440/J XXVI. GP

Eingelangt am 07.03.2018
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Anfrage

des Abgeordneten Jarolim, sowie zahlreicher Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend

 

Rechtswidrige Telefonüberwachungen sowie Datenmissbrauch im BMI

 

Ein aktueller arbeitsrechtlicher Fall am Wiener Arbeits- und Sozialgericht wirft eine brisante Enthüllung auf: Das Innenministerium lässt die polizeiliche Telefonüberwachung von „selbstständigen“ Übersetzerinnen und Übersetzern, also von Privatpersonen, ausführen, die weder Kriminalbeamte noch gerichtlich beeidete und zertifizierte Dolmetscher sind. Dabei steht sogar der Verdacht auf Scheinselbstständigkeit und Steuerhinterziehung im Raum.

Hat der vormalige Innenminister Mag. Sobotka, mit Assistenz des damaligen Vizekanzlers und nunmehrigen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofes Univ. Prof. Dr. Brandstetter, im Entwurf eines sogenannten „Sicherheitspaketes“ auch die Schaffung von „Sicherheitsforen“ vorgeschlagen, bei welchen Privatpersonen mit „besonderer Kenntnis“ über ihr privates Umfeld zu „Erhebungen“ unterschiedlicher Natur und Bekanntgabe des Ergebnisses an Polizeibehörden „ermächtigt“ werden sollen, wird nun klar ersichtlich, dass derartige „Privatisierungen“ von Polizeiagenden im Innenministerium offenbar bereits seit längerem nicht nur „angedacht“ sondern bereits eifrig praktiziert werden.

Bereits die Überlegungen zu den „Sicherheitsforen“ hat in Expertenkreisen aber auch bei den Abgeordneten des damaligen Regierungspartners SPÖ sowie der gesamten Opposition ungläubiges Kopfschütteln und massive Ablehnung verursacht, wobei als „Speerspitze“ der Ablehnung auf Seiten der FPÖ der damalige Abgeordnete zum Nationalrat und nunmehrige Innenminister Mag. Herbert Kickl fungierte.

Nun wird offenbar, dass das Innenministerium bei Telefonüberwachungen sogar Privatpersonen – möglicherweise sogar als Scheinselbständige – mit der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen beauftragt, indem dort Personen, welche Kenntnis in einer Sprache zu haben scheinen, ohne jede weitere Qualifikation für Telefonüberwachungen als „Dolmetscher“ herangezogen werden. So kritisiert auch Wirtschaftsanwalt Oliver Stauber, Vorsitzender der gewerkschaftlichen Initiative für Ein-Personen-Unternehmen vidaflex, dass offensichtlich vor allem Telefonüberwachungen von Hilfskräften auf Werkvertragsbasis durchgeführt werden und oft nicht einmal ein Beamter danebensitzt. Üblicherweise und gesetzlich geboten, sind bei so heiklen Eingriffen wie Telefonüberwachungen bestausgebildetste und erfahrene Kriminalbeamte sowie gerichtlich beeidete und zertifizierte Dolmetscher einzusetzen. Der Einsatz von Privatpersonen bei Ermittlungen stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar und ist zweifelsohne massiv rechtswidrig.

 

Ein in dem Zusammenhang beim Wiener Arbeits- und Sozialgericht anhängiger Fall, bei dem es um das Arbeitsverhältnis einer solchen ehemals in der Telefonüberwachung tätigen „Übersetzerin“ geht, wirft zudem je nach gerichtlicher Wertung noch weitere Fragen auf:

Kommt das Gericht zur Ansicht, bei den „Dolmetschern“ handle es sich entgegen der Behauptung des Innenministeriums nicht um (Schein-) Selbstständige, so wären diese als Vertragsbedienstete zu qualifizieren und das Innenministerium auch für die verkürzten Sozialversicherungsbeiträge verantwortlich.

Falls das Gericht aber eine Selbstständigkeit der betroffenen Person feststellt, wäre wiederum die Beauftragung der Privatpersonen vergabe- und wettbewerbsrechtlich bedenklich, da im Sinne eines fairen Wettbewerbs derartige Leistungen auszuschreiben wären.

 

Darüber hinaus gibt es leider noch weitere besorgniserregende Entwicklungen aus welchen erkennbar wird, dass der Missbrauch von persönlichen Daten im Bereich des BMI – gelinde gesagt - keinesfalls ausgeschlossen ist. So haben Beamte des Innenministeriums erst jüngst wieder private Daten von Personen missbräuchlich verwendet und damit weit in bestehende Grundrechte der Bevölkerung in diesem Land rechtswidrig eingegriffen.

So hat etwa (siehe auch Kurier vom 25.02.2018, Seite 13) ein Wiener Beamter streng geschützte polizeiinterne Informationen für private Zwecke weitergegeben, in dem er unerlaubt Akten abfotografiert und Informationen aus dem hochsensiblen PAD (Protokollieren-Anzeigen-Daten) System der Polizei sowie Tatortbilder über WhatsApp „verteilt“ hat.

Dazu kommt, dass vor allem sich offen zur Gewerkschaft AUF bekennende Beamte gezielt gegen eine spezielle Dienstanweisung der Wiener Polizei verstoßen, welche vorschreibt, wie sich Beamte privat auf sozialen Netzwerken zu verhalten haben, indem diese ua. geschützte Daten – wie oben dargestellt – missbräuchlich für Privatzwecke verwendet werden.

Diese Fälle sind leider keine Einzelfälle, sondern nehmen, wie etwa Daniela Tunst, Leiterin der Wiener Polizeipressestelle, mitteilt in letzter Zeit stark zu.

Nimmt man nun die heiklen Themen Überwachung & Kontrolle, welche nach Absicht der aktuellen Regierung unter Sebastian Kurz massivst ausgebaut werden sollen und zum anderen die steigenden Fälle von Missbräuchen höchst sensibler Daten so sieht man, welch eminente Gefahren sich für die BürgerInnen dieses Landes durch weitere massive Grundrechtseingriffe ergeben.

 

 

Diese sich abzeichnende Gefahr erkennend richten die unterzeichneten Abgeordneten daher an den Bundesminister für Inneres folgende

 

Anfrage

 

1.    Bezugnehmend auf den Fall des ASG:

a)    Trifft es zu, dass in sämtlichen Landespolizeidirektionen und jedenfalls in den diesen zugeordneten Landeskriminalämtern Wien und Niederösterreich „selbständige“ Dolmetscher unter anderem auch für die Sprachen Bosnisch, Kroatisch, Serbisch, Polnisch, Russisch, Tschechisch und Ungarisch, jedenfalls im Zuge von Telefonüberwachungen, systematisch, auch über längere Zeiträume bzw. ohne Vorliegen einer Dringlichkeit (nicht als „Ad-Hoc-Dolmetscher“) eingesetzt werden?

b)    Gemäß § 126 Abs 2a Satz 2 StPO hat zur Gewährleistung der Übersetzungshilfe durch die Kriminalpolizei diese eine vom Bundesministerium für Inneres („Amtsdolmetscher“) oder in dessen Auftrag von einem Dienstleister zur Verfügung gestellte geeignete Person im Sinne des § 126 Abs 2 StPO zu bestellen. Dies sieht auch die einschlägige Dienstanweisung „Dolmetscher/Sachverständige“ des LPD Wien vor. Trifft es zu, dass die tatsächlich eingesetzten Dolmetscher dennoch überwiegend über keinerlei dafür erforderliche formale Ausbildung verfügen, sohin keine Qualifikation eines gerichtlich beeideten Dolmetschers gemäß dem Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlichen zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher – SDG (insb. § 14 SDG) haben und diese meistens auch weder direkt vom BMI zur Verfügung gestellt, noch von einem in dessen Auftrag handelnden Dienstleister bezogen werden?

c)    Wie viele nicht gerichtlich beeidete und zertifizierte Dolmetscher bzw. nicht von einem Dienstleister im Auftrag des BMI zur Verfügung gestellte „selbständige“ Übersetzerinnen und Übersetzer wurden in den Jahren 2013 bis 2018 in Wien und in den einzelnen Bundesländern eingesetzt. Wie hoch waren die Kosten dafür in diesem Zeitraum pro Jahr und Bundesland?

d)    Werden die so eingesetzten „selbständigen“ Dolmetscher einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen? Werden diese wie gesetzlich und dienstrechtlich vorgesehen belehrt und beeidet? Und wenn ja, in welcher Form?

e)    Trifft es zu, dass sowohl bei der Justizbetreuungsagentur, als auch bei, vom BMI beauftragten, Dienstleistern zu wenig qualifizierte Dolmetscher angestellt sind bzw. unter Vertrag stehen und somit der Kriminalpolizei nicht zur Verfügung stehen?

f)     Warum stellt das BMI nicht zusätzliche mehrsprachige Beamte ein?

g)    In § 126 Abs. 2c StPO wird darauf hingewiesen, dass bei der Wahl von Dolmetschern und der Bestimmung des Umfangs ihres Auftrags nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit vorzugehen ist. Warum fiel weder dem Controlling in den Landespolizeidirektionen, noch in den zuständigen Abteilungen I/3 (Budget und Controlling) und IV/IR (Interne Revision), sowie dem neuen Generalsekretär (als ehemaliger Leiter der Qualitätssicherung der LPD Wien) im BMI bis dato auf, dass durch den Einsatz von (Schein-) selbständigen Dolmetschern der Stellenplan des Bundes systematisch unterlaufen und durch exorbitante Kosten für Übersetzungsleistungen den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit widersprochen wird?

h)    Sollte das ASG feststellen, dass es sich bei den solcherart beschäftigten Dolmetschern um Scheinselbständige handelt, welche Konsequenzen gedenkt der Innenminister daraus zu ziehen?

 

2.    Wie begründen Sie das von Vertretern der Regierung gebetsmühlenartig vorgebrachte Argument, dass trotz evidenter Häufung von unzulässigen Datenabflüssen über Social Media Kanäle, der durch das „Sicherheitspaket“ geplante Zugriff auf wesentlich mehr sensible Daten als derzeit möglich, zu keiner nennenswerten Steigerung der Datenmissbräuche zulasten von BürgerInnen des Landes führen wird?

 

3.    Stellen Sie unabhängig von den Plänen um das sogenannte „Sicherheitspaket“ Überlegungen an, die derzeit in 3 Ministerien völlig unterschiedlich geregelten und aus Expertenkreisen infolge ihre völligen Ineffizienz heftig gerügten Einrichtungen von „Rechtschutzbeauftragten“ – allenfalls auch gegen die von Ihrem Regierungspartner ÖVP über viele Jahre verhinderte – zu einer effizienten und durchschlagskräftigen bundesweiten Rechtsschutzeinrichtung zusammenzuführen?