (ÖI-, Gas- und Kohleunternehmen) nach sich ziehen würde, und wenn ja, wie hoch schätzt Ihr Ressort das "Carbon Bubble"-Risiko in diesem Fall ein?

4.    Sieht Ihr Ressort Gefahren durch eine plötzliche Abwertung von Vermögenswerten des fossilen Sektors für einzelne Unternehmen des österreichischen Finanzsektors (z.B. OMV, RAG), und wie begründen Sie Ihre Sichtweise?

5.    Wird klimapolitischen Überlegungen und Kriterien in der Anlage- und Rücklagepolitik des Bundes Rechnung getragen, und wenn ja, wo sind diese kodifiziert?

6.    In welchen Bundesländern wird, nach Kenntnis Ihres Ressorts, klimapolitischen Überlegungen und Kriterien in der Anlage- und Rücklagepolitik der Länder Rechnung getragen und in welcher Form?

7.    Plant Ihr Ressort auf Änderungen in den Anlagerichtlinien des Bundes oder der Länder hinzuwirken, und wenn ja, auf welche?

8.    Welche Maßnahmen unternimmt Ihr Ressort, um sicherzustellen, dass durch einen massiven plötzlichen Kursverfall keine gefährlichen negativen Auswirkungen auf österreichische Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und Privatanleger_innen bzw. auf die Finanzmarktstabilität insgesamt erfolgen?

9.    Welche strategischen Entscheidungen sollten in den Jahren 2018- 2030 getroffen werden, um allfällige Kursverluste zu vermeiden?

10.  Welche strategischen Entscheidungen sieht das BMF, als mit der Ausübung der Eigentümerrechte an der ÖBIB betrautes Ministerium, vor, um allfällige Kursverluste zu vermeiden?

11.  Inwiefern bzw. inwieweit fließt die Thematik „Divestment“ bzw. „Carbon Bubble“ in die Nachbereitung des COP 23, bei der es ja um die Umsetzung des Pariser Abkommens ging, ein?

12.  Welches Anlagenkonzept kommt bei der Bundesregierung für Rücklagen von Beteiligungsunternehmen der Republik Österreich zur Anwendung?

13.  Schließen diese Anlagerichtlinien eine Veranlagung der Gelder in kohlenstoffintensiven Unternehmungen, Fonds oder Aktien dezidiert aus? Wenn nein, warum nicht?

14.  Wie hat die Bundesregierung die Rückstellungen für Beamtenpensionen angelegt (bitte um Aufschlüsselung nach Anlageart und Anteil der kohlenstoffintensiven Aktien und Unternehmensanleihen)?