260/J XXVI. GP

Eingelangt am 08.02.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl

Freundinnen und Freunde

an  den  Bundesminister  im  Bundeskanzleramt  für  EU,  Kunst,  Kultur  und  Medien    Mag. Gernot Blümel, MBA

betreffend „Katastererhebung der noch erhaltenen historischen Dachstühle im UNESCO Weltkulturerbe - Historisches Zentrum von Wien"

BEGRÜNDUNG

„Bei Dachstühlen bzw. Dachböden von besonderer Bedeutung ist aus Gründen der bautechnisch wie bauphysikalisch gesicherten Bestandserhaltung sowie aus historisch-ästhetischen Gründen ein Dachgeschoßausbau denkmalfachlich nicht vertretbar. Die Bedeutung bemisst sich am konkreten bauhistorischen Stellenwert, an der Repräsentanz eines bestimmten Konstruktionstyps bzw. einer bestimmten Zeitstellung und an der handwerkstechnischen Ausführungsart bis hin zu zimmermannstechnischem Zierrat. Im Einzelfall sind zur Bewertung im Vorfeld bauhistorische wie naturwissenschaftliche Untersuchungen notwendig."[1]

Um den Schutz für historische Dachstühle zu gewährleisten, wurde laut Medienberichten ein Forschungsprojekt gestartet, das den Bestand historischer Dachstühle erheben und damit eine wissenschaftliche Grundlage für künftige Entscheidungen bei Bauprojekten liefern sollte. „Der Bund, die Stadt Wien und das Bundesdenkmalamt ziehen hier an einem Strang."[2]

Das barocke Haus „zu den sieben Schwertern" in der Wiener Innenstadt, Schwertgasse 3, ist seit  1924 umfassend denkmalgeschützt und gehört damit zu den ersten Häusern in Wien, die seit Inkrafttreten des Denkmalschutzgesetzes zukünftigen Generationen erhalten werden sollten. Es ist mit einem mehrschichtigen, „liegenden Pfettendachstuhl" gedeckt, einem Meisterstück barocker Zimmermannskunst, mit Mansarden-Tragwerk und Zimmermannszierschnitten.

Als Haus in der Umgebung der Kirche „Maria am Gestade" genießt es zusätzlich auch  Ensembleschutz. Es befindet sich in der Schutz- und Wohnzone der Gemeinde Wien und ist im „historischen Zentrum von Wien" Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Die UNESCO hat im „Barbatobericht" explizit auf eine drohende Gefährdung der Authentizität dieses Objekts hingewiesen, sollte es zu einem Dachgeschoßausbau kommen.[3] Seit dem Jahr 2015 wird es auch durch die Europarat-FARO-Konvention geschützt.[4]

Der Eigentümer möchte in den barocken Dachstuhl Luxuswohnungen einbauen. Ein erstes Umbauprojekt musste er 2014 zwar wieder zurückziehen, weil es von zwei amtlichen Gutachten negativ beurteilt worden war. Die Magistratsabteilung 19 der Stadt Wien hat keinen Vorteil für die Öffentlichkeit erkennen können, und Univ.-Prof. Richard Fritze hat gegenüber dem  Bundeskanzleramt erhebliche denkmalschützerische und bautechnische Bedenken geäußert.

Im April 2016 hat der Eigentümer der Liegenschaft Schwertgasse 3 ein zweites Projekt zum „Umbau des Dachstuhls'' eingereicht. Wie schon bei der ersten Einreichung sollte der dreihundert Jahre alte Barockdachstuhl durch eine Stahlrahmenkonstruktion ersetzt werden. Durchgehende Bundträme, Sparren, Diagonalstreben, Kehlbalken etc sollten zerstört werden. Die Reste des Dachstuhls zur funktionsuntauglichen Dekoration, die Dachhaut durchstoßen, der halbe Spitzboden (Schwertgasse­Trakt) des Daches für eine Terrasse geopfert, die Dachform und deren Kontur verändert und Rauchfangkehrerstege aufgesetzt werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1)       Haben Sie Kenntnis von einem Forschungsprojekt zur Erhebung des Bestands an historischen Dachstühlen (in der Folge „Dachstuhlkataster")?

2)       Ist das Bundeskanzleramt oder das Bundesdenkmalamt an der Auftragsvergabe eines derartigen Forschungsprojektes beteiligt?

3)       Wenn ja, von welchen Fachleuten wird bzw wurde dieser „Dachstuhlkataster" erstellt?

4)       Wenn ja, welche Konsequenzen soll die Katastererhebung haben?

5)       Wenn ja, ist der barocke Dachstuhl des Hauses Schwertgasse 3, 1010 Wien, auf der Katasterliste der erhaltenswerten Dachstühle?

6)       Wenn der Dachstuhl des Hauses Schwertgasse 3, 1010 Wien, nicht in der Katasterliste aufscheint, wissen Sie, warum dieser nicht in den Dachstuhlkataster aufgenommen wurde?

7)       Wurden Sie von der UNESCO auf die Gefahr zum Bestand des Weltkulturerbes aufmerksam gemacht, die durch einen Umbau am Haus Schwertgasse 3, 1010 Wien, entstehen könnte?

8)       Welchen Stellenwert genießt der Denkmalschutz in Österreich allgemein und in Ihrem Ministerium im Besonderen angesichts der Häufung von Fällen, in denen kurzfristige wirtschaftliche Vorteile von privaten Investoren den lange anhaltenden kulturhistorischen Interessen der Gemeinschaft vorgezogen werden?



[1] Bundesdenkmalamt Österreich, Standards der Baudenkmalpflege 2 (2015), 269.

[2] „Schutz für historische Dachstühle", Kronen Zeitung Printversion 7. August 2015, 32.

[3] ICOMOS reaktive Überwachungsmission zur Welterbestätte „Historisches Zentrum von Wien" (Österreich) (C1033), 2015 Missionsbericht (Arbeitsübersetzung Neuwirth/Holzmair-Ronge), Barbato-Bericht, 21.

[4] Rahmenübereinkommen des Europarats über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft 2005 (2015).