981/J XXVI. GP

Eingelangt am 06.06.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend SV-Reform: "Gleiche Leistung für gleiche Beiträge, aber nur im gleichen Träger"

 

Regierungsankündigung: "Gleiche Leistung für gleiche Beiträge"

Der Spin, der von Politikern der Regierungsparteien im Zuge der SV-Reform sehr häufig verwendet wird, lautet: "Gleiche Leistung für gleiche Beiträge". Der ÖVP-Klubobmann Wöginger hat in hat im Sozialausschuss präzisiert: "Gleiche Leistung für gleiche Beiträge, aber nur im gleichen Träger" und diese Formulierung im ORF-Report vom 29.05.2018 wiederholt. Daraus lässt sich schließen, dass die Regierung im Zuge der SV-Reform keine Solidarität zwischen den Berufsgruppen geplant hat, wenngleich in allen drei SV-Studien (IV-IHS, WKÖ, LSE) darauf hingewiesen wurde ("Risikostrukturausgleich"). Damit wird die Linie der Vorgängerregierungen in dieser Angelegenheit fortgesetzt. Das Ergebnis kennen wir, eine extrem schiefe Vermögensverteilung zwischen den Kassen. Die KFAs bzw. die BVA besitzen mittlerweile pro Kopf mehr als zwanzigmal bzw. mehr als zehnmal so viel Vermögen wie die GKKn.

Regierungspläne in der Realität: "Gleiche Leistung für gleiches Risiko" (unabhängig, ob selbstverschuldet oder nicht)

Wenn man genauer analysiert, was die Regierung im Zuge der SV-Reform vorhat, dann kommt man zum Schluss, dass es sich bei der SV-Reform eigentlich um "Gleiche Leistung für gleiches Risiko" handelt. Gruppen, die aufgrund ihres Berufsstandes, Arbeitslosigkeit praktisch nicht kennen, ein durchschnittlich höheres Einkommen genießen und mit Arbeitsunfällen kaum konfrontiert sind, sollen weiterhin eine Risikogruppe bilden. Demgegenüber steht die Gruppe der GKK-Versicherten. Sie sind wegen ihre privatwirtschaftlichen Anstellungen einem höheren Arbeitslosigkeitsrisiko ausgesetzt. In weiterer Folge können sie auch mit einem höheren Risiko als andere Berufsgruppen zu Notstandshilfe- oder Mindestsicherungsbeziehern werden. Klar ist natürlich, dass sich die unstetigen Beschäftigungsverläufe negativ auf das durchschnittliche Einkommen auswirken. Alles in allem verfügt die Risikogruppe der Beamten durch diese Trennung eine höhere KV-Finanzkraft, was sich in besseren Leistungskatalogen widerspiegelt.


Die Regierung beabsichtigt also sehr klar, das System der Trennung der unterschiedlichen Berufs- bzw. Risikogruppen fortzusetzen. Mit dem Argument der "unterschiedlichen Risikogruppen" wurde im Sozialausschuss (29.5.2017) von Regierungsseite zudem die Forderungen nach einem einheitlichen Beitragsrecht und nach einem Risikostrukturausgleich zwischen den Trägern abgelehnt. Wenngleich die Unterschiede in den Risikogruppen - da nicht selbstverschuldet - in modernen Krankenkassensystemen gerade der Grund waren, das Beitragsrecht zu harmonisieren, um Risikostrukturausgleiche zu etablieren (siehe CH, D, NL).

Die Überlegungen der Regierung sind aus solidarischen Gesichtspunkten und liberalen Überlegungen der Startgerechtigkeit nicht erklärbar. Die Überlegungen der modernen Kassensysteme gehen dahingegen in folgende Richtung: Zumindest sollten alle Kassen in der Ausgangsposition die gleichen finanziellen Startvoraussetzungen vorfinden. Das wird mittels umfassendem Risikostrukturausgleich erreicht (CH, D, NL). Wer damit nicht auskommt soll natürlich nicht auf Kosten der anderen finanziert werden und muss Zusatzbeiträge erheben.

Wer unverschuldet einer höheren Risikogruppe angehört zahlt weiterhin mehr

Im Grunde genommen sind wir im österreichischen System sehr nahe an dem, wovor der ÖVP-Klubomann im Sozialausschuss (29.5.2018) gewarnt hat, nämlich der Auto-Haftpflichtversicherung. Nur mit dem Unterschied, dass bei der Auto-Haftpflichtversicherung nur diejenigen mehr Beiträge zahlen, die selbstverschuldet Mehrkosten verursachen, was gerecht ist. Die österreichische Risikogruppen-getrennte Krankenversicherung und Unfallversicherung führen dieses Prinzip aber ad absurdum. Auch für jene Faktoren, die Berufsgruppen/Risikogruppen nicht beeinflussen können, müssen sie mehr zahlen. So trägt die Gruppe der Privatangestellten (GKK) weiterhin das erhöhte Arbeitslosenrisiko gegenüber Beamten selbst.

Sehr schön sieht man die Ungerechtigkeit auch in der Unfallversicherung. Während Bauern einen UV-Beitragssatz von 1,9% zu zahlen haben, werden Beamte lediglich mit 0,47% belastet. Das höhere Unfallrisiko der Bauern hat aber in erster Linie mit dem gefährlicheren Beruf zu tun, nichts aber mit einer größeren Risikofreudigkeit.

Negativer Effekt auf die Wirtschaft

Auch die Auswirkungen der berufsgruppengetrennten KV auf den Wirtschaftsstandort sind nicht zu vernachlässigen. So forderte die Industriellenvereinigung im Rahmen der IV-IHS-SV-Studie (2017) eine Senkung der Lohnnebenkosten (Teil davon KV-DG-Beiträge). Der Beitragsentgang soll demnach durch eine Anhebung der Umsatzsteuer kompensiert werden. Diesbezüglich ist interessant, wie stark die KV-Beiträge der GKKn sinken würden, wenn es einen alle Kassen umfassenden Risikostrukturausgleich geben würde. Da vorwiegend die GKKn Privatangestellte versichern, führt dort eine Beitragssenkung zu einer  direkten Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Bitte erläutern Sie "Gleiche Leistung für gleiche Beiträge" näher?

a.    Was ist mit Leistung gemeint?

b.    Was ist mit Beiträgen gemeint?

                                  i.    Absolute Beiträge (Kopfpauschalen)?

                                ii.    Einkommensabhängige Beitragssätze?

                               iii.    Wie rechnen sie einkommensabhängige Beiträge mit einkommensunabhängigen Selbstbehalten gegen, und das vor dem Hintergund unterschiedlicher Durchschnittseinkommen je Berufsgruppe?

2.    Legen Sie bitte den versicherungsmathematischen Berechnungen vor, die zeigen, dass die BVA-Selbstbehalte sämtliche Mehrleistungen im BVA-Leistungskatalog rechtfertigen?

3.    Um viele %-Punkte müsste der Beitragssatz für BVA-Versicherte gesenkt werden, um eine 1%-ige die Erhöhung des Selbstbehaltes bei einem Arztbesuch zu kompensieren, unter Berücksichtigung der Veränderung der Leistungsinanspruchnahme aufgrund der Veränderung des Selbstbehaltes?

4.    Um viele %-Punkte müsste der Beitragssatz für ASVG-Versicherte erhöht werden, um nach einer 1%-igen Erhöhung des BVA-Selbstbehaltes (bei Arztbesuch) sicherzustellen, dass die KV-Systeme weiterhin ihrem Kriterium "Gleiche Leistung für gleiche Beiträge" entsprechen würden?

5.    Haben Sie im Zuge der SV-Reform-Erarbeitung Vergleichsberechnungen angestellt, wie sehr ASVG-Versicherte und deren Arbeitgeber (in der Regel: privatwirtschaftliche Unternehmen) entlastet werden könnten (gleichverteilt auf DN- und DG-Beitrag), wenn sich die BVA am GKK-Ausgleichsfonds beteiligen würde?

6.    Werden die vorgeschlagenen SV-Reform-Maßnahmen zu einer Lohnnebenkostensenkung bzw. Beitragssenkung führen?

7.    Wie hoch waren zwischen 2008 und 2018 die Beitragssätze in der Unfallversicherung bei der einzelnen Trägern?

8.    Werden die Beitragssätze in der Unfallversicherung (2018: BVA: 0,47%, AUVA: 1,3%, SVB; 1,9%,...) im Zuge der SV-Reform angeglichen?

a.    Wenn nein, weshalb nicht?

b.    Wenn nein, wie lassen sich unterschiedliche Beitragssätze mit gleichen Leistungen vereinbaren?

c.    Wenn nein, mit welchen Mehrleistungen kann ein Landwirt im Falle eines Arbeitsunfall aufgrund seines viermal höheren Beitragssatzes gegenüber eines verunfallten Beamten erwarten?

9.    Wie sieht die Fusion von BVA und VAEB zur "VA öffentlicher Dienst" im Detail aus?

a.    Wird es wie bei der VAEB-Fusion weiterhin getrennte Sparten geben (Bergbau, Eisenbahn, BVA)?

b.    Wird das Beitragsrecht vereinheitlicht?

c.    Wird es einen einheitlichen Leistungskatalog geben?

d.    Wird es regionale Honorarzuschläge wie in der ÖGK geben?

10. Wie sieht die Fusion von SVA und SVB zur SVS im Detail aus?

a.    Wird es innerhalb der SVS zwei Sparten (SVA, SVB) geben?

b.    Wird das Beitragsrecht vereinheitlicht?

c.    Wird es einen einheitlichen Leistungskatalog geben?

d.    Wird es regionale Honorarzuschläge wie in der ÖGK geben?