850/J XXVI. GP

Eingelangt am 16.05.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsument­schutz

betreffend §447a (12) ASVG - Wirtschaftlichkeitsgebot - Stehen der Wiener GKK noch Mittel aus dem GKK-Ausgleichsfonds zu?

1) Ausgleichsfonds setzt Ineffizienz- und Überversorgungsanreize

Die Zielsetzung des GKK-Ausgleichsfonds (§447a ASVG) schreibt vor, eine "ausge­glichene Gebarung bzw. eine ausreichende Liquidität der Gebietskrankenkassen zu gewährleisten". Das ASVG lässt im Ausgleichsfonds somit Verteilmodalitäten zu, die über den Ausgleich von strukturellen Unterschieden hinausgehen. International ist es allerdings üblich, dass Kassenfinanzausgleiche (Risikostrukturausgleiche) lediglich Strukturunterschiede kompensieren, die von Kassen unbeeinflussbar sind (Einkom­men, Alter, Morbidität, Sozioökonomie,...). Die Ausgleichsfonds-Verordnung ermög­licht aber, entgegen den internationalen Standards, auch einen Ausgleich von Strukturunterschieden, die von Kassen beeinflussbar sind (angebotsseitige Regionalität => Ärzteangebot; Regionalausgleich), und einen nachgelagerten Ausgleich von negativem Reinvermögen (Liquiditätsausgleich). Die sehr großzügige Rechtslage verleitet damit zu Ineffizienzen, wie der Rechnungshof bereits festgestellt hat (siehe RH-Bericht Bund 3/2016). Immerhin wird unter §447a (12) ein Klagsgrund gegen Ineffizienzen, die von Kassen selbst herbeigeführt wurden, angeboten:

"Leistungen aus dem Ausgleichsfonds der Gebietskrankenkassen gebühren nicht, wenn die Gebietskrankenkasse eine ungünstige Kassenlage durch Außerachtlas­sung der Grundsätze einer wirtschaftlichen Verwaltung selbst herbeigeführt hat."

2)   Stehen der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) noch Ausgleichsfonds- Mittel zu? Eigentlich nicht.

Nimmt man das Wirtschaftlichkeitsgebot des ASVG ernst, stehen der WGKK eigent­lich keine Ausgleichsfonds-Mittel mehr zu. Zuletzt (2016) wurden aber aus dem Aus­gleichsfonds 124 Mio. Euro an die WGKK überwiesen, obwohl sie laut Rechnungs­hofbericht Bund 2016/3 (S. 38) die Sanierung nicht geschafft hat.

3)  Sanierung wäre bei Anstrengung möglich gewesen: die StGKK hat sich an­gestrengt und es geschafft, die WGKK nicht

Der Rechnungshof hat in Bericht Bund 2016/3 festgestellt, dass sich die WGKK, im Gegensatz zur StGKK, nachwievor in einer "prekären finanziellen Lage" befindet.

Hier stellt sich also die Frage, weshalb die WGKK immer noch Mittel aus dem Aus­gleichsfonds bekommt, obwohl sie ihre schlechte finanzielle Lage sehr offensichtlich selbst herbeigeführt hat.


 

Im Jahr 2009 wiesen die StGKK und die WGKK jeweils ein negatives Betriebsergebnis von rd. 5 % der Summe der Versicherungsleistungen aus. Während die StGKK eine stetige Verbesserung und ein positives Betriebsergebnis bereits ab dem Jahr 2012 erreichte, blieb bei der WGKK das Betriebsergebnis immer negativ.

Quelle: Rechnungshofbericht Bund 2016/3

4)  WGKK: Stark steigende Subventionen statt Sanierung

EGT-wirksame Subventionen: Die WGKK wird zwar jährlich mit dreistelligen Millio­nenbeträgen über Wasser gehalten, ein positives EGT gibt es jedoch nachwievor bei weitem nicht (2016: -28 Mio. Euro). Die Subventionen, um das EGT einigermaßen zu reduzieren, steigen ständig. So fließen mittlerweile überdurchschnittlich hohe "Ersät­ze für Leistungsaufwendungen" (413 Mio. Euro) und überdurchschnittlich hohe "Sonstige betriebliche Erträge" (172 Mio. Euro). Interessant, dass für die Abgangs­deckung des Hanusch-Krankenhaus bereits 45 Mio. Euro zugeschossen werden müssen, bei einer 55%igen Auslastung aber auch kaum verwunderlich. Im ÖSG wird übrigens als KH-Planungsgrundlage von einer 85%-Zielauslastung ausgegangen. Im Jahresbericht der WGKK (2016) liest man auch, dass über den Pharma- Rahmenvertrag von der Pharma-Branche 25 Mio. Euro an die WGKK geflossen

sind, 2015 waren es lediglich 7 Mio. Euro, und das obwohl man von Seiten der SV die Pharma-Branche regelmäßig für alles Unheil im Gesundheitssystem verantwort­lich macht.

Jahresüberschuss/Bilanzergebnis-wirksame Subventionen: Wie oben erwähnt fließen zudem Ausgleichsfonds-Mittel an die WGKK. Bis vor kurzem auch Struk- turfonds-Mittel. Im Schnitt machen diese ca. 100 Mio. Euro netto im Jahr aus. Zwi­schen 2009 und 2016 waren es über 1 Mrd. Euro, während der ländliche Raum oft­mals von akutem Ärztemangel geprägt ist.

5)   Keine Effizienzanreize. Mittels Regional- und Liquiditätsausgleich überver­sorgt die WGKK auf Kosten der Bundesländer-GKKn

Die Ineffizienz-Anreize des GKK-Ausgleichsfonds gehen sogar so weit, dass eine GKK auf Kosten der anderen GKKn die Versorgung ausbauen oder hochhalten kann, weil sie sich sicher sein kann, dass ihre Mehrausgaben über den Regionalausgleich und den Liquiditätsausgleich abgedeckt werden. Bestes Beispiel dafür ist die WGKK. Der ambulante RSG Wien 2015 stellte für Wien eine Überversorgung von 281 Ärzten im ambulanten Bereich fest, während in vielen österreichischen Randregio­nen akuter Ärztemangel herrscht. Der Regionalausgleich im Ausgleichsfonds ver­stärkt diese Unterschiede, weil er als Ist-Kosten-Ausgleich konzipiert ist, was dazu führt, dass die finanziellen Mittel von unterversorgten Gebieten reibungslos in über­versorgte Gebiete fließen. Anders gesagt: die älteren, schlechter verdienenden Ver­sicherten der NÖGKK finanzieren den jüngeren, besser verdienenden Wienern die Überversorgung. Die WGKK muss dabei nicht einmal höhere Morbidität oder schlechtere sozioökonomische Voraussetzungen belegen. Denn der "regionale Nachteil" im Rahmen des Regionalausgleichs definiert sich lediglich als Differenz von "durchschnittlichen NORM-Kosten" (altersstandardisierter Erwartungswert) und "durchschnittlichen IST-Kosten". Wer also ineffizient ist und damit höhere "IST- Kosten" hat, bekommt diese durch den Regionalausgleich auch ersetzt.

6)   Kennzahlenzahlen zur Wiener GKK - überdurchschnittliche Ausgaben wer­den durch andere finanziert

Hohe Ausgabenintensität: Sieht man sich die Ausgabenintensität der Wiener GKK an, erkennt man relativ schnell, dass sie ein massives Ausgabenproblem hat. Ähnlich wie die Eisenbahner-Kasse und die Beamten-Kasse, gibt die WGKK pro Versicher­ten deutlich mehr aus als der altersstandardisierte Erwartungswert annehmen lässt.

Hanusch-Krankenhaus: Bei einem Blick auf die Auslastung des Hanusch- Krankenhaus wird schnell klar, dass die WGKK als Spitalsträger nicht geeignet ist. Während der ÖSG von einer 85%igen Zielauslastung ausgeht und die Wiener Fonds-Krankenhäuser im Schnitt zumindest 79% Auslastung erreichen, kommt das HKH gerade einmal auf 55% Auslastung.

ÖSG 2017 (S. 176): "Bettenäquivalente (BÄ): Maßzahl der tatsächlichen Versor­gungswirksamkeit einer bettenführenden Einheit aufgrund deren Inanspruchnahme innerhalb eines bestimmten Jahres (in der Regel ermittelt unter Annahme einer Soll- Auslastung von 85 Prozent)"

=> Solange die WGKK weiterhin dreisteIlige Millionen-Subventionen aus dem Ausgleichsfonds bekommt, wird sich an ihrer Ineffizienz auch nichts ändern.


image2image3

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Die Wiener GKK ist für ihre prekäre finanzielle Lage ziemlich offensichtlich selbst verantwortlich (RH-Bericht Bund 2016/3). Wie ist mit §447 (12) ASVG vereinbar, dass die Wiener GKK auf Kosten der Bundesländer-GKKn nach wie vor Mittel aus dem GKK-Ausgleichsfonds bekommt?

2.    Welche personellen Konsequenzen gab es in der Wiener GKK nach dem Er­scheinen des RH-Berichts 2016/3?

3.    Wie äußeren sich die großteils älteren, beitragsschwächeren Bundesländer- GKKn dazu, dass sie die junge, beitragsstarke WGKK seit Jahren mit dreistelligen Millionen-Zahlungen liquide halten müssen?

4.    Ist eine eigenständige, ausgabenseitige Sanierung der WGKK ohne Ausgleichs­fondsmittel und andere Subventionen überhaupt noch möglich?

a.    Wenn ja, wie begründen Sie diese?

b.    Wenn nein, welche Maßnahmen setzt das BMASGK, um die hohe Ineffizi­enz der WGKK zu verbessern?

5.    Können Sie sich eine staatliche Verwaltung der WGKK durch das BMASGK vor­stellen, um endlich eine ausgabenseitige Sanierung der WGKK zu ermöglichen?

6.    Der ambulante RSG Wien 2015 hat festgestellt, dass Wien mit knapp 281 ambu­lanten Ärzten überversorgt ist. Die WGKK hat auf die ambulante Stellenplanung direkten Einfluss. Wie sehr wurde das Überangebot bisher abgebaut?

7.    Wie hoch waren die Einzahlungen der Wiener GKK in den GKK-Ausgleichsfonds zwischen 2007 und 20177 (Darstellung je Jahr)

8.    Wie hoch waren die Auszahlungen an die Wiener GKK aus dem GKK- Ausgleichsfonds zwischen 2007 und 20177 (Darstellung je Jahr)

9.    Wie hoch fielen die "außerordentlichen Erträge" (exkl. GKK-Ausgleichsfonds- Erträge) der Wiener GKK zwischen 2007 und 2017 aus? (Darstellung je Jahr)

10. Wie hoch fielen sich die "Sonstigen betrieblichen Erträge" der WGKK zwischen 2007 und 2017 aus? (Darstellung je Jahr)

a.    Wie hat sich die Unterposition "Vergütungen der Pharmaindustrie" entwi­ckelt?

b.    Wie hat sich die Unterposition "Zuschüsse des Wiener Krankenanstaltenfi­nanzierungsfonds - HKH" entwickelt?

c.    Wie hat sich die Unterposition "Zuschüsse gemäß Wiener Krankenanstal­tengesetz (Abgangsdeckung 50%) - HKH" entwickelt?

d.    Wie hat sich die Unterposition "Investitionszuschüsse des WGF für das Hanusch-Krankenkhaus" entwickelt?

11 .Wie hoch fielen die Verwaltungsaufwand-Ersätze (Differenz von Brutto- und Net- to-Verwaftungsaufwand) der WGKK zwischen 2007 und 2017 aus? (Darstellung je Jahr)

12. Wie hoch fielen die "Ersätze für Leistungsaufwendungen" der WGKK zwischen 2007 und 2017 aus? (Darstellung je Jahr)

a. Für welche Leistungsaufwendungen wurden die Ersätze gewährt?

13. Entwicklungen im Hanusch-Krankenhaus 2007-2017 (Darstellung je Jahr)

a.    Anzahl der tatsächlichen KH-Betten?

b.    Anzahl der stationären Aufenthalte?

c.    Anzahl der Belagstage?

d.    Höhe der Auslastung?

e.    Höhe des Gesamtaufwandes?

f.      Höhe des Spitalsabgangs?

14. Das Hanusch-Krankenhaus weist nur noch eine Auslastung von 55% aus, gleich­zeitig extrem hohe Fehlbeträge (Annahme 2016: 90 Mio. Euro).

a.    Wie ist die Auslastung von 55% mit der "Soll-Auslastung" laut ÖSG von 85% in Einklang zu bringen?

b.    Sind SV-Träger geeignet, Krankenhäuser wirtschaftlich zu führen?

c.    Wenn ja, bitte Begründung?

d.    Wenn nein, bis wann gibt es eine Trennung von Spitalsfinanzierung und Spitalserhaltung?

e.    Ist die WGKK geeignet, ein Krankenhaus betriebswirtschaftlich zu führen?

i.     Wenn ja, bitte Begründung?

ii.    Wenn nein, bis wann gibt es eine Trennung von Spitalsfinanzierung und Spitalserhaltung?

f.      Gibt es Analysen, weshalb Patienten das HKH meiden?

g.    Gibt es ein Sanierungskonzept?

i.     Wenn ja, bis wann soll demnach das HKH die Auslastung auf den Wiener Durchschnittswert angehoben haben?

ii.    Wenn ja, bis wann soll demnach das HKH ein ausgeglichenes Be­triebsergebnis erreichen?