739/J XXVI. GP

Eingelangt am 20.04.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sabine Schatz, Kolleginnen und Kollegen,

an die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

betreffend die vorläufige Anwendung von CETA

Begründung

CETA („Comprehensive Economic and Trade Agreement") ist ein Handelsabkommen zur Schaffung einer Handelszone zwischen der Europäischen Union und Kanada. Es umfasst neben der Reduktion von Zöllen, Maßnahmen zum sog. „Investitionsschutz'' und die Liberalisierung von Dienstleistungen, öffentlicher Auftragsvergabe und geistigen Eigentumsrechte.

Optimistischen Berechnungen[1] zufolge sollen die Einkommen von Lohnabhängigen durch CETA um 0,06% auf EU-Ebene und um bis zu 0,13% in Österreich steigen. Das BIP der gesamten EU soll durch CETA um 0,03% bis zu 0,08% steigen und das österreichische BIP zu 0,22% in Österreich (jeweils nach einem Anpassungszeitraum von 6 bis 10 Jahren). Die EU-Kommission erwartet zudem eine Steigerung der EU-Exporte nach Kanada um 17% (Joint Study) sowie ein Anwachsen österreichischer Exporte nach Kanada um 50% (Francois/Pindyuk).

Eine kritische Studie der ÖFSE[2] geht von geringen Effekten aus:

-Ein Wachstum des BIP um 0,023% in der gesamten EU und 0,062% in Kanada, wobei die Handelsexpterlnnen der ÖFSE betonen, dass diese Zuwächse als langfristiger Niveaueffekt zu verstehen zu sind und die Erhöhung einmalig während des Umsetzungszeitraums von CETA von rund 10-20 Jahren zu erwarten sei.

- Die Beschäftigung steigt in der gesamten EU leicht um +0,018%. Die Reallöhne sinken für Arbeitnehmerlnnen mit geringer Qualifikation um -0,011%, bzw. steigen um +0,014% für Arbeitnehmerlnnen mit höherer Qualifikation.

 


-Bei den österreichischen Reallöhnen ergibt sich eine leicht negative Veränderung bei Beschäftigten mit niedrigerem Ausbildungsstand (-0,0023%); Reallöhne von besser ausgebildeten Beschäftigen steigen minimal (0,009%).

Weitere negative Effekte auf die Entwicklung des BIPs, den Arbeitsmarkt und die Lohnentwicklung schließt die Studie methodisch nicht aus.

Noch vor der Ratifizierung durch die nationalen Parlamente traten im Rahmen der vorläufigen Anwendung weite Teile des CETA-Abkommens am 21. September 2017 in Kraft Inwiefern diese vorläufige Anwendung zu positiven Effekten auf die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs geführt hat, ist bisher nicht diskutiert worden.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Anfrage:

1.       Wie ist der Stand der Ratifizierung von CETA?

2.       Wann wird Bundesregierung dem Nationalrat voraussichtlich CETA zur Genehmigung vorlegen?

3.       Welche Entscheidungen, Umsetzungsakte, Verfahrensregeln, Geschäftsbedingungen, Arbeitsprogramme, späteren Festlegungen in den Bereichen der Anhänge, bindenden Auslegungen etc. wurden seit der vorläufigen Anwendung von CETA bereits getroffen/festgelegt und durch wen konkret, bzw. welche Entwürfe hierfür liegen vor? Bitte um detaillierte Auflistung.

4.       Welche Entscheidungen, Umsetzungsakte, Verfahrensregeln, Geschäftsbedingungen, Arbeitsprogramme, späteren Festlegungen in den Bereichen der Anhänge, bindenden Auslegungen etc. müssen nach Kenntnis der Bundesregierung bis zur Ratifizierung noch getroffen werden, und wie sieht der Zeitplan dafür aus?

5.       Welche Gesetze und Verordnungen wurden auf Bundesebene mit Inkrafttreten der vorläufigen Anwendung von CETA angepasst bzw. müssen noch angepasst werden? Bitte um detaillierte Auflistung.

6.       Gab es seit der vorläufigen Anwendung zwischen den Vertragsparteien Uneinigkeit über die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der EU und den Mitgliedstaaten, über den Schutz geografischer Angaben, wegen des Vorsorgeprinzips, wegen der Nichtkommerzialisierung von Wasser, über die Einfuhr hormonbehandelten Fleischs, empfindlicher oder genetisch veränderter Erzeugnisse, wegen Öffentlicher Vergaben oder wegen öffentlicher Dienstleistungen?

7.       Wie viele Aufträge der öffentlichen Hand in Kanada wurden seit Inkrafttreten der vorläufigen Anwendung von CETA an europäische Unternehmen vergeben, und wie viele Aufträge der öffentlichen Hand in einem EU-Mitgliedstaat wurden seitdem an

kanadische Unternehmen vergeben? Bitte um detaillierte Auflistung.

8.       Wie viele europäische Arbeitnehmerlnnen konnten Regelungen in CETA nutzen - wie etwa die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen um in Kanada zu

arbeiten, und wie viele kanadische Arbeitnehmerlnnen konnten umgekehrt diese Regelungen nutzen, um in der EU zu arbeiten?

9.       Wie viele kleine Unternehmen in Europa konnten seit Inkrafttreten der vorläufigen Anwendung von CETA profitieren, und wie viele kleine Unternehmen in Kanada konnten umgekehrt beim Handel mit der EU profitieren?

10.   Wie hat sich der verbesserte Marktzugang für Produkte konkret in Exportzahlen niedergeschlagen? Bei welchen kanadischen Produkten und welchen Produkten aus

den EU-Mitgliedstaaten haben sich die Import- bzw. Exportzahlen am meisten erhöht?

11.   Wie viele genetisch veränderte Erzeugnisse wurden seit Inkrafttreten der vorläufigen Anwendung von CETA in der EU zugelassen?

 

 



[1] Vergleiche unter anderem: Berden, K./Francois, J./Thelle, M./Wymenga, P./Tamminen, S. (2009): Non-tariff measures in EU-US trade and investment - An economic analysis. In: ECORYS, Study for the European Commission, Directorate-General for Trade. Online verfügbar unter:

http://Strade.ec.europa.eu/doclib/docs/2009/december/tradoc_145613.pdf, abgerufen am 30. März 2018; European Commission (2016): CETA - Summary of the final negotiating results. Online verfügbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/december/tradoc_152982.pdf, abgerufen am 30. März 2018; European Commission and Government of Canada (2008): Assessing the Costs and Benefits of a Closer EU- Canada Economic Partnership. Online verfügbar unter: http://trade.ec.europa.eu/doclib/html/141032.htm, abgerufen am 30. März 2018; Francois, J./Pindyuk, O (2013): Modeling the Effects of Free Trade Agreements between the EU and Canada, USA and Moldova/Georgia/Armenia on the Austrian Economy: Model Simulations for Trade Policy Analysis, FIW Research Report 2012/13 N° 03, Vienna. Online verfügbar unter: http://www.fiw.ac.at/fileadmin/Documents/Publikationen/Studien_2012_13/03ResearchReport- FrancoisPindyuk.pdfabgerufen am 30. März 2018; Joint Study by the European Commission and the Government of Canada: Assessing the costs and benefits of a closer EU - Canada economic partnership,

Brussels 2008. Online verfügbar unter http://trade.ec.europa.eu/doclib/html/141032.htm, abgerufen am 30. März 2018.

[2] http://www.akeuropa.eu/_includes/mods/akeu/docs/main_report_de_418.pdf, abgerufen am 30. März 2018