664/J XXVI. GP

Eingelangt am 13.04.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Alfred J. NolI, Kolleginnen und Kollegen,

an den Bundeskanzler,

betreffend das Auskunftsrecht im Zusammenhang mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung

Im Rahmen der Regierungsbildung wurde von verschiedensten Seiten kritisiert, dass nun alle drei Nachrichtendienste in der Hand der FPÖ sein werden. Um die Sorgen der Bevölkerung und der Medien zu kalmieren, betonte der Bundeskanzler während der Regierungsbildung, dass es eine Berichtspflicht an den Bundeskanzler geben werde (etwa https://www.sn.at/politik/innenpolitik/blaue-geheimdienste-muessen-auch-kurz-berichten-21855445).

Diese „Berichtspflicht“ ist nach geltendem Recht im Bundesministeriengesetz (BMG) als Auskunftsrecht ausgestaltet. In der Anlage zu § 2 BMG steht in Teil 2 A. Bundeskanzleramt, 1. („Angelegenheiten der allgemeinen Regierungspolitik einschließlich der Koordination der gesamten Verwaltung des Bundes, soweit sie nicht in den Wirkungsbereich eines anderen Bundesministeriums fällt."): „Dazu gehören insbesondere auch: [...] Auskunftsrecht für den Bundeskanzler und den Vizekanzler beim Heeresnachrichtenamt, beim Abwehramt und beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.“ Somit hat der Bundeskanzler ein Auskunftsrecht insbesondere gegenüber dem BVT.

In Anlehnung an das pflichtgemäße Ermessen von Aufsichtsräten im Zusammenhang mit Anforderungsberichten nach § 95 Abs 2 AktG ist davon auszugehen, dass der Bundeskanzler nach Maßgabe des Geschehens in der vorliegenden Causa dazu verpflichtet war, sein Auskunftsrecht wahrzunehmen (vgl zu den Sonderberichten beim Aufsichtsrat etwa Strasser in Jabornegg/Strasser, AktG II5 §§ 95-97 Rz 21). Macht ein Aufsichtsrat nicht von seinem Auskunftsrecht Gebrauch, wenn es das pflichtgemäße Ermessen verlangt, so begründet dies eine Haftung nach § 99 iVm § 84 AktG (Strasser, aaO) .

Überraschend erscheint vor diesem Hintergrund, dass sich der Bundeskanzler erst mit einiger Verzögerung nach der Hausdurchsuchung beim BVT zu Wort meldete. In seiner Wortmeldung verwies er überdies nur auf die zu diesem Zeitpunkt noch anstehende Aufklärung durch den BMVRDJ. Zusätzlich standen Vorwürfe gegen Mitglieder des BVT schon längere Zeit im Raum. Bereits vor der Hausdurchsuchung wäre der Gebrauch des Auskunftsrechts damit verpflichtend gewesen.

 

 

Aus diesem Grund richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende

Anfrage:

1)    Haben Sie von Ihrem Auskunftsrecht gegenüber dem BVT bereits vor Bekanntwerden der Hausdurchsuchung Gebrauch gemacht?

2)    Wenn nein: Weshalb nicht?

3)    Wenn ja: Welcher Informationsgewinn wurde dadurch erzielt?

4)    Wenn ja: Welche Konsequenzen zogen Sie aus den gewonnenen Informationen für die Verwaltung, insbesondere im Zusammenhang mit der Koordination der gesamten Verwaltung des Bundes?

5)    Haben Sie von Ihrem Auskunftsrecht im Zusammenhang mit der Hausdurchsuchung beim BVT Gebrauch gemacht?

6)    Wenn nein: Weshalb nicht?

7)    Wenn nein: Was ist der Nutzen dieses Auskunftsrechts, wenn es in solchen Fällen nicht zum Zug kommt?

8)    Wenn ja: Wie lange dauerte es, bis Sie ihr Auskunftsrecht in diesem Zusammenhang in Anspruch nahmen?

9)    Wenn ja: Welcher Informationsgewinn wurde dadurch erzielt?

10) Wenn ja: Welche Konsequenzen zogen Sie aus den gewonnenen Informationen für die Verwaltung, insbesondere im Zusammenhang mit der Koordination der gesamten Verwaltung des Bundes?

11 )Wurde das Auskunftsrecht verwendet, um im Zusammenhang mit der Suspendierung von Hrn. Gridling zusätzliche Informationen zu erhalten?

12) Wenn  nein: Weshalb nicht?

13) Wenn ja: Wie lange dauerte es, bis Sie ihr Auskunftsrecht in diesem Zusammenhang in Anspruch nahmen?

14) Wenn ja: Welcher Informationsgewinn wurde dadurch erzielt?

15) Wenn ja: Welche Konsequenzen zogen Sie aus den gewonnenen Informationen für die Verwaltung, insbesondere im Zusammenhang mit der Koordination der gesamten Verwaltung des Bundes?

16) Wurden  Informationen vom BVT angefordert, um die in den Medien kolportierte, schlussendlich allerdings als Fehldarstellung nachgewiesene, Durchsuchung in Kampfmontur durch die EGS zu Überprüfen und richtigzustellen?

17) Wenn  nein: Weshalb nicht?

18) Wenn ja: Wie lange dauerte es, bis Sie ihr Auskunftsrecht in diesem Zusammenhang in Anspruch nahmen?

19) Wenn ja: Welcher Informationsgewinn wurde dadurch erzielt?

20) Wenn  ja: Welche Konsequenzen zogen Sie aus den gewonnenen Informationen für die Verwaltung, insbesondere im Zusammenhang mit der Koordination der gesamten Verwaltung des Bundes?

21) Wurden  Informationen von Mitgliedern des BVT eingeholt, um herauszufinden, ob und wann Mitglieder der EGS von der Staatsanwaltschaft unbeaufsichtigt Material sicherstellten?

22) Wenn  nein: Weshalb nicht?

23) Wenn  ja: Wie lange dauerte es, bis Sie ihr Auskunftsrecht in diesem Zusammenhang in Anspruch nahmen?

24) Wenn  ja: Welcher Informationsgewinn wurde dadurch erzielt?

25) Wenn  ja: Welche Konsequenzen zogen Sie aus den gewonnenen Informationen für die Verwaltung?

26) Welche Verantwortlichkeit bzw. Mitverantwortung entsteht für den Bundeskanzler durch das eingeräumte Auskunftsrecht gegenüber den drei gegenständlichen Ämtern?

27) Falls jede Mitverantwortung verneint wird: Welchen Zweck hat dann das Auskunftsrecht für die Ausübung der Verwaltung und die Ausübung der Koordination der gesamten Verwaltung des Bundes, soweit sie nicht in den Wirkungsbereich eines anderen Bundesministeriums fällt?

28) Werden Sie in Zukunft das Auskunftsrecht regelmäßig, auch unabhängig von medial beachteten Fällen, in Anspruch nehmen, um eine funktionierende Ausübung der Verwaltung und Ausübung der Koordination der Verwaltung des Bundes sicherzustellen?

29) Wenn  nein: Weshalb nicht?

30) Wenn  ja: Welche zeitlichen Abstände sind für eine regelmäßige Wahrnehmung des Auskunftsrechts vorgesehen?