1665/J XXVI. GP

Eingelangt am 12.09.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Jarolim und GenossInnen

an den Bundesminister für Verfassung, Reform, Deregulierung und Justiz
betreffend die außerordentlich schwierige Situation für Gerichtssachverständige und Gerichtsdolmetscher sowie eine Brüskierung der Vertreter der Sachverständigen durch das Bundesministerium für Verfassung, Reform, Deregulierung und Justiz

Gut qualifizierte Gerichtssachverständige, die Richtern und Staatsanwälten zur Verfügung stehen und in vertretbarer Zeit ihr Gutachten liefern, sind eine der Voraussetzungen für eine funktionierende Justiz.

Die Situation für die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs ist seit längerem angespannt, war aber noch nie so schlecht wie unter der Bundesregierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Die großen Wirtschaftsstrafverfahren und Konkurse verschlingen einen beträchtlichen Teil des Budgets für Sachverständige und für die anderen oft sehr komplexen Materien wie z.B. den medizinischen Fachgebieten, fehlt dann umso mehr das Geld. Die ohnehin bescheidenen Honorare wurden seit 2007 nicht valorisiert. So bringt ein psychiatrisches Gutachten im Strafvollzug einschließlich aller Untersuchungen 195,40€. Angesichts der unzureichenden Bezahlung zeichnet sich auch immer mehr ein Nachwuchsproblem ab.

Angesichts dieser schwierigen Situation wäre es in höchstem Maß angebracht, dass sich die Spitzen der Justiz - allen voran der Bundesminister - mit den Problemen der Sachverständigen persönlich auseinandersetzen. Leider ist genau das Gegenteil der Fall. Vis. Prof. Dipl. Ing. Dr. Matthias Rant, Präsident des Hauptverbandes der allgemein beeideten und gerichtlichen zertifizierten Sachverständigen Österreichs, schreibt im Editorial des Heftes 2/2018 der Zeitschrift „Sachverständige“ folgendes:


„Bisher bildete ein Wechsel an der Spitze des Ressorts immer auch Anlass zu einem Gespräch auf höchster Ebene, in dem ich die Anliegen der über 9.000 Gerichtssachverständigen mit der jeweiligen Bundesministerin oder dem jeweiligen Bundesminister erörtern konnte.... Diesmal war alles anders. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte des Verbandes fand dieser Termin ohne die Anwesenheit des Bundesministers, des Generalsekretärs oder sonst eines leitenden Beamten des Hauses statt. Auf meine Bitte, einen Überblick über die Pläne und Ziele der Regierung in Bezug auf das Sachverständigenwesen zu geben, erklärte der Kabinettchef, er könne auf diese Frage nicht eingehen da das Regierungsprogramm erst koordiniert und mit dem Koalitionspartner abgestimmt werden müsse. Auf Nachfrage, wann man dazu etwas erfahren würde, wurde mir mitgeteilt, die konkreten Pläne und Ziele würden ,bis zum Ende der Legislaturperiode ‘ kundgetan. So geht das nicht!“

Natürlich spielt im gegebenen Zusammenhang die Tatsache eine Rolle, dass der gegenwärtige Justizminister die Zuständigkeit für die Justiz nach „Verfassung, Reformen und Deregulierung“ erst als vierte Materie zugewiesen bekommen hat. Die Hauptverantwortung für die dramatische Situation, die für den österreichischen Rechtsstaat aus dem ungelösten Problemen der Sachverständigen entstehen könnte und zum Teil schon da ist, tragen der Bundeskanzler und allenfalls der Bundesminister für Finanzen. Der Justizminister und sein Generalsekretär müssten zumindest ausreichend Willen zeigen, die Problematik und die Vertreter der Sachverständigen ernst zu nehmen. Dies war offenkundig bisher nicht der Fall.

Ähnlich berechtigte Unzufriedenheit wie bei den Sachverständigen herrscht offenbar auch bei den Gerichtsdolmetschern.

In einer Resolution an das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz formuliert der Österreichische Verband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Dolmetscher (ÖVGD) unter anderem folgende Kritik:

„Die Gebühren für Dolmetsch- und Übersetzungstätigkeiten, die nach dem Gesetz an die Kaufkraft anzupassen wären, wurden seit elf Jahren nicht erhöht (Kaufkraftverlust: 20%), während etwa die Gerichtsgebühren in dieser Zeit bereits viermal angehoben wurden; Gebührenbestimmungen und -auszahlungen erfolgen zögerlich und oft um Monate bis Jahre verspätet.

Gerichtsdolmetscher werden bei der Sicherheitskontrolle in Gerichtsgebäuden peinlich genau kontrolliert, während Gerichtsbedienstete, Rechtsanwälte, Notare, Berufsanwärter und Rechtspraktikanten davon ausgenommen sind; eine mehrfach zugesagte gleichartige Ausnahme wird den Gerichtsdolmetschern seit Jahren verweigert. “

 

Die Unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz nachstehende

Anfrage

1.    Warum waren Sie - ein einmaliger Fall seit 1945 - nicht bereit, die hochrangigen Vertreter der Amtssachverständigen zu einem Gespräch zu empfangen?

2.    Warum war der Generalsekretär des Bundesministeriums nicht bereit, die hochrangigen Vertreter der Amtssachverständigen zu empfangen?

3.    Wie ist es möglich, dass eine Bundesregierung Monate nach Veröffentlichung des Regierungsprogramms die Pläne und Ziele für ein wichtiges Sachgebiet nicht nennen kann und will?

4.    Riskiert die Bundesregierung dadurch nicht ernsthaft, dass schwerer Schaden für die Justiz entstehen könnte und das in sensiblen Bereichen es zu einer Verknappung der Verfügbarkeit hochqualifizierter Sachverständiger kommt?

5.    Kann dies - wie Amtssachverständigen-Präsident Dr. Matthias Rant im in der Begründung genannten Editorial befürchtet - den ordnungsmäßigen Ablauf gerichtlicher Verfahren, an dem neben den Sachverständigen auch Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie natürlich die Rechtssuchenden ein vitales Interesse haben, gefährden?

6.    Welche Schritte gedenken Sie zu setzen, um die dringenden Probleme, die von den Vertretern der Amtssachverständigen zurecht vorgebracht werden, zu lösen oder zumindest einer Lösung näher zu bringen?

7.    Wie rechtfertigen Sie die Tatsache, dass für Dolmetsch- und Übersetzungstätigkeiten die Gebühren seit elf Jahren nicht erhöht wurden, während etwa die Gerichtsgebühren in dieser Zeit bereits viermal angehoben wurden?

8.    Wie stehen Sie zur Forderung nach Aufhebung der Sicherheitskontrolle für Gerichtsdolmetscher durch Gleichstellung mit den übrigen in § 4 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) genannten Gruppen, für die schon jetzt eine Ausnahme besteht?