712/J XXVI. GP

Eingelangt am 19.04.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Mario Lindner, Kolleginnen und Kollegen,

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend der Situation von LGBTIQ Flüchtlingen in Österreich.

Gerade in den letzten Wochen und Monaten erregten Berichte über die Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transidenten und intergeschlechtlichen (LGBTI) Flüchtlingen große Aufregung. Der Kurier fasste dieses als eines von vielen Problemen für besonders vulnerable Flüchtlingsgruppen am 14. April unter dem Titel „Asylbescheide: ,Würfeln wäre richtiger’“ wie folgt zusammen:

„Wenn man würfeln würde, wären die Entscheidungen richtiger“, kommentiert Asylexperte Christoph Riedl von der Diakonie. Er vermutet mitunter politischen Druck, auch gebe es einzelne Referenten, die für negative Entscheidungen bekannt seien. „Wenn wir wissen, dass eine gewisse Referentin den Fall bearbeitet, bereiten wir unsere Klienten darauf vor, dass ihr Antrag negativ wird“, sagt auch Marty Huber, Gründerin der Beratungsplattform ,queer base’.“[1]

Wie aus der Beantwortung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz (3186/AB) vom 6. April 2018 hervorgeht wurden im Jahr 2017 rund 42 Prozent der administrativbehördlichen Entscheidungen vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zweitinstanzlich aufgehoben oder geändert. Gerade vor diesem Hintergrund sind wiederkehrende Berichte über massive Fehleinschätzungen im behördlichen Umgang mit geflüchteten Gruppen mehr als besorgniserregend.

So berichtete der Kurier im erwähnten Artikel von Fällen, in denen den Aussagen geflüchteter Personen nicht ausreichend nachgegangen wurde und entsprechende Ermittlungen unterblieben. Die LGBTI-Plattform GGG.at berichtete erst vor zwei Wochen von „negative(n) Entscheidungen gegen aus Tschetschenien geflohene Schwule“. Die Plattform bezieht sich dabei auf Berichte von HelferInnen der LGBTI- Flüchtlingsinitiative QueerBase und berichtet von erschreckenden Begründungen des BFA für diese Abschiebungen in ein Land, das gerade in den letzten Jahren für seine Verfolgung schwuler Männer kritisiert wurde: „Sie könnten in Moskau leben, weil es dort eine LGBT-Szene gebe.“[2] Der Kurier berichtet darüber hinaus von grob homophoben Äußerungen im Zuge der Interviews mit Geflüchteten:

„LA: Welche Rolle haben Sie normalerweise.

VP: Ich bin der Aktive, immer.

LA: Rein statistisch müssen unter den Homosexuellen 50% die passive Rolle haben. Bei den Arabern(,) die mir unterkamen, stimmt die Quote nicht. Wie würden Sie das erklären?"[3] Und weiter: Auch andere Passagen in Einvernahme-Protokollen sind zumindest unsensibel: Etwa, wenn einem Asylwerber beschieden wird, die Schilderung seiner Vergewaltigung lasse „sämtliche Details vermissen“ oder wenn ein homosexueller Flüchtling gefragt wird, ob er „der weibliche oder männliche Part beim Geschlechtsverkehr“ sei – und, nach der Antwort, nachgefragt wird, ob es wehtue. “

Vor dem Hintergrund dieser Berichte und in Ermangelung einer umfassenden und aktuellen Aufarbeitung der Situation von LGBTI-Flüchtlingen in Österreich stellt sich die Frage, wie die Situation dieser besonders gefährdeten Gruppe sich in unserem Land darstellt und wie die Behörden darauf vorbereitet sind.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher die folgende

Anfrage:

1.    Wie viele Bescheide wurden auf Grund der Angehörigkeit zur sozialen Gruppe der LGBTI Geflüchteten in den Jahren 2015 bis 2017 vom BVwG bearbeitet? (aufgeschlüsselt nach Jahr)

a.    Welche Nationalität hatten die AntragstellerInnen? (jeweils Anzahl und Prozent der Gesamtzahl)

b.    Wie viele der erstinstanzlich (administrativbehördlich) negativ entschiedenen Verfahren wurden vom BVwG aufgehoben oder abgeändert? (jeweils aufgeschlüsselt nach Jahr und Nationalität)

c.    Wie viele dieser Verfahren sind momentan noch beim BVwG anhängig?

2.   Gibt es im BVwG Fortbildungen zu Befragungsmethoden und -techniken insbesondere in Hinblick auf vulnerable Gruppen wie Menschen mit psychischen Erkrankungen, PTSD, Vergewaltigungsopfer?

a.    Wenn ja, welche genau? Mit welchen ExpertInnen, Einrichtungen etc. wird dafür kooperiert?

b.    Wenn nein, warum nicht?

3.   Gibt es im BVwG Fortbildungen in Bezug auf Befragungen rund um die Thematik sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität?

a.    Wenn ja, welche genau? Mit welchen ExpertInnen, Einrichtungen etc. wird dafür kooperiert?

b.    Wenn nein, warum nicht?

4.   Gibt es spezialisierte BVwG ExpertInnen für den Umgang mit Flüchtlingen, die ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität als Fluchtgrund angeben?

a.    Wenn ja, wie viele? Wie werden diese ausgebildet und ausgewählt?

b.    Wenn nein, warum nicht?

5.    Welche Einschulungen sind in der Ausbildungsphase für BVwG- MitarbeiterInnen notwendig? Welche besonderen Themengebiete (z.B. in Hinblick auf LGBTI-Flüchtlinge) werden behandelt?


 

a.    Gibt es Regeln oder Anleitungen dafür, wie BVwG-Mitarbeiterlnnen besonders im Fall von LGBTI-Flüchtlingen die Richtigkeit der Fluchtgründe abfragen bzw. prüfen sollen? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?

6.    Wie viele Beschwerden gab es im BVwG zwischen 2013 und 2017 über mangelhafte oder prätentiöse Übersetzungen durch DolmetscherInnen bei der Arbeit mit LGBTI-Geflüchteten?

7.    Gibt es Fortbildungen von zum Thema LGBTI herangezogenen DolmetscherInnen?



[1]  https://kurier.at/chronik/oesterreich/asylbescheide-wuerfeln-waere-richtiger/400021009

[2] http://www.ggg.at/2018/04/06/oesterreich-kein-asyl-fuer-schwule-fluechtlinge-aus-tschetschenien/

[3] https://kurier.at/chronik/oesterreich/asylbescheide-wuerfeln-waere-richtiger/400021009