166/J XXVI. GP

Eingelangt am 26.01.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Mädelschaft Iduna zu Linz und deren Aktivitäten, Bezugnahmen und Symboliken.

Begründung:

Mit Anneliese Kitzmüller wurde eine Aktivistin der Mädelschaft „Iduna zu Linz“ in eines der höchsten Ämter der Republik gewählt. Daher rücken auch die Aktivitäten der Mädelschaft in das Interesse der Öffentlichkeit.

 

Die Mädelschaft wurde im Jahr laut Vereinsregisterauszug am 27. Februar 2013 gegründet, ihr Sitz ist am Graben 20 in Linz. Auf Grund der 1) Verwendeten Symboliken, 2) Bezüge auf germanische Feste/Symboliken als Strategie der extremen Rechten, 3) Verbindungen zu anderen rechten Vereinen und 4) historisch-politischen Bezüge muss sich die Frage gestellt werden, ob es sich bei der Mädelschaft um eine extrem rechte Vereinigung handelt.


1.  Verwendete Symboliken

Auf der Website ist der „Iduna zu Linz“ ist außerdem die Kornblume zu sehen, ein Symbol für die antisemitische Schönerer-Bewegungi. Das „Kornblumenblau“ ist auch eine ihrer Farben, sie stehe für „Freiheit und Freundschaft“ii, heißt es auf der Website. Die Kornblume war das Erkennungszeichen illegaler österreichischer Nazis vor dem sog. Anschluss 1938.



 

2.      Bezüge auf germanische Feste/Symboliken als Strategie der extremen Rechten

Die nachfolgenden, beispielhaften Screenshots vom 24. Dezember 2017, vom 15. Dezember 2017, vom 31. Oktober 2017, vom 21. Juni 2017 und vom 20. Juni 2017 zeigen, dass sich die Mädelschaft immer wieder auf germanische Feste und Symbole bezieht.

Zu dieser Strategie schreibt die deutsche Bundeszentrale für politische Bildung: „„Ein historisch gesehen relativ junges Phänomen stellt die Bezugnahme des zeitgenössischen Rechtsextremismus auf die germanische Mythologie dar. Durch den Rechtsextremismus werden Elemente des Mythos rezipiert und für die eigenen Zwecke gedeutet und verwandt, genauer gesagt missbraucht. Hierbei knüpft man an die Zeit und die Ideologie des Nationalsozialismus an.“ iii Über die Funktion dieser Bezugnahme schreibt die BPB weiter: „Mythen dienen der rechten Szene aber nicht nur zur Identifikation, sondern sie bilden in einem breiteren Verständnis von Mythos auch die Basis für die Kulturauffassung der rechten Ideologie.“


Der Screenshot vom 24. Dezember 2017 zeigt beispielsweise ein Dekorationsobjekt mit einem sog. „Irminsul“. Die Recherche-Seite „dasversteckspiel.de“ erklärt die Verwendung des Symbols im Nationalsozialismus wie folgt: „Die ursprüngliche Irminsul war eine Holzsäule, die in Sachsen als Heiligtum verehrt und 772 zerstört worden war. 1929 glaubte der nationalsozialistische Laienforscher Wilhelm Teudt die Irminsul zu erkennen: als einen geknickten Baum in einem christlichen Relief, das die Kreuzabnahme Christi zeigt. Teudt deutete dies als Ausdruck des Sieges des Christentums über das Heidentum. Indem er den Baum zeichnerisch aufrichtete, stand diese nun neu erfundene Irminsul für die (Wieder- )Erhebung des Heidentums über das Christentum. In dieser Darstellung und mit dieser Deutung wurde die Irminsul im Nationalsozialismus verwendet, sie war dort unter anderem das Symbol der SS-Forschungseinrichtung »Ahnenerbe«.“iv Die Verwendung dieses Symbols ist in der extrem rechten Szene keine Seltenheit: „So schmückt die Zeitschrift des rechts orientierten Armanen-Ordens der Titel,Irminsul'.“v

Außerdem feiert Mädelschaft Iduna am 24. Dezember offenbar das „Julfest“vi, wie auch der Screenshot zeigt.: ein Code für Neonazis und Rechtsextreme, die Weihnachten von germanischen Julfest ableiten um keine christlichen Bräuche zu bedienen. Denn schon die Nationalsozialisten hatten versucht, Weihnachten umzudeutenvii. Auch die Sonnwendfeier begehen die rechten Idua-Mitglieder. In Deutschland rufen Rechtsextreme immer wieder zu „Sonnwendfeiern“ aufviii.


 

Statt Halloween begeht die Mädelschaft „Samhain“. Die deutsche Berichterstattung zeigt, dass das Feiern von Samhain für Rechtsextreme einen wichtigen Bezugspunkt darstellt. Dazu schreibt der BNR: „Die aktuelle Berufung auf Samhain reiht sich ein in eine von der rechten Szene seit vielen Jahren praktizierten Mythos- und Kultbildung einer selbst geschaffenen historischen Traditionswelt, in der wissenschaftliche Erkenntnisse gefälligst hinter instrumentalisiertem Ahnenglauben zurückzustehen haben. Was so verharmlosend wie Lagerfeuerromantik und Laternenumzug für die ganze Familie formuliert wird, ist neonazistische Strategie mit Kalkül.ix


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

3. Verbindungen zu anderen rechten Vereinen


Enge Verbindungen pflegt die Mädelschaft Iduna zur Linzer Burschenschaft „Arminia- Czernowitzx“. Am 3. September 2017 postete die Facebookseite der Mädelschaft, man habe den „WildsauDirtRun“ unter anderem mit den Burschen der akademischen Burschenschaft „Arminia-Czernowitz“ absolviert (s.u.). Am 14. August wurde veröffentlicht, einige Aktivistinnen der Mädelschaft hätten an der „Vokü“ (Volksküche, Anm.) der Burschenschaft Arminia-Czernowitz teilgenommen.


 

 


Laut Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes ist die „Arminia-Czernowitz“ - mit einer kurzen Unterbrechung 2009 bis 2011 - dem rechtsextremen Milieu zuzurechnen.xi 1977 finden sich in einer "Festschrift" der Burschenschaft Stellen, die auf eine anhaltende Identifizierung mit dem Nationalsozialismus hinweisen: "Polen war als erstes Opfer seiner unrealen Macht- und Bündnispolitik von der Landkarte verschwunden (S. 15 f.) "Was bedeutete es schon, daß die USA noch nicht in den Krieg eingriffen, wenn man doch tagtäglich die Haßgesänge der Zionisten gegen das Reich anhören muß?" (S. 15f) "Die sinnlosen und verbrecherischen Bombenangriffe der Anglo-Amerikaner gaben dann den letzten Beweis für eine Spezies 'Mensch', für die selbst Dante in seiner 'Divina Commedia' keinen Platz hat finden können." (S. 17) "Der Zusammenbruch Deutschlands [1945] schien so perfekt zu sein, daß auch der überzeugteste Optimist schaudern mußte vor dem Bild der Zukunft, die sich auf den [...] Trümmern aufbauen sollte." (S. 19)

1980 ist die Arminia Czernowitz im Komitee "Waffenstudenten für Dr. Burger", welches die Kandidatur des Anführers der neonazistischen und 1988 behördlich aufgelösten Nationaldemokratischen Partei (NDP) für das Amt des österreichischen Bundespräsidenten maßgeblich organisierte.

Im April 2010 veranstaltet Arminia Czernowitz einen Vortragsabend mit Richard Melisch, einem antisemitischen Reisekader mit Neonazi-Kontakten. Beworben wird dieser Vortrag unter Verwendung eines NS-Sujets. Angesichts ausgebliebenen Distanzierung oder Entschuldigung erhebt das DÖW den Vorwurf, die Burschenschaft verbreite nur leicht abgewandelte NS-Propaganda.xii

2011 verlinken sich die neofaschistische Gruppe Der Funke und die Burschenschaft auf ihrer Facebook-Seite gegenseitig. Zudem schätzt das DÖW, dass zumindest 2013 weite Teile der Arminia-Aktivitas auch in der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich (IBÖ) aktiv war.xiii Seit 2015 bewirbt Arminia Czernowitz wiederholt das vom DÖW als „rechtsextrem“ eingestufte Magazin Info-DIREKT. Auch andere rechtsextreme Zeitschriften wie die NPD- nahe Umwelt & Aktiv (30. Dezember) würden beworben. 2016 fungiert Arminia Czernowitz als Anmelderin der vom DÖW als rechtsextrem eingestuften Konferenz "Verteidiger Europas". Als prominente Mitglieder nennt das DÖW Detlef Wimmer (Vizebürgermeister von Linz, FPÖ), Michael Rami (Abgeordneter zum Bundesrat, FPÖ) und Markus Hein (Stadtrat in Linz, FPÖ)xiv

Auch zur Mädelschaft „Freya“ wird Kontakt gepflegt, wie der Screenshot vom 12. Oktober 2016 zeigt (s.u.). Über die Mädelschaft Freya schreibt Vice: „Die Mädelschaft Freya (mit den Verbindungsfarben Schwarz-Rot-Gold und dem Sitz in der berüchtigten Fuhrmannsgasse in Wien, wo auch mehrere deutschnationale Burschenschaften ihre „Buden" haben) hat etwa den Text des Deutschlandliedes in der Version, in der es von den Nazis gesungen wurde, auf ihrer Facebook-Seite („Deutschland, Deutschland über alles.,.").“xv

 

 


 



 

Am 5. Mai postete die Facebook-Seite der Iduna zu einem gemeinsamen Liederabend mit der Akademische Sängerschaft Nibelungen zu Linz, die 1966 gegründet wurde xvi. Über ein mögliches Mitglieder der Sängerschaft schreibt Vice: „Allerdings gibt es ein Foto von Horst­Rudolf Übelacker, das den seit seiner Pensionierung in Linz lebenden Deutschen in der Couleur der Nibelungen zeigt. Übelacker war Direktor der Deutschen Bundesbank und CSU- Politiker. Heute sitzt er für die FPÖ im Gemeinderat. Auffallend ist vor allem Übelackers Engagement für die Wiederbelebung des Witikobund Österreich. Dabei handelt es sich um einen völkisch-rechtsextremen Verein, der sich als "nationale Gesinnungsgemeinschaft der Sudetendeutschen" versteht.“ xvii


 


4.     Politisch-historische Bezüge

Am 14. April 2017 postete die Mädelschaft eine Textpassage von Hoffmann von Fallersleben. Über den umstrittenen Dichter schreibt der Norddeutsche Rundfunk:

„Hoffmanns Gedichte und Liedtexte, die ein einheitliches Deutschland und freiheitliche Bürgerrechte propagieren, stoßen unter liberalen Denkern auf große Resonanz. Dabei wendet sich sein Nationalismus gegen alles Fremde und Andere. Immer wieder finden sich in seinen Gedichten antisemitische Passagen.“. Hoffmann verfasste auch das sog. „Deutschlandlied“, über welches der NDR weiter schreibt: „Ab 1922 Nationalhymne der Weimarer Republik, wird der Text von den Nationalsozialisten ab 1933 im Sinne ihres Herrschaftsanspruches und ihrer Expansionspolitik ausgelegt.xviii


 

Am 29. April berichtet die Facebook-Seite der Mädelschaft über einen Vortrag eines Mitgliedes über Ernst Jünger, einen zentralen Bezugspunkt der sog. Neuen Rechten. Der Deutschland-Funk schreibt dazu: „Es gibt diese Intellektuellen, auf die sich die "Neue Rechte" bezieht. Der Schriftsteller Ernst Jünger, der Geschichtsphilosoph Oswald Spengler und der Staatsrechtler Carl Schmitt sind die bekanntesten, daneben der Publizist Arthur Moeller van den Bruck und der Politiker Edgar Julius Jung. Obwohl es innerhalb des konservativ-revolutionären Kanons große inhaltliche Unterschiede gibt, lässt sich ein gemeinsamer Kern erkennen. [...] Weiß: "Verbindend ist das strikt Antidemokratische, Antirepublikanische, das Antiliberale. Die berüchtigte Parole Arthur Moeller van den Brucks lautete: 'An Liberalismus gehen die Völker zu Grunde. "xix


 


 

Am 3. Jänner postete die Mädelschaft eine Einladung zu einem ,Literaturabend‘, bei dem Joachim Fernau gelesen werden sollte. Fernau war SS-Obersturmführer und Kriegsberichterstatter der Waffen-SS. Seine Artikel sind in zentralen Propagandamedien des nationalsozialistischen Regimes wie Das Reich, Völkischer Beobachter oder Das Schwarze Korps veröffentlicht worden. Fernau war Spezialist für 'Durchhalteartikel'. So veröffentlichte er kurz nach der strategischen Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad am 4. April 1943 unter dem Obertitel 'Die Wende im Osten' den Artikel 'Ungewissheit und Sieg' in der Zeitung 'Das Reich', in dem er die Anfang März 1943 erfolgte Rückeroberung von Charkow durch die Waffen-SS-Einheit Leibstandarte SS Adolf Hitler heroisierend schilderte. Fernau entschuldigte sich für seine Tätigkeiten nicht und gab auch kein Anzeichen der Überwindung dieser Ideologien. 1952 erschien sein Buch Deutschland, Deutschland über alles. Von Arminius bis Adenauer`, das zumindest „eine latente völkisch-nationale Geschichtskonzeption“ beinhaltete und: "Unterschwellig provoziert diese suggestive Erzählstrategie ein Bedauern über den Verlust des nationalen Mythos vom Großdeutschen Reich.“ (Volker Busch: Fernau, Joachim, in: Walter Killy (Hrsg.): Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, Bd. 3, Gütersloh/München 1989, S. 357 f.)

Der NS- und Antisemitismusforscher Wolfgang Benz bekräftigt aus der nichtliterarischen Perspektive: Fernau, SS-Kriegsberichterstatter und Autor von Durchhalteartikeln, sei „auch nach 1945 rechts außen“ geblieben. (Wolfgang Benz, Mitläufer und Hauptschuldige — Facetten des politischen Engagements im nationalsozialistischen Staat, in: NS- Vergangenheit ehemaliger hessischer Landtagsabgeordneter. Dokumentation der Fachtagung 14. und 15. März 2013 im Hessischen Landtag, Wiesbaden 2014, S. 65-75, hier S. 71,)


 


 

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende Anfrage:

1.  Ist dem Ministerium die Mädelschaft „Iduna zu Linz“ bekannt?

2.  Sind dem Ministerium die genannten Kontakte zu extrem rechten Gruppierungen bekannt?

3.   Wie bewertet das Ministerium die Aktivitäten und verwendeten Symboliken der Mädelschaft?

4.   Ist die Mädelschaft Gegenstand der Beobachtungen des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (in weiterer Folge Verfassungsschutz genannt)? (aufgeschlüsselt nach Datum/Ort/Veranstaltung)

a.    Wenn ja, wie lange schon?

b.    Wenn nein, warum nicht?

5.  Falls ja, zu welchen Ergebnissen ist der Verfassungsschutz gekommen - aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren der Beobachtung seit Beginn ebendieser?

6.Sind dem Verfassungsschutz Verbindungen der Mädelschaft Iduna zu Linz zu extrem rechten, neonazistischen, neofaschistischen oder neurechten Bewegungen, Organisationen oder Vereinen bekannt?


a.    Wenn ja: Zu welchen Organisationen und zu welchen Zeitpunkten - aufgeschlüsselt nach Kalenderjahr, Monaten und Ortsangaben?

b.    Wenn ja: Wie sind diese Verbindungen zu charakterisieren?

7.   Ist dem Verfassungsschutz bekannt, dass Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates, div. Landtage oder der Bundesregierung an Veranstaltungen der Mädelschaft teilgenommen haben (Aufschlüsselung nach Person, Funktion, Ort, Datum und ggf. Titel der Veranstaltung)?

8.   Ist dem Verfassungsschutz bekannt, dass Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates, div. Landtage oder der Bundesregierung Kontakte zur Mädelschaft haben (Aufschlüsselung nach Person, Funktion, Ort, Datum und ggf. Titel der Veranstaltung)?

9.   Sind dem Verfassungsschutz Teilnahmen einzelner Mitglieder Mädelschaft an Veranstaltungen (z.B. Kundgebungen, Festen, Demonstrationen, Treffen) der „Identitären Bewegung Österreichs“ oder der „Identitären Bewegung Deutschland“ bekannt? (Aufschlüsselung nach Ort, Datum und ggf. Titel der Veranstaltung)