253/J XXVI. GP

Eingelangt am 06.02.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend Öffentliche Kostenübernahme für Homöopathika

 

Die Wirkungslosigkeit homöopathischer Präparate über den Placebo-Effekt oder andere suggestive Effekte hinaus ist wissenschaftlich belegt. So zeigt eine Studie des australischen National Health and Medical Research Council (NHMRC), in der die Ergebnisse von 57 systematischen Übersichtsarbeiten und 176 wissenschaftlichen Einzelstudien zusammengefasst werden, dass keine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit nachweisbar ist. Studien, die eine über den Placeboeffekt hinausgehende Wirksamkeit der Homöopathie behaupten, weisen durchwegs schwere methodische Mängel auf, wurden zum Teil zurückgezogen oder zu einem späteren Zeitpunkt revidiert (Das gilt unter anderem für die vielzitierte Metaanalyse von Klaus Linde aus dem Jahr 1997, der 2005 schrieb: "Unsere Metanalyse von 1997 wurde unglücklicherweise von Homöopathen als Beleg für die Wirksamkeit der Homöopathie missbraucht […] Wir stimmen zu, dass die Homöopathie höchst unplausibel ist und dass die Belege aus placebokontrollierten Studien nicht überzeugend sind"). In allen Broschüren, die die Wirksamkeit von Homöopathika anpreisen, wird aber weiterhin auf dieselbe Handvoll an (im übrigen veralteten) "Studien" verwiesen, die in internationalen Studienbewertungen längst aufgrund ihrer Mängel und ihrer fehlenden Wissenschaftlichkeit als untauglich eingestuft wurden. Auch der Hauptverband der Sozialversicherungsträger (HVSVT) spricht von Mitteln "mit offensichtlich nicht ausreichendem Nachweis einer therapeutischen Wirkung wie insbesondere Homöopathika, (...)" und schließt deshalb homöopathische Mittel explizit von der Kostenübernahme durch Krankenversicherungsträger aus §8 Abs 1 RöV.

Trotzdem genießt die Homöopathie in Österreich einen rechtlich privilegierten Status und kann nicht über mangelnde Kundschaft klagen. Laut einer Market-Gesundheitsstudie von 2016 verwendeten mehr als die Hälfte aller Österreicherinnen und Österreicher im Vorjahr homöopathische Präparate. Für eine wirkungslose, auf unplausiblen Prinzipien basierende Heilmethode ist das ein tolles Ergebnis.

Ein Grund für die breite Akzeptanz könnte natürlich auch die gezielte Förderung der Homöopathie durch Teile der Ärzteschaft und die österreichischen Krankenkassen sein, denn unter gewissen Umständen werden die Kosten für Homöopathika durch gesetzliche Krankenkassen übernommen, wobei eine entsprechende Kostenübernahme bei manchen Kassen bzw. in manchen Fällen der Bewilligung durch den vertrauensärztlichen Dienst des Trägers bedarf. Man fragt sich, welche medizinische Wirkung der vertrauensärztliche Dienst diesen Präparaten zuschreibt. Die VGKK hat beispielsweise mit der Vorarlberger Ärztekammer gemäß §10 der Heilmittelbewilligungs- und Kontrollverordnung (HBKV) vereinbart, bei solchen Präparaten mit einem Netto-Kassenpreis von max. EUR 9,95 von der vertrauensärztlichen Bewilligungspflicht im Einzelfall abzusehen.

Die VGKK ist demnach bereit, für unwirksame Präparate die Kosten zu übernehmen, solange diese EUR 9,95 (Netto-Kassenpreis) nicht übersteigen. Auch die OÖGKK und die BVA finanzieren in relevantem Maße homöopathische Produkte, wie aus der Anfragebeantwortung 10599/AB (XXV. GP) hervorgeht. Dabei handelt es sich um die vermögenderen Kassen im österr. Kassensystem - siehe Anfragebeantwortung 12522/AB (XXV. GP).

Aufgrund der fehlenden Wirksamkeit von homöopathischen Präparaten ist solch eine Vergütung nicht nur fragwürdig, sondern läuft dem ASVG zuwider, wonach die Krankenbehandlung "ausreichend und zweckmäßig" sein muss, gleichzeitig aber "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten" darf (§ 133 ASVG). Was nachweislich keine Wirkung erzeugt, überschreitet das Maß des Notwendigen schon per definitionem. Zurecht verwies BM Dr. Sabine Oberhauser in der genannten Anfragebeantwortung auf die höchstgerichtliche Judikatur und führte aus: "Dieser zufolge werden Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich und generell (im Gegensatz zu möglichen Einzelfallentscheidungen) nur dann erbracht, wenn eine wissenschaftlich anerkannte Heilmethode vorliegt. Dies gilt auch für jede weitere Außenseitermethode, etwa homöopathische Medikamente (OGH in Urteil vom 28.2.1994, 10 Ob S 103/93). Die Krankenversicherungsträger haben, um dem Gesetzesauftrag bezüglich des Umfanges der Krankenbehandlung nachkommen zu können, sowohl bei neuen Untersuchungs- als auch bei neuen Behandlungsmethoden in erster Linie darauf zu achten, dass diese den medizinischen und wirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen."

Weil homöopathische Präparate jedoch keine notwendigen Arzneimittel (§ 136 Abs 1 lit. a ASVG) sind, müsste es sich für die Erstattungsfähigkeit um "sonstige Mittel, die zur Beseitigung oder Linderung der Krankheit oder zur Sicherung des Heilerfolges dienen" handeln (lit b). Es ist aus wissenschaftlicher Sicht ausgeschlossen, dass ein Homöopathikum die beschriebenen Wirkungen erzielt.
Nach § 351c Abs 2 ASVG hat der HVSVT "eine Liste jener Arzneimittelkategorien zu erstellen, die im Allgemeinen nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 2 geeignet sind (...)". Im Erstattungskodex EKO 1/2018 findet sich zu dieser Liste in der Rubrik 3 "Arzneimittel mit offensichtlich nicht ausreichendem Nachweis einer therapeutischen Wirkung" die Spezifizierung "insbesondere Homöopathika" (Liste nicht erstattungsfähiger Arzneimittelkategoriengemäß § 351c Abs. 2 ASVG).

 

Die Richtlinien für eine ökonomische Verschreibweise RöV des HVSVT nennen in § 8 "Ausschluss der Kostenübernahme" in Ziffer 4 auch "Sonstige Mittel mit offensichtlich nicht ausreichendem Nachweis einer therapeutischen Wirkung wie insbesondere Homöopathika, (...)". Für diese Mittel darf eine ärztliche Bewilligung des chef- oder kontrollärztlichen Dienstes nur beiVorliegen der Ausnahmetatbestände des § 6 Abs. 1 RöV erteilt werden (§ 8, 1. Satz RöV).Dieser § 6 Abs 1 RöV lautet:"(1) Voraussetzung für die Erteilung einer ärztlichen Bewilligung des chef- oder kontrollärztlichen Dienstes für die Verschreibung eines Heilmittels ist grundsätzlich das Vorliegen einer Zulassung in Österreich sowie dessen Anführung im Erstattungskodex des Hauptverbandes. Die Bewilligung ist entgegen Satz 1 in folgenden Fällen möglich:1. Bei Verschreibung eines in Österreich nicht zugelassenen Heilmittels: Wenn eine zumutbare, erfolgversprechende Behandlung nach wissenschaftlich anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst mit in Österreich zugelassenen Heilmitteln nicht zur Verfügung steht oder erfolglos blieb unda) die Behandlung mit dem nicht zugelassenen Heilmittel erfolgreich war oderb) von der Behandlung nach den Ergebnissen einer für die Bildung eines Erfahrungssatzes ausreichenden Zahl von Fällen ein Erfolg erwartet werden konnte.2. Bei Verschreibung eines nicht im Erstattungskodex angeführten Heilmittels: Wenn die Behandlung aus zwingenden therapeutischen Gründen notwendig ist und deshalb eine Arzneispezialität aus dem Erstattungskodex zur Krankenbehandlung überhaupt nicht zur Verfügung steht."

Nachdem Homöopathika nicht im Ersattungskodex angeführt sind, müsste eine Ausnahme nach § 6 Abs 1 Z 1 oder 2 vorliegen, damit Homöopathika erstattungsfähig wären. Z1 würde voraussetzen, dass das Homöopathikum eine Alternative zu einem - im vorliegenden Fall nicht zum Erfolg führenden - zugelassenen Heilmittel wäre. Eine solche Fallkonstellation erscheint nicht plausibel. Z2 verlangt "zwingende therapeutische Gründe", die Mittel, denen jede nachweisbare Wirkung fehlt, wohl ausgeschlossen werden können. Die RöV des HVSVT lassen also eine Kostenbübernahme für Homöopathika durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu.

Die Entscheidung für oder gegen bestimmte Behandlungsweisen obliegt der Eigenverantwortung jedes Menschen, eine Finanzierung von unwirksamen Behandlungen durch die gesetzliche Krankenversicherung ist jedoch ethisch und juristisch nicht vertretbar. Die Versicherten werden durch die Vorgangsweise der Kassen derzeit gezwungen, mit ihren Beiträgen Präparate zu finanzieren, deren Wirkung bereits wissenschaftlich widerlegt ist.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Die unterfertigenden Abgeordneten stell daher folgende

Anfrage:

 

1.    In welchem finanziellen Ausmaß wurden Homöopathika von den einzelnen Gebietskrankenkassen erstattet? (Getrennt nach Trägern und den Jahren 2015-2018)

2.    Bis zu welchem finanziellen Höchstmaß werden Homöopathika von den einzelnen Gebietskrankenkassen erstattet? (Getrennt nach Trägern und den Jahren 2015-2018)

3.    In welchem finanziellen Ausmaß wurden Homöopathika von anderen Trägern der Krankenversicherung erstattet? (Getrennt nach Trägern und den Jahren 2015-2018)

4.    Bis zu welchem finanziellen Höchstmaß werden Homöopathika von anderen Trägern der Krankenversicherung erstattet? (Getrennt nach Trägern und den Jahren 2015-2018)

5.    Welche Träger haben Vereinbarungen mit der Ärztekammern bei der Erstattung von homöopathischen Präparaten, deren Nettopreis eine festgesetzte Summe nicht übersteigt, von einer Einzelfallbewilligung abzusehen?


a.    Wie hoch ist dieser Betrag je Träger? (Jahre 2015-2018)

b.    Auf wie viel Euro belaufen sich die administrativen Kosten der Einzelfallbewilligungen homöopathischer Präparate? (Getrennt nach Krankenversicherungsträgern und den Jahren 2015-2018)

6.    Auf Basis welcher medizinischen Grundlage werden Homöopathika erstattet, wenn ihre Wirkungslosigkeit wissenschaftlich außer Streit steht?

a.    Welches wissenschaftliche Material (Studien, Gutachten, Forschungsergebnisse, usw.) zieht das BMGF zur Beurteilung Wirksamkeit von homöopathischen Arzneimitteln heran, um eine Erstattung dieser Arzneimittel als Kassenleistung aus dem Blickpunkt der Aufsicht tolerieren zu können?

                                  i.    Wo können diese Materialien eingesehen werden?

7.    Wie bringt das BMASGK als Aufsichtsbehörde die Kostenübernahme von Homöopathika durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung mit § 133 Abs 2 ASVG in Einklang?

8.    Wie bringt das BMASGK als Aufsichtsbehörde die Kostenübernahme von Homöopathika durch Träger der gesetzlichen Krankenversicherung damit in Einklang, dass diese in der Liste nach § 351c Abs 2 ASVG als "nicht zur Krankenbehandlung im Sinne des § 133 Abs 2 geeignet" aufgeführt sind?

9.    Wie beurteilt das BMASGK den Verstoß diverser Krankenversicherungsträger gegen die Richtlinien für eine ökonomische Verschreibweise?

10. Wie bringt der Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Kostenübernahme von Homöopathika durch einzelne Träger mit den RöV in Einklang?

11. Mit welcher Argumentation vergütet der Hauptverband bzw. die einzelnen Krankenversicherungsträger homöopathische Arzneimittel, deren medizinische Wirksamkeit nicht ausreichend erwiesen ist?

12. Welche Maßnahmen setzen Sie in Ihrer Aufsichtsfunktion, um die Einhaltung des Gesetzes, insbesondere des § 133 ASVG, zu gewährleisten, wonach die Leistungen aus der Krankenversicherung zweckmäßig sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen?