35/J XXVI. GP

Eingelangt am 13.12.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Kai Jan Krainer Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend: verzählt beim Kassasturz?

Sehr geehrter Herr Bundesminister für Finanzen!

Wie den Medien entnommen werden konnte haben ÖVP und FPÖ im Rahmen der Verhandlungen zu einer neuen schwarzblauen Regierung gemeinsam mit dem Finanzministerium einen sogenannten „Kassasturz" zur budgetären Lage gemacht. Datengrundlagen dürften dabei die selben gewesen sein, wie sie auch bereits zum Bericht zur Übersicht über die österreichische Haushaltsplanung 2018[1], der im Oktober an die Europäische Kommission geschickt wurde, zur Verfügung gestanden sind. Die Tabelle auf Seite 25 zeigt folgende Werte für 2017 und 2018:

in % des BIP

2016

2017

2018

Budgetsaldo

 -1,6

 -0,9

 -0,8

Struktureller Budgetsaldo

 -0,9

 -0,7

 -1,1

Bruttoverschuldung Gesamtstaat

83,6

78,3

75,2

 

Die wesentlichsten von der Bundesregierung im Jänner 2017 beschlossenen Maßnahmen[2] wie etwa der Beschäftigungsbonus, die Erhöhung der Forschungsprämie von 12% auf 14%, die Investitionsprämie für große Unternehmen, die Aktion 20.000 (eine wesentliche und wirksame sozialpolitische Maßnahme zur Schaffung von 20.000 Arbeitsplätzen für über 50-jährige Langzeitarbeitslose), die Halbierung der Flugabgabe oder das verpflichtende Integrationsjahr sowie das Bildungsreformgesetz, usw. werden im Bericht erläutert, haben daher wohl Eingang in obiges Zahlenmaterial gefunden. Wie auch schon im Regierungsprogramm vom Jänner wird im Bericht erwähnt, dass die Gesamtkosten dieser Maßnahmen über den nächsten Finanzrahmen gegenfinanziert werden. Präziser ist aber das Regierungsprogramm, denn dort wird erläutert, dass die 4 Mrd. € Gesamtkosten durch 2,8 Mrd. € Minderausgaben, Einsparungen und Umschichtungen zu erbringen wären, und 1,2 Mrd. € durch verbesserte Konjunktur- bzw. Beschäftigungseffekte.


Eine weitere Datengrundlage dürfte auch der Bericht des Ministeriums über die Entwicklung des Bundeshaushaltes von Jänner bis September 2017 gewesen sein.[3] Auf Seite 69 des Berichtes werden jene Maßnahmen aufgelistet, die seit der Beschlussfassung des BFG 2017 zusätzliche Auswirkungen auf das Budget 2017 haben, etwa 300 Mio. € aus dem Finanzausgleich, 175 Mio. € aus dem Kommunalen Investitionsgesetz bzw. weitere für die Investitionszuwachsprämie, 750 Mio. € aus der Bildungsreform (werden durch Stabilitätsabgabe gedeckt) etc. Der Bericht kommt zum Ergebnis, dass das Maastrichtdefizit 2017 etwas niedriger ausfallen wird als geplant, nämlich -0,9% des BIP statt -1 % des BIP, die Verschuldensquote würde auf 78,3% des BIP zurückgehen und das strukturelle Defizit würde geringer als 0,5% des BIP sein (S. 72). Diese Werte decken sich teilweise mit dem Bericht zur Haushaltsplanung (s. oben).

In seiner Analyse weist der Budgetdienst darauf hin, dass sowohl das Wifo als auch das IHS auf Grund der Septemberprognose bezüglich des gesamtstaatlichen Defizits für 2017 und 2018 optimistischer sind als das BMF.[4]

In der APA 260 vom 13.10.2017 werden die budgetären Kosten aus den im Oktober beschlossenen Maßnahmen mit 650 Mio. € angegeben (allerdings ohne Jahresaufteilung) bei einem geschätzten BIP 2017 von 370 Mrd. € wären das 0,17% des BIP.

Am 24.10.2017 prognostizierte das Wifo ein sinkendes Defizit und bis 2022 einen Budgetüberschuss[5]:

in % des BIP

2017

2018

2019

2020

2021

2022

Finanzierungsaldo Maastricht

 -0,6

 -0,3

 +0,0

 +0,2

 0,4

 +0,4

Staatsschuld

80,9

77,2

73,6

70,2

66,9

63,9

In Ihrer Herbstprognose kommt aber auch die Europäische Kommission zu vergleichbar optimistischen Zahlen:[6]

in % des BIP

2017

2018

2019

Struktureller Budgetsaldo

 -0,9

 -1,0

 -0,9

Staatsschuld

78,6

76,2

73,4

 

Vor dem Hintergrund dieses öffentlich verfügbaren Zahlenmaterials, irritiert das medial kolportierte Ergebnis des schwarzblauen Kassasturzes unter Mitwirkung des Finanzministeriums, denn in der APA 180 vom 10.11.2017 wird das BMF mit der Begründung zitiert, dass die Beschlüsse vom Oktober 2017 sowie „technische Anpassungen" in einigen Bereichen der Grund für die auf 1,5% angehobene Defizitprognose wären. Und wenige Tage zuvor hätte der Kassasturz für 2017 ein strukturelles Defizit von 0,46% ergeben, die Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm ließen für 2018 ein strukturelles Defizit von 1,5% erwarten[7]. Am 8.11. wurde von einem drohenden milliardenteuren Sparpaket und einem riesigen Budgetloch berichtet, It. einem Experten des BMF würden im Budget 2018 3,8 Mrd. € fehlen.[8]


Im seinem Bericht vom Dezember 2017[9] kommt der Fiskalrat bezüglich der Budgetsalden zu einem positiveren Ergebnis als die EK, für 2017 werden -0,7% des BIP erwartet (EK: -1,0% des BIP) und für 2018 0-0,6% des BIP (EK: -0,9%). Den strukturellen Budgetsaldo sieht der Fiskalrat ähnlich wie die EK bei -1 % des BIP bzw. inklusive Klauseln bei -0,7% des BIP (s. Tabelle 3, S. 12).

In der Vermutung, dass sich keiner beim Kassasturz verzählt hat und alle öffentlich verfügbaren Daten, insbesondere jene aus den Berichten des BMF, Fiskalrat sowie der EU-Kommission stimmen, und auch um die Entwicklung der Budgetsalden während des Jahres 2017 nachvollziehen zu können wird um Darstellung des kompletten Zahlengerüsts des BMF- Kassasturzes von Oktober/November 2017 gebeten.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher nachstehende

Anfrage:

1)      Ausgehend vom Bundesrechnungsabschluss für 2016 und dem Bundesfinanzgesetz für welche Maßnahmen des Regierungsprogrammes 2017/2018 haben eine budgetäre Auswirkung auf das Jahr 2017 (bitte um Benennung der einzelnen Maßnahmen und Budgetkosten in Mio. € für die Jahre 2017, 2018, 2019 und danach)?

2)      Waren die Beschlüsse des Regierungsprogrammes 2017/2018 nicht oder teilweise oder gänzlich im Bericht „Österreichisches Stabilitätsprogramm, Fortschreibung für die Jahre 2016 bis 2021 "[10] vom 19. April 2017 eingearbeitet?

a.       Wenn nicht, wie würde die Tabelle 12 „Abweichung von der SP-Fortschreibung vom April 2016" auf S. 49 bezüglich Budgetsaldo, struktureller Budgetsaldo und Bruttoverschuldung für die Jahre 2017, 2018, 2019, 2020 und 2021 aussehen (in % des BIP)?

3)      War das Zahlengerüst aus dem Bericht „Entwicklung des Bundeshaushaltes Jänner­September 2017 Bericht des Bundesministers für Finanzen gemäß § 47 (1) und § 66 (3) BHG 2013" (also der laufende Vollzug 2017 inklusive der Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm von Jänner 2017) Grundlage für den Bericht „Übersicht über die österreichische Haushaltsplanung 2018", der Mitte Oktober an die Kommission/Eurogruppe geschickt wurde?

4)      Waren die Beschlüsse des Regierungsprogrammes 2017/2018 nicht oder teilweise oder gänzlich im Bericht „Übersicht über die österreichische Haushaltsplanung 2018" vom Oktober 2018 enthalten?

a.       wenn Maßnahmen teilweise oder nicht enthalten waren, wie wirkt sich die gänzliche Einrechnung der Budgeteffekte auf die Zahlen der Tabelle 13: Abweichung von der SP-Fortschreibung vom April 2017 (S. 25) auf den Budgetsaldo, den strukturellen Saldo und die Bruttoverschuldung Gesamtstaat für die Jahre 2017 und 2018 in % des BIP zum Berichtszeitpunkt 16. Oktober 2017 aus?


5)      Unter Bezug auf die zitierte APA0260 vom 13.10.2017 und die berichteten Berechnungen des BMF wird gebeten die Beschlüsse vom 12.10., also Änderungen iZm der Notstandshilfe, Gleichstellung Arbeiter/Angestellte, Pensionsanpassung für 2018, die Abschaffung der Mietvertragsgebühren, Förderung des Kindergartenausbaus der Länder, Lehrlingskosten, Arbeitsmarktförderung, Auflösungsabgabe, EFZG für Kleinunternehmer tabellarisch in Mio. € hinsichtlich ihrer budgetären Auswirkungen auf die Jahre 2017, 2018, 2019 und danach darzustellen (Aufgliederung der 650 Mio. €)?

6)      Das Ministerium hatte offenbar am 13.10.2017 (s. APA) bereits eine Aufstellung, dass die Beschlüsse der Sitzung vom 12. Oktober 650 Mio. € Budgeteffekt haben werden. Der Bericht „Übersicht über die österreichische Haushaltsplanung 2018" wurde aber erst ein paar Tage später an die EU übersenden.

a.       Waren die Beschlüsse des 12. Oktober in diesen Bericht für 2018 eingearbeitet?

b.      Wenn nein, warum nicht?

c.       Wenn nein, ist daran gedacht eine Korrektur der Zahlen an die EU zu schicken?

                                      i. Wenn ja, wann werden die aktualisierten Zahlen übermittelt?

                                    ii. Wenn nein, warum erfolgt keine Aktualisierung?

7)      Wenn zu Frage 6 nein, wie wirkt sich die gänzliche Einrechnung der Budgeteffekte aus Frage 5 der am 12. Oktober 2017 beschlossenen Maßnahmen auf die Zahlen der Tabelle 13: „Abweichung von der SP-Fortschreibung vom April 201T (S. 25) auf den Budgetsaldo, den strukturellen Saldo und die Bruttoverschuldung Gesamtstaat für die Jahre 2017 und 2018 in % des BIP in Fortschreibung Berichts vom 16. Oktober 2017 aus?

8)      Welche Budgetkosten (bzw. „Klauseln", z.B. Kosten der Migration) werden aus dem strukturellen Defizit herausgerechnet (Aufgliederung nach Jahren für 2017, 2018, 2019 und danach in Mio. €)? Wie hoch ist der strukturelle Budgetsaldo nach Herausrechnung dieser Kosten in den Jahren 2017, 2018, 2019 (in % BIP)?

9)      Stimmt die in der APA 180 vom 10.11.2017 dem BMF zugeschriebene Begründung für den Defizitanstieg auf 1,5%? Wenn ja:

a.       Was waren die „technischen Anpassungen" in einigen Bereichen konkret?

b.      Welche konkreten Gesetzesbeschlüsse haben sie betroffen?

c.       Wie haben sich diese technischen Anpassungen budgetär ausgewirkt auf die Defizitentwicklung des Jahres 2017, 2018, 2019 und danach (in Mio. €)?

d.      Wie haben sich diese technischen Anpassung budgetär ausgewirkt auf den Maastrichtsaldo und den strukturellen Saldo für die Jahre 2017, 2018, 2019 und danach (in % BIP)

10)  Wenn ja wird darum gebeten zahlenmäßig zu erläutern wie die Beschlüsse vom Oktober zu einer Verschlechterung des im Bericht enthaltenen Defizitpfades zum Zeitpunkt des Kassasturzes Anfang November führen konnten (gab es eine Neuberechnung)?

11)   Welche Kosten und budgetären Auswirkungen von Beschlüssen des Nationalrates bis inklusive Oktober 2017 sind in den beantworteten Zahlen noch nicht enthalten?

a.      Wenn ja, warum sind diese Kosten oder budgetären Auswirkungen nicht enthalten?

b.     Welche Kosten entstehen in den Jahren 2017, 2018, 2019 und danach (in Mio. €)?

c.       Wie entwickelt sich der Maastrichtsaldo und der strukturelle Saldo unter Berücksichtigung dieser weiteren Kosten in den Jahren 2017, 2018, 2019 und danach (in Mio. €)?


12)   Zum Kassasturz Oktober/November 2017 im Zuge der Verhandlungen ÖVP/FPÖ und soweit diese Zahlen für den Kassasturz seitens des BMF aufbereitet wurden jeweils einzeln für die Jahre 2017, 2018, 2019 und danach:

a.       BIP real und nominell in Mrd. € für 2017, wie es dem Kassasturz zu Grunde lag mit jeweiligen Wachstumsraten als Annahme für die Jahre 2018, 2019, 2020 in % zum Vorjahr?

b.      Budgetsaldo in % des BIP?

c.       Struktureller Budgetsaldo in % des BIP und Delta zum Pfad It. EK-Vorgabe?

d.      Bruttoverschuldung in % des BIP?

e.      Budgetäre Maßnahmen (ausgabenseitiger Konsolidierungsbedarf) It. BMF, die Auswirkungen auf die Prognose und Schätzung des strukturellen Defizits 2018 haben, dargestellt je Untergliederung für die Jahre 2017, 2018, 2019 und danach in Mio. €?

f.        Einnahmenseitige/Ausgabenseitige Effekte It. BMF (z.B. Steuern und Abgaben, Finanzmarktstabilität, Zinseffekte), die Auswirkungen auf die Prognose und Schätzung des strukturellen Defizits 2018 haben, dargestellt je Untergliederung für die Jahre 2017, 2018, 2019 und danach in Mio. € (die UG 16 bitte auch die wesentlichsten Steuereffekte je Abgabe (ESt, LSt, KESt, KÖSt, USt, etc. ...))?

g.      Zinsaufwand aus dem Finanzierungssaldo, der Auswirkungen auf die Prognose und Schätzung des strukturellen Defizits 2018 haben (UG) für die Jahre 2017, 2018,

2019 und danach in Mio. €?


 



[1]   https://www.bmf.gv.at/wirtschaftspolitik/in-oesterreich/DBP Oktober 2017 16.10.2017.pdf

[2]  s. „Arbeitsprogramm der Bundesregierung" unter https://www.bundeskanzleramt.av.at/regierunasprogramm-2017 2018/

[3]    https://bmf.gv.at/budget/das-budget/Ber_Jaenn_Sept_2017__47_1_66_3_BHG_2013.pdf

[4]   https://www.parlament.gv.at/ZUSD/BUDGET/2017/BD - Uebersicht ueber die Haushaltsplanung und Budgetvollzug.pdf

[5]   http://www.wifo.ac.at/jart/prj3/wifo/resources/person_dokument/person_dokument.jart?publikationsid=60714&mime_type=application/pdf

[6]     https://ec.europa.eu/info/files/autumn-2017-economic-forecast-austria_en , Tabelle II.20.1

[7]   APA 432 vom 03.11.2017

[8]  s. Tageszeitung Die Presse, „Milliardenteures Sparpaket droht” vom 8.11.2017

[9]  https://www.fiskalrat.at/dam/jcr:ca8b49c4-8372-40a4-a0f7-f81db0a69c00/FISK-Jahresbericht%2O2O16-2018.pdf

[10]  https://www.bmf.gv.at/wirtschaftspolitik/in-oesterreich/StaPro_April 2017_final.pdf