467/J XXVI. GP

Eingelangt am 12.03.2018
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Anfrage

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend Maßnahmen der Bundesregierung bezüglich seltener Erkrankungen
 

Erkrankungen gelten laut Definition der EU dann als "selten", wenn sie bei maximal 5 von 10.000 Menschen auftreten. In Österreich betreffen seltene Erkrankungen derzeit etwa eine halbe Million Menschen, davon überdurchschnittlich häufig Kinder. Aufgrund ihrer Seltenheit ist eine genaue Diagnose solcher Erkrankungen für Betroffene oft eine Tortur, die häufig über Fehldiagnosen und falsch zugeordnete Symptome führt. Dank einer verbesserten Diagnose können heutzutage jedoch bereits viele seltene Erkrankungen schneller ärztlich festgestellt und behandelt werden. Derzeit geht man von 6.000 bis 8.000 unterschiedlichen Krankheitsbildern aus, die unter die Definition der "seltenen Erkrankung" fallen. Eine schnellere und genauere Diagnose, aber auch die stetige Entwicklung innovativer Arzneimittel bedeuten einen kürzeren Weg des Patienten bis zur Gewissheit und damit einen entsprechend kürzeren Leidensweg.

Bereits im Jahr 2015 hat das damalige Bundesministerium für Gesundheit und Frauen (jetzt das BMASGK) einen Nationalen Aktionsplan für Seltene Erkrankungen (NAP.se) veröffentlicht (siehe dazu auch https://www.bmgf.gv.at/home/Gesundheit/Krankheiten/Seltene_Erkrankungen/). Ziel des Nationalen Aktionsplans war es insbesondere, die Versorgung von betroffenen Patient_innen zu verbessern. Dabei spielt die Designation von Expertisenzentren eine große Rolle, denn hier kann Expertenwissen zu den spezifischen Krankheitsbildern seltener Erkrankungen gebündelt werden und den Patienten in Forschung, Diagnose und Therapie und zugute kommen. Zudem stellt die Bündelung von Expertise auch die Weichen für Forschung und Entwicklung von Therapiemöglichkeiten, denn insbesondere bei seltenen Erkrankungen finden sich für klinische Studien oftmals nicht genügend Studienteilnehmer_innen. Die Einrichtung spezialisierter Zentren für seltene Erkrankungen stellt bereits seit mehr als 10 Jahren ein Anliegen der Europäischen Kommission dar (siehe dazu S. 258: http://www.hauptverband.at/cdscontent/load?contentid=10008.621154&version=1436267320).

Arzneimittel gegen seltene Erkrankungen, so genannte "orphan drugs", genießen EU-weit einen Sonderstatus. Sie profitieren beispielsweise von Gebührenermäßigungen, einem starken Patentschutz, Förderungen und einer längeren Marktexklusivität, um Anreize für Investitionen in die Forschung zu setzen.

Etwa drei Jahre nach Veröffentlichung und gleichzeitigem Auslaufen des Nationalen Aktionsplans NAP.se für seltene Erkrankungen und nach über einem Jahrzehnt des Thematisierens seltener Erkrankungen auf EU-Ebene ist es an der Zeit, die im NAP.se gesetzten 82 Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung und des BMASGK genauer zu betrachten und ihre Umsetzung zu evaluieren.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Wie viele der 82 Maßnahmen im NAP.se sieht das BMASGK als bereits umgesetzt oder in Umsetzung an?

a.    Wie viele und welche dieser Maßnahmen wurden durch das BMASGK selbst umgesetzt? (Bitte um nähere Erläuterung bzw. Auflistung)

b.    Wie viele und welche dieser Maßnahmen wurden durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und die einzelnen Krankenversicherungsträger umgesetzt? (Bitte um nähere Erläuterung bzw. Auflistung)

c.    Wie viele und welche dieser Maßnahmen wurden durch die Bundesländer umgesetzt? (Bitte um nähere Erläuterung bzw. Auflistung)

2.    Wie ist der Stand der Dinge bei der geplanten Einrichtung verschiedener Gremien zu seltenen Erkrankungen? (Handlungsfeld 8, NAP.se S. 58)

a.    Gibt es bereits eine dauerhaft eingerichtete "Expertengruppe für seltene Erkrankungen" (Handlungsfeld 8 Ziel 1)?

                                  i.    Wenn ja, wann wurde hier die Arbeit aufgenommen?

                                ii.    Wenn ja, aufgrund welcher Kriterien wurden die Experten dieser Expertengruppe ausgewählt und nominiert?

                               iii.    Sind die Angehörigen dieser Expertengruppe öffentlich einsehbar?

1.    Wenn ja, wo?

2.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Gibt es bereits einen dauerhaft eingerichteten "Nationalen Beirat für seltene Erkrankungen" (Handlungsfeld 8 Ziel 2)?

                                  i.    Wenn ja, wann wurde hier die Arbeit aufgenommen?

                                ii.    Wenn ja, aufgrund welcher Kriterien wurden die Experten dieses Beirats ausgewählt und nominiert?

                               iii.    Sind die Angehörigen dieses Beirats öffentlich einsehbar?

1.    Wenn ja, wo?

2.    Wenn nein, warum nicht?

                               iv.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Gibt es bereits eine dauerhaft eingerichtete "Strategische Plattform für seltene Erkrankungen" (Handlungsfeld 8 Ziel 3)?

                                  i.    Wenn ja, wann wurde hier die Arbeit aufgenommen?

                                ii.    Wenn ja, aufgrund welcher Kriterien wurden die Experten dieser Plattform ausgewählt und nominiert?

                               iii.    Sind die Angehörigen dieser Plattform öffentlich einsehbar?

1.    Wenn ja, wo?

2.    Wenn nein, warum nicht?

3.    Wurden die von den 82 Maßnahmen bereits umgesetzten Maßnahmen im NAP.se bereits evaluiert?

a.    Wenn ja, wo können diese Evaluierungen eingesehen werden?

                                  i.    Ist ein Evaluierungsbericht vorgesehen?

b.    Wenn nein, warum nicht?

4.    Inwieweit wurden Ziele im Handlungsfeld 9 bereits umgesetzt oder sind in Umsetzung? (NAP.se S. 62)

a.    Wie ist der Stand der Dinge zu Ziel 1: "Sicherstellung einer österreichweiten Vertretung für Personen mit SE u. a. auch als Ansprechpartner für Personen mit Erkrankungen, für die es keine eigene Selbsthilfeorganisation und/oder Selbsthilfegruppe gibt"?

b.    Wie ist der Stand der Dinge zu Ziel 2: "Klärung der Rolle der Selbsthilfe, Förderung von Unabhängigkeit und Transparenz mit dem Ziel der Sicherstellung einer langfristigen Finanzierung"?

c.    Wie ist der Stand der Dinge zu Ziel 3: Anerkennung der Expertise und der Erfahrungen von Personen mit SE und jener von Angehörigen und Schaffung partizipativer Entscheidungsstrukturen (Einbindung in alle relevanten gesundheitspolitischen Entscheidungsprozesse)"?

d.    Wie ist der Stand der Dinge zu Ziel 4: "Erhebung gesundheitsökonomischer Effekte der Selbsthilfe"?

e.    Wie ist der Stand der Dinge zu Ziel 5: "Stärkung des Images der Selbsthilfe in der Öffentlichkeit"?

5.    Welche Maßnahmen wurden zur Bekämpfung von Defiziten in "der Sicherung der Versorgungsqualität in den Bereichen Diagnostik, klinische Betreuung, Therapie, Rehabilitation und Pflege" als wichtiges Handlungsfeld (S. 11) im Bereich Rehabilitation bereits umgesetzt?

a.    Welche Maßnahmen zur "Unterstützung zur Erlangung und/oder Erhaltung der Arbeitsfähigkeit und Lebensbewältigung" (siehe Vorwort NAP.se) wurden bisher konkret umgesetzt?

b.    Welche Maßnahmen wurden noch nicht umgesetzt bzw. befinden sich derzeit in Umsetzung?

c.    Gibt es seitens Ihres Ministeriums und auch bzgl. des NAP.se Überlegungen, wie ein flexibleres, individuelleres System der Pflegeeinstufung oder auch Einstufung der Arbeitsfähigkeit für Menschen mit seltenen Erkrankungen etabliert werden könnte, um dieser Problematik entgegenzuwirken?

                                  i.    Wenn ja, wie sehen solche Ideen für flexiblere Modelle aus?

                                ii.    Wenn nein, warum nicht?

6.    Wird sich auch der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger - trotz bereits öffentlich gewordener Kritik an einem starken Patentschutz (http://www.hauptverband.at/cdscontent/load?contentid=10008.632536&version=1470205705) - für die Beibehaltung dieser rechtlichen Besonderheiten für "orphan drugs" einsetzen?

a.    Wenn ja, inwiefern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

c.    Gibt es hierzu bereits eine geschlossene Position Österreichs auf nationaler und europäischer Ebene?

d.    Misst Österreich wie die EU Kommission den rechtlichen Besonderheiten von "orphan drugs" eine besonders wichtige Bedeutung bei?

7.    Wie viele der geplanten Fachzentren bzw. Expertisenzentren (NAP.se S. 19) sind in Österreich bisher durch die Nationalen Koordinationsstelle für seltene Erkrankungen (NKSE) designiert worden? (Bitte um Auflistung aller kodierten Zentren-Typen a,b,c wie im Nap.se beschrieben)

a.    Wie viele weitere Expertisenzentren sollen wann von der NKSE designiert werden?

b.    Gibt es hier nationale und/oder europäische Zertifizierungen oder Qualitätskriterien?

                                  i.    Wenn ja, wo können diese eingesehen werden?

8.    Wie viele Anträge auf Anerkennung bzw. Designation sind seit Einrichtung der NKSE dort eingetroffen?

a.    Wie viele dieser Anträge wurden bisher bewilligt?

b.    Wie viele dieser Anträge sind noch in Bearbeitung und seit wann?

9.    Wie viele Anträge auf Anerkennung bzw. Designation liegen der NKSE derzeit vor?

10. Wie wird seitens Ihres Ministeriums bzw. des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger sichergestellt, dass Versicherte mit seltenen Erkrankungen denselben Zugang zu Arzneimitteln und Therapien haben, wie Menschen mit gewöhnlicheren oder häufiger vorkommenden Erkrankungen?

a.    Gibt es hier konkrete Projekte oder Vorhaben bzgl. der Erstattungspraxis von "orphan drugs" in Österreich? Wenn ja, welche?

b.    Wie wird eine gute Zusammenarbeit bzgl. Therapie und Finanzierung zwischen niedergelassenem und stationärem Bereich sichergestellt?

c.    Besteht die Möglichkeit der Einschränkung von Leistungen und Kosten für die gesetzlichen Krankenversicherungsträger und wie sehen diese aus?

11. Wie wird die Maßnahme "Besondere Berücksichtigung seltener Erkrankungen bei Kindern", welche im derzeitigen Regierungsprogramm auf S. 113 angeführt wird, umgesetzt?

a.    Welche konkreten Vorhaben und Schritte werden als nächstes gesetzt?

b.    Wird diese Maßnahme im Arbeitsprogramm der jetzigen Bundesregierung in den jetzigen oder auch einen nachfolgenden NAP.se einbezogen?

                                  i.    Wenn ja wie?

12. Soll der NAP.se nach Ende der Laufzeit 2018 weitergeführt werden?

a.    Wenn ja, in welcher Form?

b.    Wenn ja, welche Maßnahmen und Ziele werden erweitert, wieder aufgenommen oder verbessert?

c.    Wenn ja, sollen Patientengruppen bzw. Betroffenen in einen nächsten Nationalen Aktionsplan eingebunden werden?

                                  i.    Gibt es hier bereits konkrete Ideen, welche (Selbsthilfe-)Gruppen oder Patienten hier einbezogen werden sollen?

d.    Wenn nein, warum nicht?

13. Wird Ihr Ministerium oder ein Mitglied der österreichischen Bundesregierung an der "9. Europäische Konferenz über Seltene Erkrankungen und Orphan-Produkte" (ECRD), welche vom 10.-12.05.2018 in Wien stattfindet und in Partnerschaft mit der Gesundheit Österreich GmbH und dem Dachverband für Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen im Bereich der seltenen Erkrankungen (Pro Rare Austria) organisiert wird, vertreten sein?

a.    Wenn ja, wer wird hier vertreten sein?

b.    In welcher Form bringt sich Ihr Ministerium bei dieser Konferenz ein?

c.    Planen Sie bzw. Ihr Ministerium, das internationale Expertenwissen, das bei dieser Konferenz zur Verfügung stehen wird, für österreichische Patienten und gesundheitspolitisch weiter zu nutzen?