783/J XXVI. GP

Eingelangt am 09.05.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sabine Schatz, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend „gesetzliche Überwachungs- und Interventionspflichten beim Ustaša-Treffen in Bleiburg/Pliberk"

Das alljährliche Treffen zum „Gedenken" an die faschistischen Ustaša-Einheiten, die an der Seite der Nationalsozialisten im zweiten Weltkrieg kämpften, ist jedes Jahr eines der größten Netzwerktreffen und politischen Versammlungen Rechtsextremer und Sympathisantlnnen.

Erinnert wird dort auch an den kroatischen NDH-Staat (Nezavisna Država Hrvatska), der das einzige Konzentrationslager in Europa, das nicht unter Führung der Nationalsozialisten stand, betrieb. 86.000 Opfer des Konzentrationslager Jasenovac sind namentlich bekannt.[1] Zu dem häufen sich beim Ustaša-Treffen jährlich Fälle von Verstößen gegen das NS-Verbotsgesetz. Faschistische Zeichen, SS-Symbole und Hitlergrüße werden offen zur Schau gestellt.

Aufgrund der Abhaltung auf einem privaten Grundstück sowie der Beteiligung der kroatischen Bischofskonferenz mit Zustimmung der Diözese Gurk-Klagenfurt hieß es von Seiten der Verantwortlichen stets, dass keine Handhabe gegen dieses Treffen bestehe.

Ein am 07.05.2018 veröffentlichtes Rechtsgutachten des namhaften Verfassungsrechtlers Em. Univ. Prof. Dr. Bernd-Christian Funk für das Mauthausen Komitee Österreich[2] bringt nunmehr Rechtssicherheit für die befassten Exekutivbediensteten und Behörden: Das Ustaša-Treffen in Bleiburg/Pliberk ist eine Versammlung nach dem Versammlungsgesetz, die österreichischen Behörden sind daher ex lege verpflichtet, von Amts wegen tätig zu werden.

Da die Rechtssicherheit in der Frage der rechtlichen Einstufung nun gegeben ist, stellt sich die Frage nach einer Anpassung behördlicher Handlungen an diese.

Die unterfertigenden Abgeordneten richten daher in diesem Zusammenhang nachstehende

Anfrage

1.   Wann haben Sie Kenntnis von dem Gutachten (Anlage 1) hinsichtlich des Ustascha-Treffens erlangt?

2.    Wie haben Sie das Gutachten an die mit der Versammlung befassten Einheiten und Exekutivbediensteten übermittelt? An welchem Tag erfolgte dies?

3.   An welche Einheiten und Dienststellen des BMI wurde das Gutachten übermittelt?

4.    Ist eine Schulung der befassten Einheiten und Exekutivbediensteten hinsichtlich der durch das Gutachten klargestellten Rechtslage erfolgt?

a.    Wenn ja, in welcher Form und Wann, aufgeschlüsselt nach Dienststelle/Einheit und Datum?

b.   Wenn nein, warum nicht?

 

 


Em. o. Univ.-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk

Herrn

LAbg. a.D. Helmut Edelmayr Mauthausen Komitee Österreich

Per email: haidershofen@gmail.com

Betrifft: Kroatisches Gedenktreffen in Bleiburg am 12. Mai 2018
Sehr geehrter Herr Edelmayr,

aus Anlass des für heuer wiederum am 12. Mai geplanten Kroatischen Gedenktreffens in Bleiburg darf ich - vorbehaltlich einer eingehenden Analyse - auf Grund der mir zur Verfügung gestellten Informationen zu folgenden Rechtsfragen in zusammenfassender Form Stellung nehmen.

Sachverhalt

Das Gedenktreffen umfasst zum einen eine kirchliche Veranstaltung in Form einer mit Zustimmung der Diözese Gurk-Klagenfurt von der Kroatischen Bischofskonferenz gemeinsam mit dem Verein „Bleiburger Ehrenzug“ abgehaltenen Gedenkmesse, zum anderen eine Zusammenkunft von BesucherInnen und TeilnehmerInnen, rund um die Messe.

Die beteiligten österreichischen und kroatischen kirchlichen Instanzen haben sich darauf verständigt, dass bei der Messfeier weder Fahnen noch Abzeichen, Uniformen oder uniformähnliche Teile noch provozierende T-Shirts verwendet werden sollen; die Verständigung umfasst auch das Verbot des Zeltaufstellens und der Ausschank von Alkohol. Der Vorsitzende der Kroatischen Bischofskonferenz, Zelimir Puljic, habe seine Unterstützung für die „Auflagen“ der Diözese Gurk-Klagenfurt gegeben und sie dem Bleiburger Ehrenzug als Veranstalter/Organisator mitgeteilt, der die Einhaltung zugesagt habe.

Der Sprecher der Österreichischen Bischofskonferenz hielt fest, dass diese Auflagen nicht nur in Bezug auf die Messfeier, sondern auf den Gesamtcharakter der Veranstaltung maßgebend seien.

 


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Aufgaben und Zuständigkeiten österreichischer Behörden

Die von kirchlicher Seite in Aussicht gestellten Maßnahmen entbinden die österreichischen Behörden nicht von ihrer Verantwortung, für die Einhaltung der maßgebenden, in Österreich geltenden Rechtsvorschriften zu sorgen. Die Gedenkmesse unterliegt als solche nicht der behördlichen Aufsicht und erlaubt kein behördliches Eingreifen, solange der Charakter als religiöse Feier gewahrt wird.

Das Geschehen rund um die Gedenkmesseunterliegt uneingeschänkt der Überwachung der österreichischen Behörden, die auf die Einhaltung der maßgebenden Rechtsvorschriften zu achtenund gegebenenfalls einzuschreiten haben. Der Hinweis auf denangeblich „religiösen Charakter“ des Geschehens außerhalb der Gedenkmesse ist dabei ebenso irrelevant wie der Umstand, dass die Veranstaltung auf privatem Grund stattfindet. Im Besonderen sind folgende Rechtsvorschriften maßgebend:

          Es handelt sich um eine Zusammenkunft, die wegen der dort stattfindenden Manifestationen in Form der Kundgabe von Meinungen und politischen Erklärungen als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzeszu qualifizieren ist. Dazu ist auf die einschlägige Rechtsprechung des VfGH und im Besonderen auf das Erkenntnis VfSlg 10443/1995 (betreffend die Abhaltung einer Sonnwendfeier) zu verweisen. Die Behörde ist verpflichtet, auf die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes (Anzeigepflicht, Untersagungstatbestände, Ordnungsdienst, Überwachung, Auflösung) zu achten und gegebenenfalls durch Anzeigen, allenfalls auch mit einer Auflösung der Versammlung einzuschreiten.

          Im Besonderen ist auf den Untersagungsgrund nach § 6 Versammlungsgesetz hinzuweisen: Demnach sind (unter anderem) Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft, von der Behörde zu untersagen. Einschlägige strafgesetzliche Verbote ergeben sich sowohl aus dem nsVerbotsgesetz als auch insbesondere aus den Bestimmungen des StGB - § 282 (Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Gutheißung mit Strafe bedrohter Handlungen) und § 283 (Verhetzung).

          Vorgänge, die gegen österreichisches Justiz- oder Verwaltungsstrafrecht verstoßen, verpflichten die Behörden und Exekutivorgane von Amts wegenzum Einschreiten in Form von Zwangsmaßnahmen, Anzeigen und Durchführung von Strafverfahren. Ob sich diese Vorgänge auf privatem oder öffentlichem Grund ereignen, ist dabei unerheblich. Ebenso unerheblich ist es, in welcher Sprache das rechtswidrige Verhalten geäußert wird.

          Zu beachten ist allerdings das strafrechtliche Analogieverbot: Die Tatsache, dass die Verwendung kroatischer faschistischer Symbole in enger historischer und phänomenologischer Verwandtschaft zu den vom Verbotsgesetz erfassten Sachverhalten steht, erlaubt nichtdie Erstreckung der österreichischen Verbotstatbestände auf ähnliche Symbole und Verhaltensweisen, wie sie für den kroatischen Faschismus kennzeichnend waren, mögen diese auch nach geltendem kroatischem Recht verboten sein.


          So ist etwa der „kroatische Gruß“ trotz äußerlicher und historischer Gleichartigkeit in Form der nach oben ausgestreckten rechten Hand nicht mit dem in Österreich verbotenen Hitlergruß identisch. Die Behörde kann aber die Teilnehmer an der Versammlung in geeigneter Weise darüber informieren, dass der Hitlergruß in Österreich verboten ist, und sie auffordern, zur Vermeidung von Unklarheiten und behördlichen Interventionen auf den „kroatischen Gruß“ zu verzichten.

          Wird der „kroatische Gruß“ wie ein Hitlergruß, speziell auch in Verbindung mit ns-Symbolen oder -parolen, etwa mit den Worten ,Heil Hitler' oder ähnlichen, verbotsgesetzwidrigen Emblemen oder Äußerungen verwendet, so ist aus dem Hinweis, es handle sich um eine kroatische Sitte, keine Legitimation zu gewinnen - in solchen Fällen ist der „kroatische Gruß“ als ein in Österreich verbotenes Verhalten zu qualifizieren.

          Wenn (auch) gegen ein Verbot des österreichischen Verbotsrechts -nsVerbotsgesetz, Abzeichengesetz, Uniform-Verbotsgesetz, StGB - verstoßen wird, ist von österreichischen Exekutivorganen und Behördenvon Amts wegen einzuschreiten. Diese Verpflichtung ergibt sich klar aus der Strafprozessordnung (StPO) und dem Sicherheitspolizeigesetz (SPG): Gemäß § 2 Abs 1 StPO sind die Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft im Rahmen ihrer Aufgaben verpflichtet, jeden ihnen zur Kenntnis gelangten Anfangsverdacht einer Straftat, die nicht bloß auf Verlangen einer hiezu berechtigten Person zu verfolgen ist, in einem Ermittlungsverfahren von Amts wegen aufzuklären; gemäß § 3 Abs 1 StPO haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht die Wahrheit zu erforschen und alle Tatsachen aufzuklären, die für die Beurteilung der Tat und des Beschuldigten von Bedeutung sind. Das SPG zählt Verstöße gegen das Verbotsgesetz ausdrücklich zu den gefährlichen Angriffen, deren Verhinderung und Beendigung zu den gesetzlichen Aufgaben der Polizeibehörden und ihrer Exekutivorgane gehören (§ 16 Abs 2 Z 1 SPG).

          Ein Verstoß gegen das ns-Verbotsgesetz liegt unter anderem vor, wenn kroatische Embleme das Hakenkreuz oder andere ns-Symbole, etwa SS-Runen, enthalten oder wenn sie in Österreich verbotenen ns-Organisationen, wie der 13. SS-Division „Kroatische“, zuzuordnen sind, selbst wenn deren Embleme keine Abzeichen enthielten, wie sie in ns-Deutschland für die SS üblich waren; es genügt die Identifizierbarkeit als SS"- Organisation. Erst recht gilt das für Äußerungen, die den Tatbestand der Wiederbetätigung erfüllen, zB den Nationalsozialismus verherrlichen oder dessen Verbrechen verniedlichen, auch wenn die Äußerungen fremdsprachlich (kroatisch) getätigt wurden. Erforderlichenfalls hat sich die Behörde in angemessenem Umfang der erforderlichen Übersetzungskompetenz zu bedienen. Sie kann auch von den Veranstaltern verlangen, dass ihr die Texte von Ansprachen und Liedern in kroatischer Sprache vorgelegt werden, damit sie beurteilen kann, ob diese strafbare Äußerungen enthalten.


          Das schlichte Tragen der Kroatischen Ustascha Uniform verstößt dann nicht gegen österreichische Rechtsvorschriften, wenn sonst kein qualifizierendes Tatbestandsmerkmal hinzukommt, wie zB die Verwendung von Orden und Emblemen mit ns-Zeichen oder mit eindeutigem ns-Bezug (wie das Truppenzeichen der 13. SS-Division).

Weder die Tatsache der Nachbarschaft zu einer katholischen Messfeier noch der Umstand, dass die Vorgänge auf privatem Grund stattfinden noch das Vorliegen zweier, nicht identischer Faschismen, befreien die Behörden und Exekutivorgane von ihren gesetzlichen Überwachungs- und Interventionspflichten. Ein absichtliches „Wegsehen“ könnte den Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt erfüllen.

Wien, am 01. Mai 2018                                                                                                Bernd-Christian Funk



[1] Radonic, Ljiljana (2010): Krieg um die Erinnerung: Kroatische Vergangenheitspolitik zwischen Revisionismus und europäischen Standards; Campus Forschung. Seite 15 und 92.

[2] Auch online verfügbar unter: http://www.mkoe.at/sites/default/files/files/aktuelles/GA-2018-05-%20BIeiburg-Prof-Funk.pdf, abgerufen am 8. Mai 2018