1669/J XXVI. GP

Eingelangt am 13.09.2018
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Claudia Gamon‚ MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen

an den/die Bundesministerin für Europa‚ Integration und Äußeres

betreffend Abkommen zwischen Österreich und Russland bezüglich gegenseitiger Hilfeleistung im Katastrophenfall

 

Laut Protokoll des 25. Ministerrates vom 22. August 2018 unterrichteten Sie an diesem Tag die anderen Regierungsmitgliedern über den geplanten Abschluss eines Abkommens zwischen Österreich und der Russischen Föderation. Inhaltlich geht es dabei um die Modalitäten der "freiwilligen Hilfeleistungen bei Naturkatastrophen oder technischen Katastrophen auf dem Hoheitsgebiet der Staaten der beiden Vertragsparteien und die Bedingungen der Zusammenarbeit bei der Prävention" (https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/I/I_00256/index.shtml).

Es ist selbstverständlich, dass eine Beziehung zwischen Russland und den anderen europäischen Staaten besteht und eine gewisse Kooperation allein schon aus geographischen Gegebenheiten notwendig ist. In der Einleitung zum genannten Abkommen heißt ist vom Bestreben "der Verfestigung der traditionell freundschaftlichen Beziehungen der Völker beider Staaten" die Rede. Das Abkommen ist zwar inhaltlich kein politisches, dennoch verfügt es über Aspekte, die eine politische Dimension haben.

Russland ist ein sehr schwieriger Partner in Europa. Seit der völkerrechtswidrigen der Annexion der Krim und angesichts der Rolle, die Russland im Konflikt in der Ostukraine, aber z.B. auch in Syrien spielt, hat die Europäische Union gute Gründe, ehemals freundschaftliche Beziehungen zu diesem Staat kritisch zu sehen. Wladimir Putin ist kein demokratischer Präsident. Eine verlässliche Zusammenarbeit mit Russland ist nur möglich, wenn es klare Schritte Russlands in Richtung Demokratie, Respekt der Minderheitenrechte, Meinungsfreiheit gibt. Dafür gibt es gegenwärtig keine Anzeichen. Putin gewinnt immer dann, wenn die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nicht mit einer Stimme sprechen und sich spalten lassen. Ein Beispiel dafür sind auch Russlands Bestrebungen nach bilateralen Abkommen mit EU-Staaten, die quasi an der Europäischen Union vorbei, direkt abgeschlossen werden.

Als Mitglieder der Europäischen Union haben wir eine Solidaritätsverpflichtung gegenüber den anderen Mitgliedern, die eine Grenze mit Russland teilen und durch den Ukraine-Konflikt notwendigerweise vorsichtiger geworden sind, als sie es vielleicht früher waren. Darüber hinaus gilt unsere erste Verpflichtung selbstverständlich dem Völkerrecht, das durch Russlands Annexion der Krim grob verletzt wurde. Es ist daher essenziell, dass wir die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union stärken und sie nicht durch bilaterale Maßnahmen schwächen.

Während Österreich natürlich jederzeit dazu bereit sein sollte, in Not geratenen Menschen egal welchen Landes im Falle von Natur- oder anderen Katastrophen zur Seite zu stehen, ist es fraglich, ob es dafür notwendig ist, den russischen Präsidenten mit einem solchen Abkommen zu beschenken.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Zwar erwähnen Sie in Ihrem Vortrag an den Ministerrat, dass das Abkommen aus Anlass der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Jahr 2014 zur Klarstellung eine österreichische Erklärung über den territorialen Geltungsbereich erfordert, jedoch ist im Text des Abkommens kein Hinweis darauf zu finden, dass Österreich und die Russische Föderation unterschiedliche Auffassungen davon haben, bis wohin das Hoheitsgebiet der Russischen Föderation geographisch reicht.
a) Wenn ohnehin eine Erklärung bezüglich dieser Angelegenheit gemacht wird, wieso ist der Umstand, dass Österreich die völkerrechtswidrig annektierte Krim nicht als russisches Territorium anerkennt, nicht auch im Abkommen (etwa durch eine Fußnote) kenntlich gemacht?
b) Haben Sie darauf hingewirkt, dass der Text des Abkommens einen solchen Hinweis enthält?
c) Wenn nein, warum nicht?

2.    Kooperation beim Katastrophenschutz ist an sich selbstverständlich eine positive Sache. Nun ist aber Russland das flächenmäßig größte Land der Erde mit einer der weltgrößten Armeen. Österreich hingegen verfügt zwar über viel Kompetenz im Bereich des Katastrophenschutzes, verfügt aber vergleichsweise über sehr beschränkte Mittel und würde sich selbst im Falle einer Naturkatastrophe, die es nicht selbst bewältigen kann, wohl zuerst an die Staaten der Europäischen Union wenden.
a) Welche Leistungen kann Österreich beim Katastrophenschutz in der Russischen Föderation zur Verfügung stellen, die nicht auch die russische Armee erbringen kann?
b) Welche Leistungen können russische Einsatzkräfte in Österreich erbringen, die nicht – bedingt durch die Solidaritätsklausel in den EU-Verträgen – in einem solchen Fall ohnehin von EU-Partnern erbracht würden?

3.    Ist Ihnen bekannt, ob Russland bilaterale Abkommen dieser Art auch noch mit anderen Staaten abgeschlossen hat oder abschließen möchte?
a) Wenn ja, um welche Staaten handelt es sich dabei?

4.    Das Abkommen sieht vor, dass das Bundesministerium für Inneres im Katastrophenfall sofort und direkt mit dem russischen Gegenüber Kontakt aufnehmen kann, um Assistenz anzufordern. Zwar spricht es auch davon, dass diplomatische Informationskanäle bedient werden sollen, jedoch sieht es nicht vor, dass das Außenministerium zuerst informiert werden muss. Ein Anruf beim Außenministerium würde in einem solchen Fall höchstens eine Minute dauern. Welchen Grund hat es, dass das BMEIA vor Anforderung von Assistenz durch einen so schwierigen Partner wie die russische Föderation nicht im Vorfeld informiert werden muss?

5.    Artikel 12 des Abkommens besagt, dass die Vertragsparteien einander über "Entstehungsrisiken von Katastrophen und deren möglichen Folgen, die sich auf das Hoheitsgebiet des Staates der anderen Vertragspartei auswirken können" informiert. Österreich ist geographisch gerade so weit weg von Russland, dass es unwahrscheinlich ist, dass eine Naturkatastrophe, bei der eine Assistenzleistung der anderen Partei helfen könnte, das Territorium beider Länder gleichzeitig auf eine Weise betreffen könnte, dass nur ein Staat davon weiß und somit auf die Warnung des anderen angewiesen ist. Bei technischen Katastrophen – wie etwa einer nuklearen Katastrophe – gibt es andere Abkommen, die eine Informationspflicht beinhalten, etwa das Übereinkommen über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen, bei dem sowohl Österreich als auch die Russische Föderation Vertragspartner sind. Bei technischen Katastrophen, die den Cyberbereich betreffen, müssten bei einer Kooperation aus Cybersecurity-Überlegungen heraus, eine Vielzahl von anderen Aspekten beachtet und geregelt werden, bevor man hier zusammenarbeiten kann. Für welche Szenarien genau ist also dieser Artikel 12 formuliert worden und welchen zusätzliche Wert bringt dieses Abkommen Österreich in den jeweiligen Szenarien?