391/J XXVI. GP

Eingelangt am 05.03.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

an den Bundesminister Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen,

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend die Vollziehung des Verfassungsgerichtshofgesetzes 1993 (VfGG) in Zusammenschau mit dem aktuellen Bundesministeriengesetz, zuletzt novelliert mit BGBl I Nr. 164/2017 (BMG)

Das VfGG verweist acht Mal auf den Bundeskanzler, meist in Zusammenhang mit Vollzugsakten, welche durch denselben zu setzen sind.

Das BMG wiederum sagt in § 17, dass „Zuständigkeitsvorschriften in besonderen Bundesgesetzen als entsprechend geändert“ zu betrachten sind; und wiederholt dies

in seinen beiden Artikeln VII. Da der Bundesminister für Verfassung, Reformen, De­regulierung und Justiz nunmehr für die Angelegenheiten der Verfassungsgerichts-

barkeit zuständig ist, könnte man annehmen, dass der Wortlaut „Bundeskanzler“ im

VfGG nun eben „entsprechend“ durch „Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz“ zu ersetzen wäre.

Soweit diese neu zugewiesene Verantwortlichkeit auf die Zustellung von Entschei-

dungen des VfGH und auf deren Veröffentlichung (einschl. der Veröffentlichung der Geschäftsordnung des VfGH) Bezug nimmt, könnte man diese Veränderung bei oberflächlicher Betrachtung als harmlos und einfach durchzuführen erachten. Aller-

dings widerspräche diese Modifikation des VfGG der Systematik des BMG selbst, welches (Teil 2 der Anlage zu § 2, A. Bundeskanzleramt, 5.) ausdrücklich das Kundmachungswesen des Bundes dem BK zuweist (vgl. Art. 49 B-VG), und der Sys­tematik des Bundesgesetzblattgesetzes 2004, welches den BK zur Vollziehung be-

ruft. Eine Substituierung des BKs durch den Bundesminister für Verfassung, Refor-

men, Deregulierung und Justiz in § 64 Abs. 2 VfGG (Zustellung von Erkenntnissen

bei Gesetzesprüfungsverfahren nach Art 140 B-VG) wäre darüber hinaus falsch, da

Art. 140 Abs. 5 B-VG den Bundeskanzler zur unverzüglichen Kundmachung solcher Erkenntnisse verpflichtet.

Zu hinterfragen ist auch, ob die Einbringung von Anklagen gegen Landeshauptleute, Mitglieder der Landesregierung und andere gem. Art. 142 B-VG durch einen Bun­desminister mit Geist und Systematik der Verfassung vereinbar ist. Es macht Sinn,

dass § 72 Abs. 3 VfGG bislang den Vorsitzenden der Bundesregierung mit dieser

heiklen Aufgabe betraut. Eine analoge Überlegung ist wohl in Zusammenhang mit § 56 Abs. 4 VfGG (Kundmachung des Rechtssatzes in Verfahren nach Art. 138 Abs. 2 B-VG) anzustellen.

Die Bundesregierung und der befragte Bundesminister scheinen den Globalverwei-

sen des § 17 BMG trotz zweimaliger Wiederholung in zwei Artikeln VII nicht zu trau-

en, werden doch inzwischen in diversen Ministerialentwürfen recht häufig die be-

nannten Bundesministerien im Sinne der neuen Namensgebungen und Kompetenz­verteilungen ausdrücklich richtiggestellt, zB im Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018

-Wissenschaft und Forschung - WFDSAG 2018 (10/ME XXVI. GP), oder im Daten-

schutz-Anpassungsgesetz - Bundeskanzleramt (11/ME XXVI. GP). - Im Ministerial- entwurf „Datenschutz-Anpassungsgesetz Justiz 2018 (16/ME XXVI. GP) wird sogar

der bisherige „Bundesminister für Justiz“ durch die neue langmächtige Benennung „Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz“ ersetzt, und

zwar in einigen Gesetzen.

Auf die Problematik der Unbestimmtheit der allgemeinen Verweise im BMG iS der ständigen Judikatur des VfGH zu Art. 18 B-VG wurde bereits in der Anfrage des Abg.

Dr. Noll 172/J vom Januar dieses Jahres hingewiesen.

Durch die Globalverweise (§ 17 und Art. VII) des BMG ergeben sich erhebliche Unsicherheiten in der Auslegung und damit auch der zu erwartenden Vollziehung in allen Bereichen. Besonders gefährlich sind diese Unwägbarkeiten in Kernbereichen unserer Verfassung, wie etwa der Verfassungsgerichtsbarkeit. Aus diesem Grund richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz folgende

Anfrage:

a.  Können die im Wirkungsbereich des befragten Bundesministers gelegenen Angelegenheiten, insbesondere jene aus dem VfGG, mit ausreichender Be­stimmtheit im Sinne der Judikatur zu Art. 18 B-VG der Vollziehung des befrag-

ten Bundesministers zugewiesen werden, soweit dabei § 17 und die Art. VII

BMG anzuwenden sind?

b.  Falls nicht, wie soll die verfassungsmäßige Bestimmtheit und Konkretisierung erreicht werden?

c.  Falls ja, wieso legen Bundesministerien und das Bundeskanzleramt Ministeri- alentwürfe vor, in denen dennoch in konkreten besonderen Gesetzen der

Wortlaut des zuständigen Bundesministeriums angepasst werden soll? Die Beantwortung dieser Frage betrifft durchaus die Vollziehung des befragten Bundesministers, da es sich um eine „Allgemeine Angelegenheiten der Rechtsordnung, der Legistik und der Gesetzessprache“ handelt (Zitat BMG).

d.  Wird der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hinkünftig den zweiten Satz des § 14 Abs.1 VfGG vollziehen?

e.  Falls nicht, wie sind dann § 17 BMG und die beiden Art. VII BMG in der Voll­ziehung des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung

und Justiz auf die unter d. genannte Gesetzesstelle anzuwenden?

f.  Wird der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hinkünftig § 14 Abs. 3 VfGG vollziehen und den Jahresbericht somit an Stelle des Bundeskanzlers in Empfang nehmen?

g.  Falls ja, wird dadurch der VfGH in seiner Stellung als wichtiges verfassungs-

mäßiges Organ abgewertet?

h.  Falls nicht, in Bezug auf Frage f., wie sind dann § 17 BMG und die beiden Art.

VII BMG in der Vollziehung des Bundesministeriums für Verfassung, Refor-

men, Deregulierung und Justiz auf die unter f. genannte Gesetzesstelle anzu­wenden?

i. Wird der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hinkünftig den zweiten Satz des § 17a Z 1 VfGG vollziehen und somit an Stelle des Bundeskanzlers mit dem Bundesminister für Finanzen die Eingabengebühr durch Verordnung festlegen?

j.    Falls nicht, wie sind dann § 17 BMG und die beiden Art. VII BMG in der Vollziehung des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die unter i. genannte Gesetzesstelle anzuwenden?

k.   Wird der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hinkünftig den zweiten Satz des § 56 Abs. 4 VfGG vollziehen und somit die unverzügliche Kundmachung im BGBI vornehmen?

I.   Falls nicht, wie sind dann § 17 BMG und die beiden Art. VII BMG in der Vollziehung des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die unter k. genannte Gesetzesstelle anzuwenden?

m. Wird der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hinkünftig den zweiten Satz des § 64 Abs. 2 VfGG an Stelle des Bundeskanzlers vollziehen und somit Adressat der dort genannten Erkenntnisse sein?

n. Falls ja, wie ist dann Art. 140 Abs. 5 B-VG anzuwenden, oder ist eine Änderung des Art. 140 Abs. 5 B-VG in Vorbereitung?

o.   Falls nicht, in Bezug auf Frage m., wie sind dann § 17 BMG und die beiden Art. VII BMG in der Vollziehung des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die unter m. genannte Gesetzesstelle anzuwenden?

p. Wird der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hinkünftig den zweiten Satz des § 66 Z 3 VfGG an Stelle des Bundeskanzlers vollziehen und somit Adressat der dort genannten Erkenntnisse sein?

q. Falls nicht, wie sind dann § 17 BMG und die beiden Art. VII BMG in der Vollziehung des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die unter p. genannte Gesetzesstelle anzuwenden?

r. Wird der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hinkünftig den ersten Satz des § 72 Abs. 3 VfGG vollziehen und somit an Stelle des Bundeskanzlers die von der Bundesregierung allenfalls beschlossenen Anklagen, etwa von Landeshauptleuten, einbringen?

s.  Falls nicht, wie sind dann § 17 BMG und die beiden Art. VII BMG in der Vollziehung des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die unter r. genannte Gesetzesstelle anzuwenden?

t.   Wird der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz hinkünftig den zweiten Satz des § 86a Abs. 2 VfGG vollziehen und somit an Stelle des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung i.S. leg.cit. verpflichtet sein?

u.   Falls nicht, wie sind dann § 17 BMG und die beiden Art. VII BMG in der Vollziehung des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz auf die unter t. genannte Gesetzesstelle anzuwenden?