693/J XXVI. GP

Eingelangt am 17.04.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Mario Lindner, Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen, an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung

betreffend Arbeit gegen Diskriminierung, Homo- & Transphobie in Schulen.

Die Frage der Gewaltprävention in Schule und Ausbildung ist eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen die österreichische Bildungspolitik steht. Zahlreiche Jugendliche sind gerade in diesem Umfeld immer noch von Mobbing und Diskriminierung betroffen, was durch Phänomene wie Cybermobbing und –bullying noch zusätzlich verstärkt wird. Eine der Gruppen, die unter diesen Entwicklungen besonders zu leiden hat, ist jene der schwulen, lesbischen, bisexuellen, transidenten und intergeschlechtlichen Jugendlichen (LGBTI- Jugendliche).

Die „European Commission against Racism and Intolerance“ (ECRI) hielt in ihrem Prüfbericht zur Menschenrechtssituation in Österreich 2015 daher fest:

„Der Coming-Out-Prozess ist eine besonders sensible Phase bei jungen        LGBT-Personen. Viele von ihnen werden Opfer von Mobbing; und Homosexuelle sind einem höheren Suizidrisiko ausgesetzt als Heterosexuelle. (...) Die Forschung zeigt, dass LGBT-Themen nicht systematisch oder standardmäßig in der Schule behandelt werden, obwohl sexuelle Aufklärung Teil des Lehrplans ist. (...) Die Lehrkräfte sind nicht ausreichend vorbereitet, um LGBT-Themen anzusprechen und behandeln sie nicht angemessen oder gar nicht.“[1] Und: „Junge LGBT-Personen werden Opfer von Mobbing und erhalten während ihres Coming-Out nicht ausreichend Unterstützung. Auf Bundesebene gibt es keine ganzheitliche Herangehensweise an LGBT- Angelegenheiten. "[2]

Das unabhängige Expertlnnen-Gremium im Rahmen des Europarates empfahl Österreich in diesem Bericht dringend, dem Kampf gegen Mobbing und Diskriminierung von LGBTI-Jugendlichen insbesondere im Bildungssystem einen hohen Stellenwert einzuräumen. Um das zu gewährleisten braucht es auch unabhängige Forschung zu der Lebensrealität dieser Gruppe, um der Politik noch konkretere Handlungsmöglichkeiten in die Hand zu geben. In Deutschland wurde genau auf dieses Problem reagiert, indem das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Studie Coming-out - und dann …?!" (2015) und die Antidiskriminierungssteile des Bundes die Erhebung „LSGBTIQ*-Lehrkräfte in Deutschland" (2017) in Auftrag gab. In Österreich fehlen derart wichtige Studien bis heute - die Situation von LGBTI-Jugendlichen wird in den wenigen vorhandenen Studien höchstens als eines von vielen Themen abgefragt.

 

Mit dem vom Bundesminister 2018 neu aufgelegten Leitfaden „Mobbing an Schulen“ erkennen auch die neue Bundesregierung und der zuständige Bundesminister dieses Problem an. Während sich im Regierungsübereinkommen nichts zu diesem Themenfeld fand, heißt es im neuen Leitfaden wörtlich:

„Minderheiten werden diskriminiert, vor allem lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, transsexuelle sowie intersexuelle (LGBTI) Jugendliche an den Schulen bekommen das zu spüren."[3]

In einem der Fallbeispiele des Leitfadens wird darüberhinaus auf einen Fall von      homo-/transphobem Mobbing eingegangen. Dort wird außerdem zu Recht      festgestellt:

 

„Lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche und queere Jugendliche werden insgesamt häufiger Opfer von Mobbing und Gewalt als ihre heterosexuellen und cis* geschlechtliche Peers5, wie mehrere Studien belegen. LGBTlQ*-Jugendliche, die Opfer von Mobbing werden, laufen Gefahr ein negatives Selbstbild zu entwickeln und homo- oder transphobe Abwertungen zu verinnerlichen (...) Verinnerlichte Homo- und Transphobie steigert das Risikoverhalten der Betroffenen und stellt somit ein ernstzunehmendes Gesundheitsproblem dar. Ein weiteres spezifisches Charakteristikum an homo- und transphobem Mobbing ist es, dass es für die Opfer schwieriger sein kann, sich Unterstützung zu holen. Während Personen, die aufgrund ihrer Herkunft oder ihrer Religion Mobbing erfahren, leichter Unterstützung und positive Vorbilder in der Familie vorfinden, sind LGBTIQ*- Jugendliche oft auf sich alleine gestellt. "[4]

Die hier aufgezeigten Problemstellungen wurden auch in den offiziellen Empfehlungen der „European Commission against Racism and Intolerance“ (ECRI) an die österreichische Bundesregierung 2015 aufgegriffen:

ECRI empfiehlt den Bundes- und Landesbehörden sicherzustellen, dass alle LGBT-Jugendlichen die notwendigen Informationen, Hilfestellungen und den erforderlichen Schutz erhalten, um in Einklang mit ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität leben zu können. Sie empfiehlt ihnen außerdem, insbesondere an den Schulen Maßnahmen umzusetzen, die das gegenseitige Verständnis und die gegenseitige Achtung aller Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität fördern. "[5]

Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass die aktuelle Bundesregierung die besondere Problematik von homo- und transphobem Mobbing in Schulen anerkennt. Es stellt sich aber die Frage, ob es sich dabei nur um Lippenbekenntnisse handelt oder auch dringend notwendige Schritte des Bundes gesetzt werden.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen an den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung daher die

Anfrage:

1.    Sind außer der Veröffentlichung des Leitfadens „Mobbing an Schulen“ weitere Aktivitäten des BMBWF (i.B. die nachfolgenden) in Hinblick auf einen Anti- Mobbing-Schwerpunkt geplant?

a.    Sind Öffentlichkeitsmaßnahmen oder Kampagnen geplant? Wenn ja, wann und welches Budget wird zur Verfügung gestellt? Wenn nein, warum nicht?

b.    Wird es eigene Schwerpunktsetzungen im Zuge der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern geben? Wenn ja, welche und von welcher Stelle werden sie koordiniert? Wenn nein, warum nicht?

c.    Wird es eigene Schwerpunktsetzungen im Zuge der Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern geben? Wenn ja, welche und von welcher Stelle werden sie koordiniert? Wenn nein, warum nicht?

d.    Welche Rolle soll die Schulsozialarbeit in einem solchen Schwerpunkt spielen? Sollen der Schulsozialarbeit dafür zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden? Wenn nein, warum nicht?

2.    Mit welchen Vereinen, NGOs oder Organisationen plant das BMBWF im Kampf gegen Mobbing künftig Zusammenarbeit?

3.    Sollen in Zukunft verstärkt Vereine, NGOs und Organisationen in der Anti­Mobbing Arbeit in Schulen zum Einsatz kommen?

a.    An welche Vereine, NGOs und Organisationen, die in der Anti-     Mobbing-Arbeit an Schulen aktiv sind, gab es in den letzten drei Jahren Subventionen oder Unterstützungen und wie hoch waren diese (aufgeschlüsselt nach Jahren)?

b.    Plant das BMBWF in den Jahren 2018 und 2019 derartige Vereine zu unterstützen? Wenn ja, welche und in welcher Höhe? Wenn nein, warum nicht?

4.    Plant das BMBWF eine Stärkung von Peer-to-Peer Maßnahmen in der Prävention von Mobbing? Wenn ja, welche Ressourcen sollen dazu zur Verfügung gestellt werden? Wenn nein, warum nicht?

5.    Wie will das BMBWF konkret auf Mobbing gegen LGBTI-Jugendliche reagieren? Ist eine eigene Schwerpunktsetzung zu diesem Thema geplant? Wenn ja, welche Ressourcen werden zu Verfügung gestellt und von welcher Stelle sollen diese Anstrengungen koordiniert werden? Wenn nein, warum    nicht?

6.    Welche konkreten Schlüsse zieht das BMBWF aus dem ECRI Bericht 2015 (insbesondere Empfehlung Nr. 20)?

a.    Wie sollen „notwendigen Informationen, Hilfestellungen und den erforderlichen Schutz“ für LGBTI-Jugendliche an Schulen sichergestellt werden?

b.    Welche Maßnahmen sollen „insbesondere an den Schulen (gesetzt werden ...), die das gegenseitige Verständnis und die gegenseitige Achtung aller Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität fördern“?

7.    Sind dem BMBWF deutsche Studien zur Lebensrealität von LGBTI- Jugendlichen bekannt? Wenn ja, welche Schlüsse lassen sich darauf für die österreichische Situation ableiten?

8.    Bekennt sich das BMBWF dazu, selbst durch konkrete wissenschaftliche Forschung die Lebensrealität von LGBTI-Jugendlichen besser zu erforschen, um der Politik bessere Handlungsmöglichkeiten zu geben?

 

a.    Wenn ja: Welche Studien sollen wann in Auftrag gegeben werden? Welche Ressourcen und Gelder sollen dazu zur Verfügung gestellt werden?

b.    Wenn nein, warum nicht?

9.    Plant das BMBWF Kooperationen mit anderen Bundesministerinnen bzw. den Ländern und den Schulpartnerlnnen, um besser gegen i.B. homo- und transphobes Mobbing vorgehen zu können?

a.    Wenn ja, welche Kooperationen sind in welchem Zeitraum geplant?

b.    Wenn nein, warum nicht?

10.  Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, um die Sichtbarkeit von LGBTIs in Schulen und Ausbildung zu erhöhen und so mehr Bewusstsein und Sensibilität zu schaffen?

a.    Bekennt sich das BMBWF zur verpflichtenden Verankerung des Themas „sexuelle Vielfalt“ in der Lehrerlnnen-Ausbildung?

b.    Bekennt sich das BMBWF zur verstärkten Behandlung des Themas „sexuelle Vielfalt“ im Bereich des Aufklärungsunterrichts? Wenn ja, wie soll dies sichergestellt werden? Wenn nein, warum nicht?

c.    Bekennt sich das BMBWF zur verstärkten Sichtbarkeit sexueller Vielfalt in Unterrichtsmaterialien (zum Beispiel durch die Abbildung von Regenbogenfamilien in Schulbüchern)? Wenn nein, warum nicht?



[1] ECRI-Bericht über Österreich (fünfte Prüfungsrunde), 2015; Seite 39

[2] ECRI-Bericht über Österreich (fünfte Prüfungsrunde), 2015; Seite 10

[3] Mobbing an Schulen, Ein Leitfaden für die Schulgemeinschaft im Umgang mit Mobbing, Seite 7

[4]Mobbing an Schulen, Ein Leitfaden für die Schulgemeinschaft im Umgang mit Mobbing, Seite 37

[5] ECRI-Bericht über Österreich (fünfte Prüfungsrunde), 2015; Empfehlung Nr. 20