468/J XXVI. GP

Eingelangt am 12.03.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen,
an den Bundesminister für Inneres,

betreffend Erhöhung der Strafen für Gewalt- und Sexualverbrecher

Den Medien ist zu entnehmen, dass die Regierung eine Verschärfung der Strafdrohungen für Gewalt- und Sexualstraftaten plant. Staatssekretärin im Bundesministerium für Inneres, Mag. Karoline Edtstadler, soll eine entsprechende „Task Force“ leiten. Die Staatssekretärin ist dem Bundesminister für Inneres weisungsgebunden (Art 78 Abs 2 und 3 B-VG). An Staatssekretäre können gern § 91 Abs 1 GOG-NR e contrario keine Anfragen gerichtet werden (vgl Atzwanger/Zögernitz, NRGO3 § 91 Anm 4), weshalb sich diese Anfrage an den Bundesminister für Inneres richtet.

Das BMI kündigte an, trotz massiven Widerspruchs insbesondere der Richtervereinigung, der Rechtsanwaltskammer, Opferschutzeinrichtungen, Universitäten sowie Vertretern der Zivilgesellschaft, eine Verschärfung der Strafen auf jeden Fall durchsetzen zu wollen. Die einhellige Kritik stellt sich – mit guten Argumenten – gegen die geplante Reform. Höhere Strafen sind nämlich nicht dazu geeignet, Täter von der Begehung von Straftaten abzuhalten und haben für Opfer von Straftaten nur untergeordnete Bedeutung.

Zur inhaltlichen Ausgestaltung der Reform gab es von Seiten des BMI verschiedene Aussagen. So lassen manche Erklärungen – insbesondere der Vergleich der Strafdrohungen verschiedener Straftatbestände – vermuten, dass eine Erhöhung der Höchststrafdrohungen einzelner Straftatbestände geplant ist. An anderer Stelle hingegen wurde explizit eine Erhöhung der Mindeststrafdrohungen angesprochen. An wieder anderer Stelle ging es um eine Ausweitung der Erschwerungsgründe nach § 33 StGB.

Um die Notwendigkeit dieser Reform zu begründen bemühte das BMI das „natürliche Rechtsempfinden“ auf Basis einiger Postings in sozialen Medien. Zusätzlich wurden etwa die Strafdrohung des schweren Diebstahls nach § 128 StGB und des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach § 207b StGB, die jeweils drei Jahre betragen, verglichen. Dieser Gleichklang mache dem BMI zufolge eine Reform notwendig.

Für die Ausarbeitung der Reform selbst soll das BMI und nicht das BMVRDJ verantwortlich sein. Dafür soll eine Expertenkommission eingesetzt werden, der verschiedene Praktiker und Wissenschaftler angehören sollen.


Aus diesem Grund richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundesminister für Inneres folgende

Anfrage:

1)    Wie soll sich die Vollziehung bei der Ausarbeitung eines Ministerialentwurfes verhalten, wenn Sie und die Staatssekretärin unterschiedliche Meinungen vertreten?

2)    Auf welcher Rechtsgrundlage wurde der Staatssekretärin die Ausarbeitung dieser Reform übertragen?

3)    Ist geplant, die Strafrechtssektion des BMVRDJ (Sektion IV) in die vorgesehene „Task-Force“ oder Expertenkommission miteinzubeziehen?

4)    Wenn Frage 3 mit Nein beantwortet wurde: Warum nicht?

5)    Wenn Frage 3 mit Ja beantwortet wurde: Werden diese Angestellten des BMVRDJ außerhalb ihrer Dienstzeit an der Ausarbeitung der Reform arbeiten?

6)    Ist die Staatssekretärin dem BMI oder dem BMVRDJ, oder beiden, in der „Task-Force“ weisungsgebunden?

7)    Wenn Frage 5 mit Ja beantwortet wurde: Mit welchen Mehrkosten rechnen Sie durch die Verwendung der Angestellten des BMVRDJ außerhalb von deren Dienstzeit? Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich die Verwendung dieser Angestellten?

8)    Wenn Frage 5 mit Nein beantwortet wurde: Inwiefern haben Sie vor, dem BMVRDJ diese Verwendung seiner Angestellten zu vergüten?

9)    Welche Mehrkosten erwarten Sie durch die zusätzlichen Wege, welche die Angestellten zwischen Innenministerium und BMVRDJ zurücklegen müssen?

10) Entsprechen die Ausarbeitung der Reform durch das BMI und die zu erwartenden Mehrkosten durch die gewählte Vorgehensweise dem im Regierungsprogramm propagierten Ziel der kosteneffizienteren Verwaltung (vgl etwa „Wir wollen die Verwaltung im österreichischen Staat grundlegend reformieren und vereinfachen“, Regierungsprogramm S. 12).

11) Wie setzt sich die mit der Ausarbeitung des Entwurfs betraute Kommission zusammen? Werden dieser Kommission auch diejenigen externen Experten angehören, welche die Reform im Vorfeld kritisiert haben?

12) Welche Experten, die diese Reform befürworten, werden der Kommission angehören?

13) Wie werden Sie vorgehen, wenn sich die Mehrheit der Experten in der „Task Force“ gegen eine Erhöhung der Strafen – in welcher Form auch immer – aussprechen? Werden Sie die geplante Verschärfung trotzdem durchführen?

14) Kennen Sie den Forschungsstand zur Ineffektivität von Prävention durch höhere Strafen für Verbrechen?

15) Wenn Frage 14 mit Nein beantwortet wurde: Wieso nicht?

16) Wenn Frage 14 mit Ja beantwortet wurde: Wieso forcieren Sie derartige Maßnahmen, obwohl Ihnen klar ist, dass es der einhelligen Meinung von Experten entspricht, dass eine Erhöhung keine positiven Effekte bringt?


17) Sind die in einzelnen Postings in Social Media wiedergegebenen Meinungen bei der Ausarbeitung der Reform relevanter als die einschlägigen Expertenmeinungen?

18) Wenn Frage 17 mit Ja beantwortet wurde: Wozu soll dann eine Expertenkommission eingesetzt werden?

19) Wenn Frage 17 mit Nein beantwortet wurde: Wieso wurde dann auf diese Postings verwiesen, um die Notwendigkeit dieser Reform entgegen der Meinung von Experten zu begründen?

20) Wird das BMI auch mit der Ausarbeitung einer Reform des Maßnahmenvollzugs betraut sein?