776/J XXVI. GP

Eingelangt am 08.05.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen,

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz,

betreffend die Stellungnahmen zu Entwürfen von Bundesgesetzen durch andere Bundesministerien.

Die nunmehrige Praxis des öffentlichen Austausches zu Ministerialentwürfen zwi­schen den einzelnen Bundesministerien hat zwar durchaus erheiternde Aspekte, wirft jedoch auch viele Fragen zur Effizienz und zur Kooperation der Vollziehung im Be­reich der Legistik auf. - Auch in der vergangenen GP gab es Äußerungen von ande­ren Bundesministerien zu neuen Gesetzesentwürfen, jedoch wesentlich weniger und in der Regel kürzere. Vor allem aber war der Ton ein anderer. Es wurden „Ersuchen“ abgegeben und „Anregungen“ gegeben.

In der XXVI. GP ist ein neuer Ton zu beobachten.

Es werden oft materielle Gegenpositionen zu den Entwürfen eingenommen:

„Aus budgetärer Sicht kann daher keine Zustimmung erfolgen.“ (12/SN-11/ME XXVI. GP), BMF an BKA;

„Diesbezüglich ist anzumerken, dass gemäß Art. 9 Abs. 1 DSGVO die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politi­sche Meinungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen ….. einer natürli­chen Person grundsätzlich untersagt ist und eine Verarbeitung solcher Daten nur unter den in Art. 9 Abs. 2 und 3 DSGVO genannten Voraussetzungen zulässig ist.“ (8/SN-33/ME XXVI. GP), BMfVRDJ an BMfÖDS.

Es wird berichtigt:

„Bei der im Entwurf zitierten letzten Änderung durch BGBl. I Nr. 4/2018 handelt es sich um eine Kundmachung eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes und nicht um ein Bundesgesetz (vgl. dazu auch LRL 124).“ (15/SN-24/ME XXVI. GP), BMfVRDJ an BMF;

„ ...'pseudonymisiert' anstelle von (bisher) 'anonymisiert' ist unzutreffend“, oder „In Bezug auf den Verweis auf § 48 DSG ... ist anzumerken, dass sich diese Bestim­mung ... bezieht und insofern für den gegebenen Kontext sachlich nicht zutreffend dürfte.“ (11/SN-28/ME XXVI. GP), BMfVRDJ an BMfVIT;

„In der Z 1 wird '§ 59 Abs. 1` angeführt, gemeint ist wohl 59 Abs. 2 Z 1`“, (7/SN- 29/ME XXVI. GP), BMfVRDJ an BMfBWF.

 

Dazwischen wiederholt Interessante Einwürfe:

 

„ ... wird darauf hingewiesen, dass die ARR 2014 Verordnungen des Bundesminis­ters für Finanzen sind und kein Gesetz“, (10/SN-14/ME XXVI. GP), BMF an BMfASGK;

„Der Begriff des 'Deliktmitgliedstaates' sollte näher dargelegt werden.“'(11/SN- 28/ME XXVI. GP), BMfVRDJ an BMfVIT.

Nicht zuletzt bemüht man sich sogar um die orthografische und sprachliche Wei­terbildung der KollegInnen in anderen Bundesministerien:

„Hier wäre der Genitiv zu verwenden. Statt „zur Kontrolle deren widmungsgemäßen Verwendung“ müsste es „zur Kontrolle deren widmungsgemäßer Verwendung“ hei­ßen.“, und zweimal: „Anlässlich der anstehenden Novellierung sollte die Möglichkeit genutzt werden, in der Wortfolge „folgende personenbezogenen Daten“ das „n“ am Wortende von „personenbezogenen“ zu entfernen, sodass die Wortfolge „folgende personenbezogene Daten“ lautet.“ (12/SN-11/ME XXVI. GP), BMF an BKA;

„Im vorgeschlagenen § 11 Abs. 2 Z 4 sollte es „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ lauten.“ (kommt noch zwei Mal; 5/SN-12/ME XXVI. GP), BMfVRDJ an BMfLV;

„Im zweiten Satz muss es „am Ende des betreffenden Semesters“ lauten“, und, „In Abs. 2d sollte nach der Wortfolge „nicht besitzt“ ein Komma gesetzt werden.“ (7/SN- 29/ME XXVI. GP), BMfVRDJ an BMfBWF.

„Der Präposition „betreffend“ hätte eine Akkusativ-Konstruktion zu folgen: „betreffend die bisherige Inanspruchnahme“, und „ ... im Gesetzestext statt „Familienbonus Plus“ kürzer - etwa als „Familienbonus“ - zu bezeichnen. Der Zusatz „Plus“ ist offenbar nicht zur eindeutigen Abgrenzung von einem anderen Absetzbetrag erforderlich. Zu­dem handelt es sich bei einer Wortkombination von „Bonus“ und „Plus“ wohl um ei­nen Pleonasmus.“ (15/SN-24/ME XXVI. GP), BMfVRDJ an BMF.

Dies sind nur einige Auszüge, die sich vervielfachen ließen.

Diese Beispiele veranschaulichen, dass es offenbar im Vorfeld der Erarbeitung von Gesetzesmaterien an Koordination fehlt, und dass auf Ebene der Sachbearbeiter teilweise eine Art von Konkurrenzdenken zu herrschen scheint.

Der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz ist gemäß BMG auch für „Allgemeine Angelegenheiten der Rechtsordnung, der Legistik und der Gesetzessprache einschließlich der Wahrung der Einheitlichkeit der die Rechtset­zung des Bundes vorbereitenden Tätigkeit der Bundesministerien“ zuständig, solan­ge diese nicht in die Zuständigkeit eines anderen Bundesministeriums fallen. Aus Gründen der Effizienz wird auf gleichlautende Anfragen an die anderen Ministerien verzichtet und der angesprochene Bundesminister iS seiner Koordinationsfunktion in Angelegenheiten der Legistik um Antworten ersucht.

Manchmal wird die Interpellationsfähigkeit von gesetzgeberischer Vorarbeit der Voll­ziehung bezweifelt[1], meistens aber als gegeben erachtet[2]. Darüber hinaus geht es

hier nicht um Regierungsvorlagen selbst, sondern nur um die Stellungnahmen von Vollzugsorganen dazu.

Es ergeht daher an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulie­rung und Justiz folgende

Anfrage:

1)    Gibt es in der Vorbereitungsphase von Regelungsmaterien keine Abstimmung zwischen den vom Gegenstand potentiell betroffenen Bundesministerien?

2)    Falls nicht: Ist eine Phase der Abstimmung zwischen den Bundesministerien zur Abstimmung von Gesetzesvorlagen als regelmäßiger Verfahrensschritt geplant?

3)    Könnte die Vollziehung in diesem Ablauf nicht effizienter werden, wenn im Mi­nisterrat beschlossene Vorlagen vor Übermittlung an den Nationalrat noch ei­ner raschen Abstimmung zwischen allen Ministerien zugeführt würden?

4)    Ist der Zeitdruck die wesentliche Ursache für die so häufig notwendigen Kor­rekturen?

5)    Werden die Entwürfe und Ministerialvorlagen von den Kabinetten der Minister erstellt oder von den mit der Materie und der Technik der Gesetzesformulie­rung vertrauten Abteilungen der Bundesministerien?

6)    Wäre es für die Außenwahrnehmung des rechtlichen und politischen Prozes­ses nicht besser, wenn die Anzahl der gegenseitigen Interventionen in der Öf­fentlichkeit abnähme und ein sachlicher Ton einkehrte?

7)    Was gedenkt der Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz im Bereich der Vollziehung und Koordination von legistischen Auf­gaben zu unternehmen, um hier eine effizientere und zum angekündigten „neuen Stil“ passendere Kommunikationskultur herzustellen?



[1]  Vgl. Morscher, Die parlamentarische Interpellation, Schriften zum Öffentlichen Recht, Band 208,

Duncker & Humblot, Berlin, 1973, S. 412 ff; Morscher schwankt, konzediert jedoch dass die parl. Pra­xis Anfragen hier zulässt.

[2] Nowakowski, in „Die Zukunft“, Heft 12, Mitte Juni 1967, S. 12 ff; Andreas Nödl, Parlamentarische Kontrolle, Das Interpellations-, Resolutions- und Untersuchungsrecht, aus: Studien zu Politik und Ver­waltung, Bd. 54, Böhlau Verlag, Wien, 1995, S. 108 ff.