1008/J XXVI. GP

Eingelangt am 11.06.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sabine Schatz, GenossInnen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betreffend die die soziale Absicherung der Gedenkdienstleistenden

Begründung

Seit mehr als 25 Jahren leisten junge Menschen freiwillig Dienst in ausländischen Gedenkstätten, in Alten- oder Pflegeheimen, an Jugendbegegnungsstätten und Forschungseinrichtungen. 1992 wurde der Gedenkdienst als Alternative zum regulären Zivildienst im Kompetenzbereich des Innenministeriums als Meilenstein in der österreichischen Erinnerungs- und -Gedenkpolitik eingerichtet.

Gedenkdienstleistende arbeiten gegen das Vergessen - sie helfen dabei, die Verbrechen des Nationalsozialismus zu erinnern. Sie leisten einen Beitrag zur Stärkung von Toleranz, Menschenrechten und treten gegen Diskriminierung auf. Das Freiwilligengesetz (FreiwG) schuf im Jahre 2012 die rechtlichen Rahmenbedingungen für einheitlich geregelte Gedenk-, Friedens- und Sozialdienste im Ausland. Mit einer 2015 beschlossenen und 2016 in Kraft getretenen Novellierung durch den Nationalrat wurde eine jährliche Zuwendung für alle Auslandsdienste durch den Bund in der Höhe von 720.000 Euro unter der Beachtung der sozialen Bedürftigkeit der Freiwilligen festgeschrieben. Das BMASK sollte hierfür 2016 die Förderrichtlinien ausarbeiten[1].

Die finanzielle Situation des Vereins GEDENKDIENST war lange prekär, dennoch wurde unter verringerten Mitteln weitergearbeitet. 2009 wurden 10.000 Euro jährlich pro GedenkdienstleistendeN bereitgestellt, durch den im Herbst 2016 geschaffenen Fördervertrag wurde die Summe jedoch auf 8.640 Euro minimiert, wodurch Freiwillige im Ausland 720 Euro monatlich erhalten[2]. Angesichts der steigenden Erhaltungskosten (Wohnen, Inflation, Mobilität, etc.) sinken die Beiträge jährlich zusätzlich zu den Kürzungen kontinuierlich. Außerdem sind die Lebenshaltungskosten je nach Einsatzstelle unterschiedlich hoch. Belegt werden muss die Verwendung der ohnehin knappen Gelder durch einen Rechenschaftsbericht pro Person, der samt Originalbelegen dem Ministerium übermittelt werden muss. Diese zeitaufwändige Rechenschaftspflicht besteht seit dem Jahrgang 2012/2013, wurde vom Innenministerium entwickelt und vom BMASK übernommen. Sie stellt eine große organisatorische Belastung dar.

Zusätzlich erhält etwa der Verein GEDENKDIENST für die gesetzlich vorgeschriebenen Tätigkeiten[3] als Trägerorganisation keinerlei Basissubvention, sondern nimmt diese Verantwortung überwiegend ehrenamtlich wahr. Trotz der, durch die Rechenschaftsberichte gewährleisteten absoluten Transparenz der Mittelverwendung wurden die Nachweiserfordernisse für die Wirtschaftlichkeit der ehrenamtlichen Trägervereine und deren Mitglieder auf der Verwaltungsebene verschärft. Die seit Jahrzehnten bestehende und gut eingespielte Zusammenarbeit zwischen den privaten Trägervereinen, den Einsatzstellen und der Republik Österreich wurde dabei durch zum Teil überschießende bürokratische

Hürden erschwert. Neben dem Verein GEDENKDIENST entsendet derzeit nur noch der Verein Österreichischer Auslandsdienst Gedenkdienstleistenden[4].

Im Oktober 2017 wurde das Freiwilligengesetz geändert und die finanzielle Unterstützung für Auslandsfreiwilligendienste (Gedenk-, Sozial- und Friedensdienste im Ausland) auf Antrag der SPÖ durch das Parlament einstimmig von 720.000 Euro auf 1,2 Millionen Euro erhöht. In der Begründung des betreffenden Initiativantrags wurde explizit auf die individuellen Kosten eines Freiwilligendiensts hingewiesen[5].

Förderungen von Gedenkdienstleistenden sind nun nicht mehr an Einkommensgrenzen gekoppelt. Das BMASGK kann Vereinen Zuschüsse für Bewusstseins- und Aufklärungsarbeit im Rahmen der Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen gewähren. Außerdem ist zwischen Abschluss der Schulausbildung und Beginn eines Freiwilligendiensts sowie zwischen der Beendigung des Freiwilligendiensts und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung der Anspruch auf Familienbeihilfe gewährleistet. Das geänderte Gesetz ist mit 1. Jänner 2018 in Kraft getreten[6].

Ausgerechnet im Gedenkjahr 2018 warnt der Verein, dass sich für die Gedenkdienstleistenden individuell nichts verbessert habe. Denn das FPÖ-geführte Sozialministerium genehmigte einfach zusätzliche Gedenk- und SozialdienerInnen, wodurch sich die Summe pro Person gerade eben nicht erhöht. Ändert sich an der aktuellen Förderung-Situation nichts, könne der Verein GEDENKDIENST keine Freiwilligen mehr entsenden [7].

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

1.    Teilen Sie die Auffassung des Vereins GEDENKDIENST, dass der Freiwilligendienst an den Holocaust-Gedenkstätten für die einzelnen Freiwilligen zur Zeit unter einer angespannten finanziellen Rahmenbedingung stattfindet? (Bitte um Erläuterung der Antwort)

a.    Wenn ja, sind Sie bereit, die finanzielle Rahmensituation für die Gedenkdienst- Trägervereine bzw. für die Freiwilligen, die ihren Gedenkdienst leisten, zu verbessern? (Bitte um Erläuterung und konkreten Zeitplan)

b.    Wenn nein, warum nicht? (Bitte um Erläuterung)

2.    Wird es Verhandlungen von Seiten des Ministeriums mit den Trägervereinen geben, die eine Verbesserung der Lage des Vereins und der Freiwilligen zum Ziel haben? (Bitte um Angabe eines konkreten Zeitrahmens)

3.    Warum wird die im vorigen Herbst im Parlament beschlossene finanzielle Aufstockung der Fördersumme nicht an die Freiwilligen weitergeben, so dass diese sozial abgesichert sind?

4.    Ist geplant, die finanziellen Mittel für die Gedenkdienste (umfasst: ÖAD und Verein Gedenkdienst) zu erhöhen?

a.    Wenn nein, warum nicht?

b.    Wenn ja, um wie viel wird die individuelle Förderung pro Freiwilligem/Freiwilliger zur deren Absicherung erhöht?

c.     Wenn ja, wann genau wird die Förderung erhöht?

5.    Planen Sie eine automatische Anpassung der Fördersumme an die Inflation?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn nein, warum nicht?

6.    Wie wird sichergestellt, dass konkret der Verein GEDENKDIENST weiterhin Freiwillige entsenden kann, ohne dass deren finanzielle Situation weiterhin prekär ist? (Bitte um Erläuterung)

7.    Sind Kürzungen bei den finanziellen Mitteln der Gedenkdienste geplant?

a.     Wenn ja, wann genau sind Kürzungen geplant?

b.    Wenn ja, wie hoch sind die geplanten Kürzungen?

c.     Wenn ja, welche Vereine sind dadurch in welchem Ausmaß betroffen und warum?

8.    Gedenkdienstleistende sind de facto darauf angewiesen, dass sie von ihre Familien finanziell unterstützt werden oder auf Erspartes zurückgreifen müssen, wenn sie ihren Freiwilligen-Dienst im Rahmen ihrer Entsendung leisten. Einige kommen sogar verschuldet nach Österreich zurück. Für junge Erwachsene aus sozial schwachen Haushalten ist es umso schwieriger, Gedenkdienst zu leisten. Gedenken Sie, diese Situation zu verbessern?

a.     Wenn ja, wie? (Bitte um Erläuterung und konkretem Zeitplan)

b.    Wenn nein, warum nicht? (Bitte um Erläuterung)

9.    Welche finanziellen Mittel wären notwendig, um die soziale Absicherung aller Gedenkdienstleistenden, unabhängig vom Geldbörsel der Eltern, sozial abzusichern?

10. Welche Maßnahmen wird das Ministerium ergreifen, um SchülerInnen, Lehrlinge und StudentInnen über die Möglichkeit eines Gedenkdiensts im Rahmen der Trägervereine zu informieren? (Bitte um genaue Ausführung)

11. Wie hoch sind die Kosten dafür und aus welchen Budgetmitteln werden sie bezahlt? (Bitte um genaue Aufstellung)

12. Aus welchem Grund fordert die zuständige Abteilung im BMASGK von den ehrenamtlich tätigen Gedenkdiensten den überbordenden administrativen Mehraufwand?

a. Ist geplant, den administrativen Aufwand für die Gedenkdienstleistenden zu minimieren? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?

 

 

 



[1] Für den Jahrgang 2016/2017 sollten noch die bisherigen Förderbedingungen gelten

[2] Die individuelle Förderung pro Freiwilligem/Freiwilliger soll die Versicherungsbeiträge. Visa-Kosten, Miete, Verpflegung und Reisekosten decken

[3] Dazu gehört etwa, wie der Förderungsvertrag vorsieht, dass die Trägerorganisationen jährlich eine neue Förderung der Gedenkdienstleistenden beim BMASGK beantragen müssen, auch müssen alle langjährigen Einsatzstellen erneut anerkannt werden. Außerdem müssen im Zusammenhang mit dem Qualitätssicherungskonzept und der Anerkennung als Trägerverein Nachweise erbracht werden und ein jährlicher Endbericht erstellt werden.

[4] Ersterer betreut zur Zeit rund 20 Personen, gesamt gibt es etwa 60 Gedenkdienstleistende. Der Verein "Niemals Vergessen" hat schon am 4. Februar 2017 seine Tätigkeit eingestellt, da dieser die neuen Rahmenbedingungen nicht bewerkstelligen konnte.

[5] „Träger eines Gedenk-, Friedens- und Sozialdienstes im Ausland müssen aufgrund von Reisekosten, (Zusatz-)Versicherungen der Teilnehmer/innen, Mobilitätskosten am Einsatzort, Unterbringungskosten, Impfungen und Prophylaxen sowie Einreise und Aufenthaltsgenehmigungen mit Mehrkosten rechnen. Um diesen Personen einen Auslandsfreiwilligendienst zu ermöglichen, sollen Kosten bis zu einer Höhe von 1.200.000 € durch den Bund getragen werden." (NR: GP XXV IA 2308/A, Begründung zu Art.

1, Z. 2)

[6] BGBl. I Nr. 156/2017, Bundesgesetz zur Förderung von freiwilligem Engagement (Freiwilligengesetz- FreiwG

[7] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/969730 Der Gedenkdienst-stellt-seine-Taetigkeit-ein.html, abgerufen am 11. Juni 2018