770/J XXVI. GP
Eingelangt am 08.05.2018
Dieser Text ist elektronisch
textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen
an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz
betreffend Land der Berge und Funktionäre: Funktionärsgremien in der Sozialversicherung
Östrreichische Funktionärslogik: Quantität statt Qualität
Vor kurzem ließ der Vize-Kanzler mit seiner Feststellung aufhorchen, dass in der österreichischen Sozialversicherung 1000 Funktionäre (großteils aus den Kammern) verschiedenste Gremien besetzten. Die hohe Zahl wurde von Sozialpartnern nicht bestritten. Stattdessen folgte die übliche Theatralik ohne Eingeständnis, dass die österreichische Selbstvewaltung undemokratisch und stark reformbedürtig ist.
Deutsche Sozialversicherung: Schlankes 2-Ebenen-Führungssystem (Auf- sichtsrat, Vorstand), statt tausende Kammer-Funktionäre
Die Zahl der Funktionäre in den diversen Kassen erscheint insofern hoch, als beispielsweise die größte deutsche Krankenkasse (Techniker Krankenkasse „TK“, 10 Mio. Versicherte) mit einem schlanken 2-Ebenen-Führungssystem gelenkt wird und dabei mit gerade mal 30 Verwaltungsräten und 3 Vorständen auskommt. Es sei betont, dass die TK mit 10 Mio. Versicherten größer ist als alle österreichischen Krankenkassen zusammen. Und es sei betont, dass sogar die kleinste Gebietskrankenkasse (GKK Burgenland) mehr Funktionäre als die Techniker Krankenkasse hat.
Deutsche Selbstverwaltung: demokratische Versicherten-Selbstverwaltung statt undemokratischer Kammer-Selbstverwaltung
Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die 30 TK-Verwaltungsräte von den TK-Mitgliedern und den TK-Arbeitgebern direkt gewählt werden - "Sozialwahlen", Die Gremienbesetzung ist damit durch das gesamte TK-Versichertenspektrum (Arbeiter, Selbständige, Rentner, Arbeitgeber,...) direkt legitimiert. In Österreich sind die Gremien jedoch nicht direkt gewählt. Hier dürfen AK, ÖGB, WK, etc. die Gremien besetzen, warum auch immer. Dass die Kammern mit Gesundheitspolitik nichts zu tun haben, spielt dabei keine Rolle.
https://www.tk.de/techniker/unternehmensseiten/unternehmen/verwaltunqsrat-der-
tk/enderqebnis-stimmauszaehlunq-2021688
Das Wesen der Selbstverwaltung wird durch das AK/ÖGB/WK-Besetzungsmonopol sehr eingeschränkt. Vor allem weil es beispielsweise auf der Homepage der Wiener GKK folgendermaßen heißt: "Selbstverwaltung bedeutet, dass der Staat Aufgaben der öffentlichen Hand Personengruppen überlässt, die davon unmittelbar betroffen sind." Die Definition spricht für ein breites Personenspektrum - Schüler, Studierende, Arbeitslose,... bis hin zu Greisen. Speziell Pensionisten sind vom Gesundheitssystem im Besonderen betroffen. AK/ÖGB/WK umfassen diese Personengruppen aber naturgemäß nicht. Auch sind die Kammern vom Gesundheitswesen nicht "unmittelbar betroffen". Die Kammern decken im besten Fall 50% der österreichischen Bevölkerung ab. Und wenn man sich die Wahlbeteiligung der letzten Kammerwahlen vor
Auge führt (deutlich unter 50%), dann ist eine demokratische Legitimierung für die SV-Gremien nicht gegeben.
Österreich: Unzählige, undemokratische, teils unnötige Gremien (Beirat, Generalversammlung, Vorstand, Kontrollausschuss, Direktion)
Ein misslungener Versuch, mehr Bevölkerungsgruppen abzudecken, war die Schaffung des "Beirates", wo etwa Pensionisten-Vertreter sitzen. Bis auf die üblichen Parteigänger ist aber auch hier keine breite Bevölkerungsvertretung gewährleistet, noch dazu hat der Beirat kein Stimmrecht und ist somit mehr oder weniger zum Zuschauen degradiert.
Man bekommt im Großen und Ganzen den Eindruck, dass es in der österreichischen "Selbstverwaltung" in erster Linie um die Posten und Pöstelchen geht, aber nicht um die Versicherten.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Welche Funktionärsgremien gibt es in den einzelnen SV-Trägern?
2. Aus wie vielen Funktionären setzen sich die einzelnen Gremien zusammen?
3. Welche Institutionen (Kammern) haben diese Funktionäre entsendet?
4. Welche Gremien haben Entscheidungsrechte, welche sind nur beratend?
5. Welche Funktionäre haben (Mit-)Entscheidungsrechte, welche sind nur beratend?
6. Nach § 421 ASVG müssen die Funktionäre die fachliche Eignung vorweisen können. Wie überprüft das BMASGK die faliche Eignung?
7. Welche fachliche Eignung gemäß § 421 ASVG müssen die Funktionäre vorweisen?
a. Für die Tätigkeit im Verbandsvorstand
i. darüber hinaus für die Tätigkeit als Verbandsvorsitzender
ii. darüber hinaus für die Tätigkeit als stv. Verbandsvorsitzender
b. Für die Tätigkeit im Vorstand eines SV-Trägers
i. darüber hinaus für die Tätigkeit als Obmann eines SV-Trägeres
ii. darüber hinaus für die Tätigkeit als stv. Obmann eines SV-Trägers
c. Für die Tätigkeit in der Generalversammlung eines SV-Trägers
d. Für die Tätigkeit in der Kontrollversammlung eines SV-Trägers
i. darüber hinaus für die Tätigkeit als Vorsitzender der Kontrollversammlung
e. Für die Tätigkeit in einem Landesstellenausschuss
i. darüber hinaus für die Tätigkeit als Vorsitzender des Landessteilenausschusses
f. Für die Tätigkeit im regionalen Leistungsausschuss
i. darüber hinaus für die Tätigkeit als Vorsitzender des regionalen Leistungsausschusses
8. Welche Funktionsgebühren in welcher Höhe erhalten die Funktionäre für ihre Gremientätigkeit von den SV-Trägern? (pro Jahr, pro Träger, pro Gremium, 2007- 2017)
9. Welche Sitzungsgelder in welcher Höhe erhalten die Funktionäre für ihre Gremientätigkeit von den SV-Trägern? (pro Jahr, pro Träger, pro Gremium, 2007-2017)
10. Welche Auslagenersätze in welcher Höhe erhalten die Funktionäre für ihre Gremientätigkeit von den SV-Trägern? (pro Jahr, pro Träger, pro Gremium, 2007- 2017)
11. Verrechnen die Funktionäre für ihre Gremientätigkeit mit den beschickenden Institutionen/Kammern Arbeitsstunden oder bekommen sie Zahlungen dafür?
12. Wenn ja, bitte quantifizieren sie die Arbeitsstunden und Zahlungen (pro Jahr, pro Institution/Kammer 2007-2017)
13. Wird im Zuge der Sozialversicherungsreform die undemokratische Kammern- Selbstverwaltung durch eine demokratische Versicherten-Selbstverwaltung abgelöst (Sozialwahlen)?
14. Wie werden Sie die Logik der "Selbstverwaltung" in der vorgesehenen ÖKK umsetzen?
a. Die ÖKK stellt eine zusätzliche Verwaltungsebe zwischen GKKn und Hauptverband dar, wie soll dadurch die Verwaltung schlanker werden?
b. Welche Gremien der GKKn reduzieren sich in Mitgliedergröße und/oder Funktionärsgebühren durch die Einführung einer ÖKK?