54/J XXVI. GP

Eingelangt am 13.12.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Andreas Schieder und GenossInnen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend eine umstrittene höchstgerichtliche Entscheidung in einem eherechtlichen Verfahren

In einem Artikel der Tageszeitung „Die Presse“ vom Montag, 27 November 2017, Seite 15 wird ein Fall geschildert, in dem eine Frau, die schon ein Kind mit ihrem Mann hat, auch aufgrund des Verhaltens ihres Mannes eine weitere Schwangerschaft abbricht ohne das Einvernehmen darüber mit ihrem Mann herzustellen (siehe Beilage. Die inhaltliche Richtigkeit des Artikels wird vorausgesetzt).

Während das Erstgericht im Scheidungsverfahren zum Ergebnis kam, dass der Mann überwiegend schuld am Ende der Ehe sei, sprach die zweite Instanz, das Landesgericht Krems, davon, dass die Abtreibung eine schwere Eheverfehlung gewesen sei und beide Partner in etwa gleich schuld am Scheitern der Ehe seien. Der Oberste Gerichtshof als Revisionsgericht hat die außerordentliche Revision gegen das Zweitgericht zurückgewiesen und dieses damit im Ergebnis bestätigt.

Das gegenständliche Urteil ist rechtskräftig und den Unterzeichneten Abgeordneten liegt nichts ferner, als die unabhängige Gerichtsbarkeit infrage stellen zu wollen. Sehr wohl ist es aber berechtigt, auch aufgrund des gegenständlichen Urteiles, Überlegungen über die notwendige Weiterentwicklung des Ehe- und Scheidungsrechtes anzustellen. Insbesondere stellt sich die Frage, wie im § 44 ABGB der  „Wille“ der Ehepersonen zu verstehen ist „Kinder zu zeugen“. Im Kommentar Hopf/Kathrein „Eherecht mit wichtigen Nebengesetzen, 3. Auflage, Kurzkommentar, Manz“ Randzahl 7 zu § 44 ABGB ist zu lesen: „Der Wille, Kinder zu zeugen, ist nicht (mehr) essentieller Bestandteil der Ehe. “

Diese alte Begrifflichkeit des § 44 ABGB ist nach Ansicht der unterzeichneten Abgeordneten zu hinterfragen und allenfalls neu zu gestalten. Jedenfalls wird der ,Wille. .. Kinder zu zeugen' wohl so zu verstehen sein: So weit man es kann, so weit es möglich ist, so weit es zumutbar ist, so weit es einvernehmlich gewünscht wird


Eine Verpflichtung zur Fortpflanzung wird nach heutiger richtiger Sicht wohl verneint werden müssen.

Ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem gegenständlichen Fall und dem jüngsten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2017, G258- 259/2017-9, veröffentlicht in BGBl. 2017, 161 soll nicht hergestellt werden. In diesem Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof insbesondere die Wortfolge „verschiedenen Geschlechts“ in § 44 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) als verfassungswidrig aufgehoben und festgestellt, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 2018 in Kraft tritt.

Der gegenwärtig gültige Wortlaut des § 44 ABGB lautet samt Überschrift: „Begriff der Ehe. § 44. Die Familienverhältnisse werden durch den Ehevertrag gegründet. In dem Ehevertrag erklären zwei Personen verschiedenen Geschlechts gesetzmäßig ihren Willen, in unzertrennlicher Gemeinschaft zu leben, Kinder zu zeugen, sie zu erziehen und sich gegenseitigen Beistand zu leisten. “

Ergebnis dieses Erkenntnisses ist unter anderem, dass künftig auch Personen gleichen Geschlechtes eine Ehe nach § 44 eingehen können. Im gegebenen Zusammenhang fällt besonders auf, dass nach der Änderung des § 44 ABGB durch den Verfassungsgerichtshof nach wie vor in dieser Bestimmung der „Wille“ der Ehepersonen „Kinder zu zeugen“ im Gesetzestext beinhaltet sein wird. Es ist dies ein zusätzliches Indiz für die Antiquiertheit der diesbezüglichen Bestimmung des § 44 ABGB.

Es scheinen demnach Argumente dafür zu sprechen, § 44 ABGB über das vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene Ausmaß zu reformieren bzw. überhaupt eine weitere Modernisierung des Ehe- und Scheidungsrechtes anzudenken. Da solche gesetzlichen Änderungen in der Vergangenheit aus gutem Grund immer unter Einbeziehung oder gar Federführung der legistischen Abteilungen des Bundesministeriums für Justiz erfolgten, stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz nachstehende

 


Anfrage:

1.  Sehen sie das in der Begründung zitierte Urteil des Obersten Gerichtshofes (5 Ob 166/17y) als Anlass, mögliche Änderungen des Eherechtes in Erwägung zu ziehen?

2.  Wenn ja: in welche Richtung?

3.  Wenn nein: warum nicht?

4.   Sehen sie die in § 44 ABGB nach wie vor verankerte Wortfolge „Willen....Kinder zu zeugen...“ als zeitgemäß?

5.  Gedenken Sie dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zuzuleiten, nach welchem eine Modernisierung der sehr antiquierten Bestimmung des § 44 ABGB herbeigeführt würde (und zwar über das vom Verfassungsgerichtshof vorgegebene Gebot hinaus)?

6.  Welchen weiteren Änderungsbedarf sehen Sie im Bereich des Eherechts?