927/J XXVI. GP

Eingelangt am 17.05.2018
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

 

betreffend Maßnahmen gegen Radikalisierung im Strafvollzug: Beschäftigung und Betreuung von Strafgefangenen sowie Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen

 

Aus der aktuellen IKRS Studie „Wege in die Radikalisierung“ geht hervor, dass in Österreich das Thema der Radikalisierung in und durch Haft durchaus ernst zu nehmen ist. Vier der zehn interviewten Jugendlichen hatten Vorhafterfahrungen und waren mit extremistischem Gedankengut bzw. radikalisierenden Personen in Kontakt gekommen. Zwei Personen wird vorgeworfen, radikalisierend auf andere Insassen eingewirkt zu haben.

 

Die Studie führt auch an, dass Menschen offen für radikale Ideen sind, wenn sie sich in einer persönlichen Krise befinden.  Als verstärkende Faktoren werden schlechte Haftbedingungen, keine sinnvolle Beschäftigung, schlechte Beziehungen zum Anstaltspersonal, der Kontakt zu radikalisierten Mitinsassen sowie eine gescheiterte Resozialisierung angeführt.


Die aktuelle Studie bestätigt die Ergebnisse des Endberichts „Deradikalisierung im Gefängnis“ vom Jänner 2017.

 

Das Ministerium hat sich weder im Zuge der Veröffentlichung der aktuellen Studie am 26.04.2108 noch in der Anfragebeantwortung 369/AB vom 28.04.2018 zu beabsichtigten Maßnahmen geäußert.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

Anfrage:

 

1.    Was waren die Ergebnisse der laut 369/AB „eingehenden Diskussionen“  im Ministerium über die aktuelle IRKS-Studie „Wege in die Radikalisierung“?

2.    Welche konkreten Maßnahmen setzte das BMVRDJ bzw. wird das BMVRDJ infolge der IRKS-Studie „Wege in die Radikalisierung“ setzen?

 

3.    Welche der Maßnahmen sind im Budget 2018/19 inwiefern abgebildet? 

 

4.    Sofern Handlungsanleitungen und Maßnahmen infolge dieser Studie getroffen wurden, zu welchem Zeitpunkt wurden diese jeweils beschlossen bzw. in Angriff genommen und was ist der jeweilige Stand?

 

5.    Welche der von BM Brandstetter infolge der IRKS-Studie „Deradikalisierung in Haft“ präsentierten Maßnahmen wurden bzw. werden umgesetzt? Wie sind diese im aktuellen Budget abgebildet?

6.    Wie entwickelten bzw. entwickeln sich die für die Kooperation mit dem Verein DERAD von 2015 bis 2018 vorgesehenen Geldmittel? Es wird um Aufschlüsselung per anno ersucht.

7.    Wurde die Rolle des Vereins DERAD geklärt, wie dies das IRKS vorschlägt? Wenn nein, warum nicht?

8.    Wurden seit der IRKS-Studie „Deradikalisierung in Haft“ qualitative und  zeitliche Kriterien für die Berichte des Vereins DERAD festgelegt? 

 

9.    Wurde seit der IRKS-Studie „Deradikalisierung in Haft“ die Vernetzung mit anderen Betreuenden der Insassen und dem Verein DERAD intensiviert bzw. aufgebaut?

10.  Wie ist der Austausch sensibler personenbezogener Daten zwischen der Justiz und DERAD gegen nicht-autorisierten Zugriff und Hacking-Attacken gesichert?

 

11. Wie sind der Zugriff und die Speicherung sensibler personenbezogener Daten bei DERAD gegen nicht-autorisierten Zugriff und Hacking-Attacken gesichert?

12. Wurde die Behauptung in der IRKS-Studie „Deradikalisierung in Haft“ (S 115 letzter Absatz), dass einzelne erwachsene Straftäter im Strafvollzug „in gewisser Weise vergessen“ zu sein „scheinen“ überprüft? Wenn ja, was war das Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?

13. Trotz Erlasses variierten zum Zeitpunkt  der IRKS-Studie „Deradikalisierung in Haft“ Angaben in den Vollzugsplänen und deren Anhängen von Anstalt zu Anstalt. Was ist geschehen, um einheitliche Angaben zu erreichen?

 

14. Nach kriminalsoziologischen Studien fördern insbesondere folgende Faktoren die Radikalisierung in der Haft:
-  schlechte Haftbedingungen
-  das Fehlen einer sinnstiftenden Beschäftigung
-  schlechte Beziehungen zum Anstaltspersonal
-  Kontakt zu radikalen Mitinsassen
-  mangelnde oder mangelhafte Seelsorge
Welche Maßnahmen setzte das BMVRDJ bzw. wird das BMVRDJ setzen, um diesen Erkenntnissen Rechnung zu tragen? Es wird um Erläuterung bezüglich jedes einzelnen Faktors ersucht.

 

15. Aufgrund des Personalmangels in manchen Justizvollzugsanstalten, etwa in Graz-Jakomini, sind die Anstaltsbetriebe (Schlosserei, Tischlerei, Kfz-Betriebe etc.) nur sporadisch geöffnet. Sportprogramme können teils nicht stattfinden. (http://www.kleinezeitung.at/steiermark/chronik/5384562/Gewerkschaftsappell_Der-Justizwache-fehlt-das-Personal)
Welche Maßnahmen wurden bzw. werden gesetzt, um diese Situation zu verbessern und wo sind diese im Budget 2018/2019 abgebildet?

 

16. Wie viele Beschäftigungsplätze sind in den Anstaltsbetrieben in den Justizvollzugsanstalten jeweils vorhanden?

 

17. An wie vielen Tagen/Halbtagen waren die Anstaltsbetriebe in den Jahren 2016 und 2017 jeweils geschlossen? Es wird um Aufschlüsselung auf die einzelnen Anstaltsbetriebe ersucht.

 

18. Wie viele Planstellen sind für die Betreuung welcher Anstaltsbetriebe in jeweils welcher Justizvollzugsanstalt vorgesehen? Wie viele davon waren in den Jahren 2015, 2016 und 2017 tatsächlich besetzt?
Es wird um Angabe in VZÄ ersucht.

19. In 369/AB vom 27.04.2018 zu 373/J (XXVI.GP) wurde die Verzögerung der Veröffentlichung der Studie damit begründet, dass die Studie bereits Ende Februar 2018 inhaltlich geprüft und aufbereitet worden sei. Es sei jedoch notwendig gewesen, zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte des „beforschten Personenkreises“ die in der Studie befindlichen Zitate in der veröffentlichten Fassung unkenntlich zu machen. Deshalb habe die Studie erst am 26. April veröffentlicht werden können.
Warum brauchte es rund zwei Monate, um personenbezogene Angaben in der Studie zu schwärzen? Warum wurden diese Angaben nicht bereits im Zuge der inhaltlichen Prüfung und Aufbereitung der Studie durch die Generaldirektion geschwärzt?

 

20. Im Regierungsprogramm wird zur Radikalisierung im Strafvollzug ausgeführt:
- Unterbringung von islamistischen/dschihadistischen Gefährdern in
   eigenen Sicherheitsabteilungen
- „Haft in der Heimat“ mit Nachdruck verfolgen
-  wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der missbräuchlichen
   Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik durch Insassen
-  Forcierung diplomatischer, rechtlicher und politischer Mittel zum
   Abschluss von Überstellungsverträgen
-  verpflichtende Sicherheitsüberprüfung gem. § 55 SPG für alle im
    Strafvollzug dauerhaft tätigen Externen (islamische Seelsorger,
    Psychotherapeuten etc.)
Welche Maßnahmen sind für den Fall vorgesehen, dass radikalisierte Häftlinge nicht ins Ausland gebracht werden können, etwa, weil sie österreichische Staatsbürger sind oder keine Rückführungsübereinkommen bestehen?

21. Inwieweit kann die gesonderte Unterbringung von islamistischen/dschihadistischen Straftätern, wie im Regierungsprogramm vorgesehen, zu deren Resozialisierung und Deradikalisierung beitragen und inwieweit wurde dieser Programmpunkt bereits umgesetzt?

22. Das Regierungsprogramm sieht die „Evaluierung des Bedarfs an Planstellen im Strafvollzug unter Einbeziehung der Justizbetreuungsagentur“ vor.
Wurde die Evaluierung vor Erstellung des Doppelbudgets 2018/2019 abgeschlossen und inwieweit flossen die Ergebnisse in die Budgetgestaltung und Personalplanung ein?

23. Sofern die Evaluierung noch nicht abgeschlossen ist, wann wird dies der Fall sein?

24.  Es ist davon auszugehen, dass die Evaluierung des Planstellenbedarfs  einen dringenden Mehrbedarf im Bereich der Justizwache ergibt.
Wie können die Ergebnisse der Evaluierung umgesetzt werden, wenn Budget und Stellenplan für die Jahre 2018 und 2019 bereits fixiert sind?

25. Wie viele nach §§ 278b ff StGB verurteilte oder verdächtigte Personen befinden sich derzeit in Haft?

 

26.  Wie viele inhaftierte Personen werden derzeit als radikalisiert eingestuft?

27. In der IKRS Studie zur Deradikalisierung im Gefängnis wird empfohlen, auch Personen mit Migrationshintergrund für die Justizwache anzuwerben. Sind die derzeitigen Stellenausschreibungen darauf ausgerichtet, auch Personen mit Migrationshintergrund anzusprechen? Wenn ja, wie? 

28. Wurden die in der IKRS Studie zur Deradikalisierung im Gefängnis genannten  Aus- und Fortbildungsangebote für Justizwachbeamte seit 2017 fortgesetzt und intensiviert? Wenn ja, wie?

29. Welche dieser Programme sind verpflichtend, welche freiwillig?

30. Stehen diese Programme allen Justizwachbeamten in allen Anstalten gleichermaßen zur Verfügung?

31.  In der IRKS Studie zur Deradikalisierung im Gefängnis werden einige innovative Best Practice Projekte einzelner Justizanstalten mit der Empfehlung angeführt, diese auf andere Justizanstalten auszuweiten.
Wenn das bereits umgesetzt wurde, um welches Projekt oder um welche Projekte handelt es sich dabei? Wenn nein, ist das beabsichtigt und, wenn ja, für wann?

 

32. Wie viele körperlichen Übergriffe von Häftlingen auf Justizwachepersonal gab es in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018?

 

33. Wie viele dieser Übergriffe erfolgten pro Jahr durch als radikalisiert eingestufte Häftlinge?

 

34. Welche Maßnahmen werden gesetzt, um Justizwachepersonal vor Übergriffen durch Häftlinge zu schützen bzw. Übergriffen durch Häftlinge vorzubeugen?