668/J XXVI. GP

Eingelangt am 13.04.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Johannes Jarolim sowie zahlreicher Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend

BMI-„Reportage“ über österreichischen „Escort“ ins Ausland

Der vormalige Generalsekretär und Medienstratege der FPÖ - auch für die FPÖ-eigenen Medien wie beispielsweise „FPÖ-TV“ zuständig - und nunmehriger Innenminister Herbert Kickl postete am 27.2.2018 auf seiner Facebook-Seite, mit erkennbarem Stolz, einen Link zu einer sogenannten „Reportage“ des Innenministeriums. Verfasst wurde die Geschichte mit dem reißerischen Titel „Abschiebung: Was wirklich passiert von einem als „Journalisten“ ausgegebenen Mitarbeiter des Innenressorts. Kickl schrieb dazu vielsagend auf seiner Facebook-Seite, dass ein „Journalist“ aus der Onlineredaktion des Innenministeriums eine Luftabschiebung begleitet habe.

In der wahren Medienlandschaft amüsierte man sich über diese Aussagen des Ministers und gab diesem den dezenten Ratschlag, ihm unterstellte und strikt weisungsabhängige Pressemitarbeiter schon aus Gründen der Vermeidung von Täuschungen der Öffentlichkeit nicht als „Journalisten“ auszugeben.

Der „Journalist“, welcher über „sein“ Ministerium berichtete, war jedenfalls ein Herr Reinhard Leprich, ein ehemaliger Polizist, der laut eigener Homepage an der Hamburger Akademie für Fernstudien den bekannten Lehrgang „Belletristik“ belegte, einen - dem einen oder der anderen bekannten – Roman, sowie dem Vernehmen nach bemerkenswerte Kurzgeschichten publiziert haben soll. Vorrangig ist er aber Mitarbeiter des BMI.

Das bekannte Medium „Das Polizeicafe“ widmete Herrn Leprich in seiner Ausgabe vom 27. September 2010 so manche berührende Zeile:

„Am 01.09.1964 im mittelalterlichen, am östlichen Rand des niederösterreichischen Waldviertels gelegenen Eggenburg geboren, verfällt Reinhard Georg Leprich nach Abschluss der Höheren Technischen Bundeslehranstalt für Elektrotechnik und dem Beitritt zur Bundespolizei in Wien für mehr wie ein Jahrzehnt der Malerei mit Ölfarben. Die innere Sehnsucht nach intellektueller Harmonie findet dabei nicht ihre Erfüllung.

Im Umkreis seiner beruflichen Tätigkeit kommt er durch das Schreiben regelmäßiger Beiträge für ein regionales Zeitungsjournal mit dem Formulieren und Verfassen von Texten in Berührung. Davon inspiriert, beginnt er mit dem Niederschreiben mehrerer Kurzgeschichten. Ein erster Roman kommt über das Anfangsstadium von siebzig Seiten nicht hinaus und landet für längere Zeit in einem Aktenordner. Er beginnt ein Studium der Belletristik und schreibt weitere Romane und Novellen."

Der gegenständliche Text „Abschiebung: Was wirklich passiert“ ist in der Ich-Perspektive verfasst und beschreibt eine Luftabschiebung in den Kosovo und nach Moldawien. Der erste Abschnitt der „Reportage“ umschreibt eine idyllische Szene, in der ein Mädchen, welches gerade abgeschoben wird, mit einer Polizistin in einer dem Leser vermittelten Vorfreude auf das Kommende spielt.

Ein Auszug daraus:

„Das Mädchen trägt einen Hörapparat, hat Bewegungsstörungen. Dennoch ist es quicklebendig. Statt Worte lässt es Arme, Hände, den ganzen Oberkörper reden. Erst stampft es mit den Füßen, dann hüpft es, wirbelt mit den Händen wie wild im Kreis herum. Es lacht. Unter dem schwarzen Lockenkopf folgen die Augen aufgeweckt den Bewegungen der Polizistin neben ihm. Es mag zehn, vielleicht elf sein, schätze ich, ein kosovarisches Mädchen, weiß ich. Jetzt nimmt es die Hand der Polizistin, reicht mit der anderen eine Trinkflasche, deutet auf einen quadratischen Tisch: dort abstellen. Die Polizistin tut, wie verlangt. Das Mädchen ist hellauf begeistert. Ein bunter Schal: auch auf den Tisch. Wieder drückt der Körper des Mädchens aus, was es empfindet. Dann geht der Daumen hoch: Das hast du gut gemacht. Nein, auf gar keinen Fall lässt du meine Hand jetzt los, zeigt das Mädchen lebhaft an. Die Polizistin lacht, tätschelt über den sich ständig bewegenden Lockenkopf

„Auch ich lächle. Ich hätte keine schönere Szene für den Anfang meiner Erzählung finden können, es sei denn, ich hätte eine erfunden.. '

In der Folge wird dargestellt, dass Polizeibeamte Gilets mit der Aufschrift „Austria Escort" tragen und (wo auch immer) als Helden gefeiert würden. Es kommen sodann Zahlen und Daten zu den Abschiebungen aus Österreich sowie der Zusammenarbeit mit FRONTEX.

Ein Herr Thomas O. – Mitarbeiter im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) - gibt dem „Journalisten Leprich zu verstehen: „Generell muss man sagen, dass in Österreich niemand ungerechtfertigt abgeschoben wird und „In der Presse werden oft Einzelfälle präsentiert und mit diesen eine negative Stimmung erzeugt

Der Leiter der Kommunikationsabteilung im BMI, Herr Alexander Marakovits, rundet das Geschehnis mit dem Kommentar ab „Um ehrlich zu sein, verstehe ich die Kritik nicht. Wir machen viele Reportagen, das ist nichts Außergewöhnliches.

Darüber hinaus handle es sich bei einer „Reportage (gemeint Marke BMI) lediglich um „eine Darstellungsform“. Man würde, so wie bei Zeitungsartikel, alle zu Wort kommen lassen und auch korrekt zitieren. Leprich hätte das als Autor mehrerer Romane auch „sehr gut aufbereitet“, schließlich könne „ja nicht jeder eine Reportage schreiben und wäre Leprich auch Teil der internen „Online-Redaktion“, die aus vier Mitarbeitern bestünde. Neben der normalen Tätigkeit für das BMI werden diese vom BMI auch mit dem Verfassen solcher Texte beauftragt.

Herr Marakovits erschließt dem staunenden Leser auch, warum man Abschiebungen bis dato noch nie von Außenstehenden begleiten habe lassen damit, dass „man die Betroffenen schützen wolle. Bewusst habe man sich daher dazu entschieden, diesen Prozess aber für einen der Mitarbeiter des BMI zu eröffnen, welcher als ehemaliger Polizist auch weiß, wie man sich in einer solchen Situation verhalte.

Auf die Frage, ob es denkbar wäre, in einem weiteren Schritt die Abschiebungen auch für freie Journalisten zugänglich zu machen, antwortete Herr Marakovits mit „Wir werden sehen, wie wir weitermachen.

Der Post vom Bundesminister Kickl löste verständlicherweise in zahlreichen Sozialen Netzwerken Diskussionen rund um die Fragen aus, wer eigentlich „Journalist“ sei und wer „PR- Mitarbeiter“, also „Wo zieht man die Grenze zwischen Journalismus und Medienstrategie einer Partei?“

Zweifellos wären die gegenständlichen Vorkommnisse dann weniger problematisch, wenn man den Text nicht auf der Website des Innenministeriums finden und den Autor nicht als „Journalisten“, sondern tatsachengemäß als Pressemitarbeiter des BMI bezeichnen würde. Als Pressemitarbeiter ist man ein weisungsgebundener Mitarbeiter (hier der Kommunikationsabteilung) des BMI und damit ein Pressemitarbeiter mit einem klaren Auftrag: den Arbeitgeber ins gute (oder eben rechte) Licht zu rücken.

Wenn man nun zeitgleich auch noch – wie geschehen - jede Presseanfrage von unabhängigen Journalisten zwecks Begleitung der Abschiebungen ablehnt, so erscheint diese Vorgangsweise tatsächlich mehr als nur unverständlich (siehe auch Twitter-Account von Vice- Redakteur Christoph Schattleitner). Unter dem Deckmantel des objektiven Journalismus wird in Wirklichkeit Meinungsmache im Sinne der Bundesregierung Kurz betrieben.

In diesem Sinne muss man unter „Pressefreiheit“ der Marke Kurz, Strache, Kickl & Co

       die konstante Behauptung der Existenz von „fake news“,

       die Beschäftigung eigener weisungsunterworfener „Journalisten“ und

       den Ausschluss von unabhängigen Medien, die schon beinahe als politische Gegner definiert werden

verstehen.

Die Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Inneres nachstehende

Anfrage:

1.    Wie viele Personen arbeiten für die Öffentlichkeitsarbeit des Innenministeriums?

2.    Wie viele Personen arbeiten für die „Online-Redaktion“ des Innenministeriums?

3.     Wie ist das Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Innenministerium und Reinhard Leprich?

4.     Wie viele Personen unterhalten ein vergleichbares Beschäftigungsverhältnis mit dem BMI wie Herr Leprich?

5.    Wie viele Personen sind in ganz Österreich im weitesten Sinn für die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei tätig?

6.     Wie hoch war der finanzielle Aufwand für die Begleitung?

7.     Gab es seit Amtsantritt von BM Kickl ähnliche Begleit-Reportagen?

8.    Hat der betroffene Abgeschobene seine Zustimmung gegeben?

9.    Woher kommt der Name „Austria Escort“? Wer hat sich den Namen einfallen lassen? Wie viele Personen arbeiten für „Austria Escort“? Wie hoch ist das Budget von „Austria Escort“?

10.     Was war der Mehrwert für die Öffentlichkeit dieser entsprechenden Reportage?