1011/J XXVI. GP

Eingelangt am 11.06.2018
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Petra Wimmer, Birgit Sandler

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend Nationaler Aktionsplan Behinderung (NAP) und weitere Maßnahmen

 

Im Bericht der Volksanwaltschaft an den Nationalrat und an den Bundesrat 2017 zur Kontrolle der öffentlichen Verwaltung stellte die Volksanwaltschaft im Kapitel 2.2.1.2. u.a. folgendes fest:

 

„Die Bandbreite der Probleme, mit denen sich Menschen mit Behinderung auseinandersetzen

müssen, ist groß. Dies wurde auch in der jüngsten öffentlichen Sitzung des Monitoringausschusses durch Schilderungen von Betroffenen gezeigt. Gleichberechtigung, Beseitigung von Barrieren, Selbstbestimmtheit und Inklusion sind für Menschen mit Behinderung immer noch bei Weitem nicht verwirklicht. Stattdessen werden Betroffene oft in die Rolle von Bittstellern gedrängt.

 

Aus diesem Grund hat sich die VA gemeinsam mit dem Behindertenanwalt des Bundes, dem Monitoringausschuss und der Zivilgesellschaft medial an die neue Bundesregierung gewandt und fünf zentrale Forderungen für Menschen mit Behinderung formuliert.

 

1. Faire Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Um die Arbeitslosigkeit um zumindest 20 % bis 2020 zu reduzieren, sollten „Menschen mit Behinderungen“ beim AMS als eigenständige Zielgruppe von spezifischen Förderprogrammen anerkannt werden. Überdies forderte die VA Reformen, um Probleme im Zusammenhang mit der verfrühten Feststellung von Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen.

 

2. Lohn statt Taschengeld

Rund 23.000 Menschen in Österreich, deren Minderung der Erwerbsfähigkeit unter 50 % eines nicht behinderten Menschen liegt, sind in einer Tagesstruktur oder Werkstätte beschäftigt. Diese Einrichtungen bekommen Kostenersätze aus öffentlichen Mitteln, während Menschen mit Behinderung oft völlig unabhängig vom Umfang und der Komplexität ihrer Arbeitsleistungen lebenslang nur ein Taschengeld von durchschnittlich ca. 65 Euro pro Monat beziehen. Das mittelfristige Ziel muss sein, dass Menschen mit Behinderung von ihrer bezahlten Erwerbsarbeit leben können und ein Übergang vom derzeit niedrigen Taschengeld für die Tätigkeit in Beschäftigungswerkstätten hin zu einem Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt stattfindet.

3. Massiver Ausbau der Persönlichen Assistenz

Persönliche Assistenz ermöglicht es Menschen mit Behinderung, selbstbestimmt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen. Für die Bewältigung der Alltags- und Freizeitgestaltung wird die Persönliche Assistenz durch die Bundesländer zurzeit unter unterschiedlichen Voraussetzungen, in unterschiedlichem zeitlichen Umfang und divergierenden Selbstbehalten gewährt. Flächendeckend und bedarfsgerecht ausgebaut sind diese Angebote nicht. Die Leistungen sollten deshalb bundesweit einheitlich geregelt werden. Menschen mit Lernschwierigkeiten, die derzeit noch oft von solchen Angeboten ausgeschlossen sind, dürfen gegenüber körperlich beeinträchtigten Personen beim Zugang zur Persönlichen Assistenz nicht benachteiligt werden.

 

4. Inklusion auf allen Ebenen

Ein Leben inmitten der Gemeinschaft zu führen, ist ein Menschenrecht. Dass Menschen mit Behinderung in Sondereinrichtungen lernen, arbeiten oder leben müssen, steht diesem Recht diametral entgegen. Sondereinrichtungen sollten deshalb stufenweise abgebaut werden und gemeindenahes, individuell gestaltbares Wohnen ermöglicht werden. Der Mangel an Inklusion manifestiert sich auch im Bild der Öffentlichkeit von Menschen mit Behinderung als schutzbedürftige Fürsorgeempfängerinnen und -empfänger, die in speziellen Einrichtungen besser aufgehoben sind.

 

5. Nationalen Aktionsplan auch für die nächste Dekade zukunftsfit gestalten

Der Nationale Aktionsplan Behinderung (NAP) ist die Strategie des Bundes zur Umsetzung der UN-BRK und noch bis 2020 in Geltung. Eine Weiterführung des NAP 2020 – 2030 mit klaren Indikatoren und dafür zur Verfügung gestellten Mitteln könnte für Bund und Länder eine ideale Möglichkeit bieten, eine gemeinsame Positionierung in der Behindertenpolitik zu entwickeln. Leider ist dies bisher noch nicht erfolgt. Die meisten Bundesländer haben keinen eigenen NAP erarbeitet. Wesentlich wäre es auch, bei der Erarbeitung eines neuen NAP die Zivilgesellschaft besser einzubinden.“

 

Aus den hier dargelegten Gründen richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz nachstehende

 

 

Anfrage

 

1.      Wird ho. Ressort kurz- und mittelfristig, d.h. bis zum Auslaufen des aktuellen NAP, Maßnahmen hinsichtlich des in Punkt „1. Faire Chancen auf dem Arbeitsmarkt“ setzen? Wenn „ja“, welche und mit welchen Mitteln erfolgt deren Finanzierung? Wenn „nein“, weshalb nicht?

 

2.      Wird ho. Ressort kurz- und mittelfristig, d.h. bis zum Auslaufen des aktuellen NAP, Maßnahmen hinsichtlich des in Punkt „2. Lohn statt Taschengeld“ setzen? Wenn „ja“, welche und mit welchen Mitteln erfolgt deren Finanzierung? Wenn „nein“, weshalb nicht?

 

3.      Wird ho. Ressort kurz- und mittelfristig, d.h. bis zum Auslaufen des aktuellen NAP, Maßnahmen hinsichtlich des in Punkt „3. Massiver Ausbau der Persönlichen Assistenz“ setzen? Wenn „ja“, welche und mit welchen Mitteln erfolgt deren Finanzierung? Wenn „nein“, weshalb nicht?

 

4.      Wird ho. Ressort kurz- und mittelfristig, d.h. bis zum Auslaufen des aktuellen NAP, Maßnahmen hinsichtlich des in Punkt „4. Inklusion auf allen Ebenen“ setzen? Wenn „ja“, welche und mit welchen Mitteln erfolgt deren Finanzierung? Wenn „nein“, weshalb nicht?

 

5.      Strebt ho. Ressort im Zusammenhang mit Punkt „5. Nationalen Aktionsplan auch für die nächste Dekade zukunftsfit gestalten“ eine bislang nicht erfolgte gemeinsame Positionierung zwischen Bund und Ländern an? Wenn „ja“, welche Maßnahmen wurden bislang hierzu gesetzt bzw. wann werden welche vorangetrieben und mit welchen Mitteln soll deren Finanzierung erfolgen?

 

6.      Wie bezieht ho. Ressort Stellung zur Anmerkung der VA, dass die meisten Bundesländer bislang keinen NAP erarbeitet haben?

 

7.      Welche Bundesländer haben bereits einen NAP erarbeitet und wie bewertet ho. Ressort diese im Hinblick auf die zu erarbeitende gemeinsame bundesweite Position?

 

8.      Gibt es in ho. Ressort bereits Pläne bzw. Aktivitäten zur verstärkten Einbindung der Zivilgesellschaft und relevanter NGOs im Zusammenhang mit der Erarbeitung des NAP 2020-2030? Wenn „ja“ welche, wenn „nein“, weshalb nicht bzw. wie gestaltet sich der Zeitplan im Hinblick auf die Erarbeitung des NAP 2020-2030?