585/J XXVI. GP

Eingelangt am 26.03.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Gerald Loacker, Josef Schellhorn, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz

betreffend Prüfung von Kunstschaffenden durch die Österreichischen Ge­bietskrankenkassen

Kunstschaffende sind in Österreich, wenn sie als neue Selbständige tätig sind, durch die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) kranken-, unfall- und pensionsversichert. Laut deren Angabe sind das derzeit rund 10.000 Menschen. Zusätzlich dazu wurde die Möglichkeit geschaffen, beim Künstler­Sozialversicherungsfonds Anträge auf Zuschüsse zu stellen. Der Fonds ist als Schnittstelle zwischen Künstler_innen und der SVA konzipiert, gleichzeitig ist er eine Abgabenbehörde.

Obwohl sich durch die Etablierung des Künstler-Sozialversicherungsfonds die Situation für Kunstschaffende arbeitsrechtlich verbessert hat, sind Künstler_innen ver­gleichsweise häufig in sozialversicherungsrechtlich schwierigen Arbeitssituationen zu finden sind. So fehlt die Rechtssicherheit in Bezug auf die Frage, wann ein_e Kunst­schaffende_r Angestellte_r ist, wann selbstständig. Die soziale und versicherungs­rechtliche Absicherung ist für viele im Bereich der Kunst und Kultur Tätigen nicht ausreichend, häufig sind Künstler_innen deshalb nebenberuflich selbstständig er­werbstätig. Dadurch ergeben sich oft auch versicherungsrechtliche Doppelgleisigkei- ten.

Medienberichten zufolge sollen seit Ende letzten Jahres nun Musiker_innen der Wiener Philharmoniker und des Schoenberg-Chors von der Wiener Gebietskrankenkasse geprüft worden sein. Nach der bisherigen Prüfpraxis der österr. Gebietskrankenkassen zu urteilen, hat man kassenseitig nach Programmierern, Kameraleuten, Promotion-Kräften und anderen nunmehr die Berufsgruppe der Künstler als Prüfungsschwerpunkt ins Visier genommen. Als Grund dafür wird die prekäre Finanzsituation insbesondere der WGKK und die Kreativität von Kassenbürokraten auf der Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen für die marode Kasse vermutet (https://kurier.at/wirtschaft/sozialversicherung-zur-kasse-bitte/290.705.564). Tatsächlich erwartet die WGKK im kommenden Jahr ein Minus von 16 Millionen Euro, während die SVA Prognosen zufolge Gewinne von rund 21 Mio. Euro erwirtschaften wird (derstandard.at/2000067850651/Krankenkassen-erwarten-Defizit-von-elf-Millionen- Euro). Die Argumentation der Wiener Gebietskrankenkasse, wonach der Schoenberg Chor als Verein die mitwirkenden Sänger_innen anstellen müsse und dementspre­chend hohe Sozialversicherungsbeiträge zahlen soll, bedeutet für den Chor schlicht eine existentielle Bedrohung. Es liegt z.B. im Wesen einer Künstlerprobe, dass diese eine festgesetzte Beginnzeit hat - sonst ergibt die Probe keinen Sinn. Auch ist das Befolgen von Anweisungen der Regie oder des Dirigenten berufsimmanent. Aus sol­chen Umständen eine unselbständige Tätigkeit der Probenden abzuleiten, verkennt den Charakter der künstlerischen Tätigkeit völlig. Schließlich ist es das freiwillige Zu-

sammenwirken der einzelnen Kunstschaffenden, das zum Gesamtwerk führt.

Die Folge der GKK-Prüfpraxis bedeutet nämlich massiven bürokratischen und finan­ziellen Mehraufwand für Vereine, in denen sich zum großen Teil Freiwillige ehren­amtlich engagieren. Wenn man Orchestermitglieder oder Sänger_innen behandelt wie Angestellte, wird es für viele dieser Vereine unmöglich, ihre kulturellen Aktivitäten in vollem Umfang fortzusetzen. Müssten Musiker_innen für jede Probe Honorarnoten ausstellen oder Stundenlisten schreiben? Ganz zu schweigen von unterschiedlichen Regelungen in verschiedenen Bundesländern und den damit verbundenen bürokrati­schen Hürden. Die Behandlung von Künstler_innen wie Schichtarbeiter mit Stunden­lohn ist schlicht lebensfremd und würde auch zu einer deutlichen Abwertung der ös­terreichischen Kunst- und Kulturlandschaft führen, die unter anderem auch immer wieder zu Rekordergebnissen im Fremdenverkehr führt und mitverantwortlich für Ös­terreichs Renommée im Ausland ist. Die so von der österreichischen Sozialversiche­rung betriebene Schädigung des österreichischen kulturellen Erbes ist rechtlich be­denklich und kulturpolitisch äußerst fragwürdig.

Die unterfertigenden Abgeordneten stell daher folgende

Anfrage:

1.    Sind dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumenten­schutz die oben ausgeführten Aktivitäten der Gebietskrankenkassen bekannt, und wenn ja, wie werden diese Aktivitäten von Seiten des Ministeriums begründet?

2.    Wie bewertet das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Kon­sumentenschutz die verstärkte Beitragsprüfung der Gebietskrankenkassen von Orchestern, Chören oder anderen kulturellen Vereinen und deren oft existenz­bedrohenden Folgen für die Betroffenen?

3.    Wie hoch werden die finanziellen Mehreinnahmen durch die verstärkte Prüfung von Vereinen im Kunst- und Kulturbereich angenommen?

4.    Wie viele im Kunst- und Kultrubereich tätigen Vereine und Institutionen wurden seit 2012 durch die österreichischen Gebietskrankenkassen geprüft? (Bitte um Auflistung nach Jahr und Sozialversicherungsträger)

a.    Wie hoch waren die jeweiligen Beitragsnachzahlungen für die geprüften Vereine seit 2012? (Bitte um Auflistung nach Jahr, Bundesland, Sozialver­sicherungsträger und Verein)

b.    Wie viele Vertragsverhältnisse waren lösten eine Nachzahlungspflicht aus?

c.    Wie lautete die jeweilige Begründung der Gebietskrankenkassen, wenn festgestellt wurde, dass Vereine Beiträge nachzuzahlen hatten? (Bitte um Auflistung nach Jahr und Sozialversicherungsträger)

d.    In wie vielen Fällen wurde von betroffenen Vereinen Rechtsmittel gegen ein Prüfergebnis der Gebietskrankenkassen eingelegt? (Bitte um Auflis­tung nach Jahr und Sozialversicherungsträger)

e.    In wie vielen Fällen wurde von den betroffenen Versicherten Rechtsmittel gegen ein Prüfergebnis der Gebietskrankenkassen eingelegt? (Bitte um Auflistung nach Jahr und Gebietskrankenkasse)

f.      In wie vielen Fällen wurde von der SVA Rechtsmittel gegen in Prüfergebnis der Gebietskrankenkassen eingelegt? (Bitte um Auflistung nach

g.    In wie vielen Fällen wurde die SVA im Prüfverfahren zugezogen? (Bitte um Auflistung nach Jahr, Bundesland und Sozialversicherungsträger)

i.     In wie vielen Fällen davon erfolgte die Zuziehung der SVA auf Be­treiben des geprüften Vereins?

ii.     In wie vielen Fällen davon erfolgte die Zuziehung der SVA auf Be­treiben eines Versicherten?

iii.    in wie vielen Fällen davon erfolgte die Zuziehung der SVA durch die GKK?

5.    Stellt die Befolgung von Anweisungen von Dirigenten oder Regisseuren durch Vereinsmitglieder nach Ansicht des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Ge­sundheit und Konsumentenschutz eine dienstrechtliche Weisungsgebundenheit dar?

a.    Wenn ja, wie viele Fälle von einem Verstoß gegen diese dienstrechtliche Weisungsgebundenheit sind dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz bekannt?

b.    Sind dem BMASGK Fälle bekannt, in denen Dienstnehmer_innen dienst­rechtliche Konsequenzen zu tragen hatten, wenn sie beispielsweise Aus­führungen von Dirigenten nicht befolgten? Wenn ja, wie viele?