1588/J XXVI. GP

Eingelangt am 05.09.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz

 

betreffend NÖGKK, bewusste Versicherten-Verunsicherung, Sparen bei den Versicherten, Interessenskonflikte

Ausgabenbremse

Laut § 716 ASVG dürfen im Zuge der Kassenfusionen keine Verträge abgeschlossen werden, bei denen das Honorarvolumen stärker steigt als das prognostizierte Beitragswachstum. Aktuell wird von der SV ein Beitragswachstum von über 4% prognostiziert. Gleichzeitig existiert seit 2013 eine allgemeine Ausgabengrenze für die Krankenkassen, die die Ausgaben bis 2021 auf 3,2% beschränken soll. Die Ausgabenbeschränkung auf 3,2% (Finanzzielsteuerung) wurde im Rahmen einer Pressekonferenz (Alpbach, 20.08.2018) von der SV (Biach) und Landesrät_innen (Drexler, Hacker, Prettner, Tilg) noch einmal besonders lobend hervorgehoben (siehe Presseunterlage). Es ist nun nicht ganz nachvollziehbar, weshalb die SV (Biach) die die Finanzzielsteuerungs-Ausgabengrenze von 3,2% lobt und gleichzeitig das Honorarlimit (4,0%) kritisiert. Aber wie so oft in der SV, verstrickt man sich auch hier in Widersprüchen. In einzelnen Kassen nehmen diese Widersprüche sogar ein außergewöhnliches Ausmaß an, wie die NÖGKK erst neulich bewiesen hat.

http://www.hauptverband.at/cdscontent/load?contentid=10008.660152&version=1534755762

Bewusste Inkontinenzwindel-Panikmache in der NÖGKK, um über Sparprogramm der letzten Jahre hinwegzutäuschen

Vor kurzem beklagten sich der NÖGKK-Obmann Hutter und NÖGKK-Direktor Pazourek in der "Wiener Zeitung" ("Ausgabenbremse trifft Inkontinenz-Patienten", 17.8.2018), dass sie aufgrund der SV-Ausgabenbremse keinen Vertrag bezüglich Inkontinenzwindeln abschließen könnten. Grund: der neue Vertrag würde ein Ausgabenwachstum über den Beitragssteigerungen (Honorarlimit) verursachen.

Artikel in der "Wiener Zeitung" (WZ), "Ausgabenbremse trifft tausende Inkontinenz-Patienten": https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/983023_Ausgabenbremse-trifft-Tausende-Inkontinenz-Patienten.html

Blickt man in die Geschäftsberichte der NÖGKK, bekommt man jedoch bezüglich Inkontinenzwindeln den Eindruck, dass die NÖGKK-Verantwortlichen mit einer bewussten Verunsicherungsaktion über das Sparen bei den Versicherten hinwegtäuschen wollen.

Ausgaben und Stückpreise für Inkontinenzwindeln steigen kaum

Denn den Geschäftsberichten nach, betrugen die Ausgabensteigerungen bei Inkontinenzwindeln von 2016 auf 2017 nur 1,6%, während die Beitragseinnahmen doppelt so stark stiegen (+3,2%). Aufgrund der leicht erhöhten Patientenzahl (+1,0%) sind die Stückpreise bei Inkontinenzwindeln gar nur um 0,5% gestiegen.

Stückpreise fallen mit steigender Zahl an Heilbehelfen, auch in der NÖGKK…

Betrachtet man sämtliche Heilbehelfe der NÖGKK, sind die Stückpreise im Schnitt sogar um -1,2% gefallen, was dafür spricht, dass eine steigende Zahl an betroffenen Patient_innen (+2,9%) auch in der NÖGKK zu Stückpreissenkungen bei Heilbehelfen führt.

=> Weshalb die NÖGKK-Verantwortlichen jetzt damit argumentieren, dass trotz steigender Abnahmemenge an Inkontinenzwindeln keine Preisnachlässe ausverhandelt werden können, ist nicht nachvollziehbar.

 

NÖGKK: Offensichtlich seit längerem massives Sparprogramm bei Heilbehelfen und Hilfsmitteln

Die Panikmache der NÖGKK-Verantwortlichen bezüglich Honorarlimit (Beschränkung der Ausgaben mit Beitragswachstum) wird noch weniger nachvollziehbarer, wenn man sich den gesamten Leistungsausgaben-Bereich „Heilbehelfe und Hilfsmittel“ ansieht. Während die Beitragseinnahmen zwischen 2010 und 2017 um 28,5% gestiegen sind, hat die NÖGKK bei „Heilbehelfen und Hilfsmitteln“ nur um 15,1% mehr ausgegeben.

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Auch bei weiteren Leistungsausgabenpositionen kürzt NÖGKK offensichtlich massiv

Betrachtet man auch andere Leistungsausgabenbereiche, tun sich Abgründe auf. Denn seit 2010 steigen die Beiträge stärker als die Ausgaben in den meisten Leistungsbereichen und die Leistungsausgaben insgesamt. Weshalb von der NÖGKK vor dem befristeten Honorarlimit gewarnt wird, ist deshalb nicht nachvollziehbar. Dass man einfach von einem langjährigen Sparprogramm ablenken will, ist der wahrscheinlichste Grund.

Für ärztliche Ausgaben (Ärzte und Zahnärtze) stiegen die Vertragsarztkosten zwischen 2010 und 2017 um 27,6%, während die Wahlarztkosten um 44,8% angewachsen sind.

Bei „Arzneimitteln“ stiegen die Ausgaben seit 2010 lediglich um 19,4% (Rabatte aus Pharmarahmenvertrag noch nicht abgezogen). Im Leistungsbereich „Medizinische Hauskrankenpflege“ und „Mutterschaftsleistungen“ kann man überhaupt nur eine Steigerung von 9,6% bzw. 6,8% beobachten. Zudem ist kurios, dass die einkommensabhängige Leistung „Krankengeld“ nicht entsprechend der Beiträge von „pflichtversicherten Erwerbstätigen“ (Indikator für Einkommensentwicklung) mitsteigt. Der unterdurchschnittliche Ausgabenanstieg der Positionen „Fahrtspesen und Transportkosten“ belegt zudem die laufende Kritik des Rettungswesens, dass die NÖGKK bei der Abgeltung von Rettungstransporten bevorzugt spart.

NÖGKK: Beiträge steigen stark, Ausgaben für Patienten weniger => massiver Gewinnsprung

Wenn man sich die Entwicklung des „Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit“ der NÖGKK ansieht, ist ein extrem starker Gewinnsprung erkennbar. Nun hat die NÖGKK laut ASVG keinen Gewinnerzielungszweck. Wenn aber laufend Gewinne anfallen, sollte man meinen, dass man 1) nicht unnötig zu Lasten der Versicherten spart oder 2) sich zumindest dafür einsetzt, dass die Beiträge für Versicherte der NÖGKK gesenkt werden. Als dritte Möglichkeit könnte sich die NÖGKK dafür einsetzen, dass die NÖ Beitragsgelder nicht am laufenden Band über Regional- und Liquiditätsausgleich nach Wien fließen, um dort die Ineffizienz der WGKK und Wiener Überversorgung zu finanzieren. Der Rechnungshof hat beide Ausgleiche in Bericht BUND 2016/3 kritisiert.

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Interessenkonflikt: Verträge zwischen NÖGKK und der Wirtschaftskammer

Hochinteressant ist, dass die NÖGKK-Veranwortlichen im Beitrag der "Wiener Zeitung" bedauern, dass sie im Rahmen des Inkontinenzwindel-Vertags entsprechende Verträge mit der Wirtschaftskammer nicht abschließen können. Da Wirtschaftskammerfunktionäre in den NÖGKK-Gremien sitzen, schreit das nach einem gewaltigen Interessenkonflikt.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Weshalb kritisiert man von Seiten der Sozialversicherung bzw. NÖGKK das Honorarlimit (Beschränkung mit dem 4%-igen Beitragswachsutm) und lobt gleichzeitig die Ausgabenbremse der Finanzzielsteuerung (bis 2021: 3,2%) (Presseunterlage Alpbach)?

2.    Weshalb sind in der NÖGKK die Aufwände für "Inkontinenzwindeln" 2017 mit 1,6% deutlich unter dem Beitragswachstum (3,2% - fiktives Honorarlimit, falls es dieses bereits 2017 gegeben hätte) angestiegen?

a.    Weshalb geht man in der NÖGKK von stark steigenden Inkontinenzwindel-Ausgaben aus, obwohl in diesem Ausgabenbereich zuletzt (2017) die Patientensteigerungen (1,0%) und Ausgabensteigerungen (1,6%) deutlich unter dem Beitragswachstum (3,2%) lagen?

b.    Weshalb hat die NÖGKK für den neuen Inkontinezwindel-Vertrag, trotz steigender Abnahmemenge, keine Stückpreisreduktion zustandegebracht hat (in der "WZ" ist von einer Tariferhöhung die Rede)?

c.    Weshalb hat die NÖGKK bei den anderen Heilbehelfen im Schnitt eine Stückpreisreduktion von 1,2% zustande gebracht und beim neuen Inkontinenzwindel-Vertrag offensichtlich nicht?

                                  i.    Liegen freundschaftliche bzw. verwandtschaftliche Verhältnisse zwischen NÖGKK-Verantwortlichen und den Inkontinenzwindel-Anbietern vor?

d.    Dient die Inkontinenzwindel-Panikmache lediglich dazu, um über das massive NÖGKK-Sparprogramm der letzten Jahre bei Inkontinenzwindeln und in zahlreichen Leistungsbereichen hinwegzutäuschen?

3.    Weshalb sind in der NÖGKK die Aufwände für "Heilbehelfe und Hilfsmittel" zwischen 2010-2017 mit 15,1% deutlich unter dem Beitragswachstum (28,5%) angestiegen?

4.    Die "Wiener Zeitung" schreibt, dass im Rahmen des neuen Inkontinenz-Vertrages ein Vertrag zwischen "Wirtschaftskammer" und "NÖGKK" geschlossen werden muss:

a.    Was beinhaltet dieser Vertrag genau?

b.    Wer profitiert durch diesen Vertrag, in welcher Höhe?

c.    Wer hat durch diesen Vertrag einen Nachteil, in welcher Höhe?

d.    Liegt bei diesem Vertrag nicht ein deutlicher Interessenkonflikt vor, da WK-Funktionäre in NÖGKK-Gremien sitzen und gleichzeitig Verträge mit ihrer „Mutterorganisation“ (WK) bewilligen?

                                  i.    wenn nein, weshalb nicht?

                                ii.    wenn ja, was sind die Konsequenzen?

 

5.    Weshalb sind in der NÖGKK die Aufwände für "Vertragsärzte" zwischen 2010-2017 mit 27,6% unter dem Beitragswachstum (28,5%) angestiegen?

6.    Weshalb sind in der NÖGKK die Aufwände für "Wahlarztrefundierugnen" zwischen 2010-2017 mit 44,6% über dem Beitragswachstum (28,5%) angestiegen?

7.    Wie hat sich in NÖ die Zahl der niedergelassenen Ärzt_innen seit 2010 entwickelt? (nach Allgemeinmedizin, Facharztwesen, Zahnarztwesen; getrennt nach Vertrags- und Wahl-Ärzt_innen)

8.    Weshalb sind in der NÖGKK die Aufwände für "Zahnärzte" und "Zahnersatz" zwischen 2010-2017 mit 13,7% deutlich unter dem Beitragswachstum (28,5%) angestiegen?

9.    Weshalb sind in der NÖGKK die Aufwände für "Medizinische Hauskrankenpflege" zwischen 2010-2017 mit 9,6% deutlich unter dem Beitragswachstum (28,5%) angestiegen?

10. Weshalb sind in der NÖGKK die Aufwände für "Krankengeld" zwischen 2010-2017 mit 19,9% deutlich unter dem Beitragswachstum (28,5%) angestiegen?

11. Weshalb sind in der NÖGKK die Aufwände für "Mutterschaftsleistungen" zwischen 2010-2017 mit 6,8% deutlich unter dem Beitragswachstum (28,5%) angestiegen?

12. Weshalb sind in der NÖGKK die Aufwände für "Fahrtspesen und Transportkosten" zwischen 2010-2017 mit 21,3% deutlich unter dem Beitragswachstum (28,5%) angestiegen?

13. Setzen sich die Verantwortlichen der NÖGKK aufgrund des stark gestiegenen Gewinne (EGT) dafür ein,...

a.    ...dass die Beiträge ihrer Versicherten gesenkt werden?

b.    ...dass die Beiträge im Land bleiben, und nicht in Form des vom Rechnungshof kritisierten Liquiditätsausgleichs und Regionalausgleichs an andere Kassen (in erster Linie WGKK) überwiesen werden müssen?

14. Die NÖGKK betreibt ziemlich offensichtlich bewusste Verunsicherungspolitik und benutzt das vorübergehende Honorarlimit nun als Sündenbock für ihr Sparprogramm der letzten Jahre. Laut "Wiener Zeitung" wird das von Ihnen genauso gesehen wird ("schäbige parteipolitische Methoden"):

a.    Haben Sie sichergestellt, dass § 716 ASVG von den Kassen, insbesondere der NÖGKK, vollinhaltlich verstanden wird?

                                  i.    wenn ja, weshalb blieb die Panikmache der NÖGKK-Verantwortlichen bisher ohne Konsequenzen?

                                ii.    wenn nein, weshalb nicht?

b.    Welche Konsequenzen erwarten die Verantwortlichen der NÖGKK, allen voran Obamann Hutter und Generaldirektor Pazourek?

15. Sind Ihnen als Aufsicht weitere bewusst gesetzte Verunsicherungsaktionen der NÖGKK-Verantwortlichen bekannt?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Mit Welchen Konsequenzen haben die Verantwortlichen zu rechnen?

 

16. Sind Ihnen als Aufsicht bewusst gesetzte Verunsicherungsaktionen von Verantwortlichen anderer Kassen bekannt?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Mit Welchen Konsequenzen haben die Verantwortlichen zu rechnen?