1677/J XXVI. GP

Eingelangt am 14.09.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Hannes Jarolim, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend Hass, Verhetzung, Wiederbetätigung: Der braune Facebook-Sumpf
„auf der richtigen Seite der Donau“

Eine geschlossene Facebook-Gruppe mit über 17.000 Mitgliedern mit dem Namen „Ich wohne auf der richtigen Seite der Donau (21, 22 Bezirk)“ gibt Einblicke in die Abgründe der Online-Welt.

Das Besondere: Rassistische und sexistische Verhetzung sowie Beleidigungen sind an der Tagesordnung - und über 17.000 Mitglieder sehen tatenlos zu! Unter den Mitgliedern der Gruppe befinden sich Identitäre, Hooligans, Freidemokraten, aber auch BezirkspolitikerInnen.

Die Gruppe selbst gibt es anscheinend schon seit Jahren. Sie war auch bis vor Kurzem noch öffentlich zugänglich. Seit kurzem jedoch ist die Facebook-Gruppe nur noch für Mitglieder zugänglich. Um Mitglied zu werden muss man drei Fragen im Zuge der Beitrittsanfrage beantworten oder eine Einladung eines bereits bestehenden Mitgliedes erhalten.

Was ist aber nun Inhalt dieses braunen Sumpfes? Es werden beispielsweise Links des rechtskräftig verurteilten österreichischen Neonazis und Holocaustleugners Gerd Honsik geteilt. Auch wird das Neujahrsbaby Asel mit einer eierlegenden Assel verglichen - „bald wird gesäubert“ liest man - das Hauptthema sind Asylwerberlnnen.

Generell gilt in dieser Facebook-Gruppe: Geteilt wird alles, was den Zorn der Hater anstachelt.

So erklärt ein mitteilungsbedürftiges Mitglied seine besonderen Vorlieben: „Kreuz ist okay - solange Haken dran sind. Likes und unterstützende Kommentare Gleichgesinnter sind ihm sicher.

Ein weiteres Mitglied postet ein Bild von einem muslimisch aussehenden Mann und einem Hamster. Neben dem Mann ist zu lesen: „Das ist Hassan. Hassan wurde in Deutschland geboren. Hassan ist ein Deutscher.“ Neben dem Hamster steht: „Das ist Tapsy. Tapsy wurde in einem Aquarium geboren. Tapsy ist ein Fisch.“

Klar ist: Es geht um AusländerInnen in Österreich. So überrascht es nicht, dass Mitglieder der Gruppe mit türkischem Namen in unzähligen Postings angegriffen werden mit Aussagen wie: „Einen Tritt in den Arsch haben wir euch gegeben und weg wart ihr MuseIn“.

Doch was machen die Administratoren um dem Ganzen Einhalt zu gebieten? Nichts! Zwar steht auf der Seite der Gruppe, dass „Beleidigungen, Hasssprüche, Gewaltaufrufe, Rassistische [sic!] Aussagen, Kreditangebote, Spam und Werbung für andere Facebook-Seiten, (außer für den guten Zweck)“ nicht erwünscht sind und dass „Diskriminierungen, egal ob aus Gründen der sexuellen Orientierung, auf Grund des Geschlechts, der Rasse oder der Herkunft oder der politischen Meinung grundlegend abgelehnt werden.

Doch in Wahrheit entfernen die Administratoren die Links, Kommentare und Fotos nicht, sondern beteiligen sich sogar, obwohl sie auf der Informationsseite der Gruppe festhalten, dass sie sich „auf die menschenrechtlichen Grundlagen der Meinungsfreiheit, der Informationsfreiheit, der Pressefreiheit, des Zensurverbotes aktiv an den Diskussionen“ berufen und der Rechtsauffassung sind, dass „wir uns aktiv für die Verwirklichung von Menschenrechten wie Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit einsetzen und damit insoweit unter dem Schutz von UNO-Resolution 53/144 zum Schutz der Menschenrechtler stehen“.

Ein „Versuch“ der Administratoren die Mitglieder zur Räson zu bringen lautet in dieser Gruppe so: „Um diese von mir unterstützte Meinungsfreiheit in dieser Gruppe nicht zu gefährden, ersuche ich jedoch auf Inhalte zu verzichten, die österreichisches Strafrecht in Bewegung setzen kann. Ich weiß, es ist auch heute schwer, als Laie zu wissen was Recht ist (...) Dass man bei der freien Meinungsäußerung darauf Rücksicht nehmen muss, ist ein Sittenbild des Verfalls freier Meinung.

Ein Teil der furchtbaren Kommentare und Fotos wird zumindest nach einiger Zeit wieder gelöscht, allerdings nur aufgrund der Tatsache, dass ein paar Mitglieder dies bei Facebook melden und die Postings dokumentieren. Tausende Screenshots haben Mitglieder bisher gesammelt.

Was aber noch mehr schockiert: unter den Mitgliedern der Facebook-Gruppe befinden sich auch PolitikerInnen! Ein Mitglied ist beispielsweise Gerhard Klein (FPÖ). Er ist der stellvertretende Vorsitzende der Bezirksvertretung Donaustadt. Auch der blaue

Donaustädter Bezirksrat Lukas Mahdalik postet und kommentiert in der Gruppe. Ein weiteres Mitglied ist Toni Mahdalik, Wiener FPÖ-Klubobmann.

Aus Floridsdorf ist Karl Mareda, Bezirksvorsteher-Stellvertreter (FPÖ) Mitglied der Gruppe. Er ist wenig aktiv, wird aber immer wieder markiert. Und dann ist da noch die Freiheitliche Sabine Unger. Die Floridsdorfer Bezirksrätin ist aktiv auf der Seite der Gruppe. Sie teilt, postet und schimpft - und löscht nie, auch wenn jemand in den von ihr angezettelten Diskussionen eindeutig zu weit geht. Auch der FPÖ-Bezirksrat Paul Nemeth kommentiert Ungers Beiträge gerne.

Hier ein Auszug aus dem, von Mitgliedern gesammelten, Screenshot-Konvolut:

Ein Mitglied postete ein Bild von Adolf Hitler mit dem nationalsozialistischen Hakenkreuz, sowie dem Glückwunsch „HAPPY BIRTHDAY“.

 


Ein anderer User postete ein Bild von Adolf Hitler mit den Zusätzen: Vermisst seit
1945
- - Adolf. Bitte melde Dich! Deutschland braucht dich!“.

 

Weitere Mitglieder posteten „Ausseeee mit de Ausländer deine Ausländer Vorfahren gehören alle ins K  oder kommentierten einen Artikel über antifaschistische Proteste in Wien mit den Worten: „I warat glei für Flammenwerfer.


 

Kreuz ist ok, solange Haken dran sindkann man weiters lesen:

 

 

 

 

Sonstige weitere Widerlichkeiten in Verehrung des massenmordenden Schwerverbrechers Hitler finden sich zuhauf auf der ekelerregenden Plattform:


 

Dank der bisherigen Dokumentation andersdenkender Mitglieder der Plattform konnte der Wiener Landtags- und Gemeinderatsklub der SPÖ Anzeige erstatten und beantragte die Überprüfung der strafrechtlichen Relevanz von Facebook-Postings mit unzweifelhaft rechtsradikalem Inhalt an die Staatsanwaltschaft Wien.

Doch was danach kam sorgt für Unverständnis und Betroffenheit in juristischen Fachkreisen: Die Staatsanwaltschaft Wien hat von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen, zumal „kein Anfangsverdacht (§ 1 Abs 3 StPO) bestünde!“

Man muss kein/e Jurist/in sein, um zu erkennen, dass die Tatbestände der §§ 3 h, 3 g Verbotsgesetz und §§ 188, 282 Abs 1 und 283 StGB erfüllt sind und daher auch ein Anfangsverdacht vorliegt.

Alleine ein in der Facebook-Gruppe gepostetes Bild von Adolf Hitler vor dem rauchenden Schornstein einer Fabrik und der Schrift „Umso größer der Jude, desto wärmer die Bude“ ist eine Gutheißung und Verharmlosung des nationalsozialistischen Völkermordes an über sechs Millionen Jüdinnen und Juden.

BILD dazu

Betrachtet man diese Aktion nun aus juristischer Perspektive, so ergeben sich keine Argumente, warum der objektive Tatbestand der §§ 3 h, 3 g Verbotsgesetz und §§

188, 282 Abs 1 und 283 StGB nicht erfüllt sein soll. Die Tathandlung wurde öffentlich begangen, in dem der Kommentar in einer Facebook-Gruppe mit über 17.000 Mitgliedern geschrieben wurde.

Auch das gepostete Foto von Adolf Hitler mit dem nationalsozialistischen Hakenkreuz und dem Glückwünsch „HAPPY BIRTHDAY“ ist eine nationalsozialistische Wiederbetätigung. Eine verabscheuungswürdige Glorifizierung von Hitler, eigentlich ein Klassiker im Schulunterricht.

Indem ein Bild von Adolf Hitler mit den Zusätzen „Vermisst seit 1945 - Adolf. Bitte melde Dich! Deutschland braucht dich!“ von einem Mitglied, welcher auch als Verdächtiger in der Anzeige geführt wurde, gepostet wurde, kam es zu einer Betätigung im nationalsozialistischen Sinn. Denn der Verdächtige hat dadurch zweifelsfrei die Person Adolf Hitlers und dessen Leben gutgeheißen, was sohin das Tatbild der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn erfüllt. Indem der Verdächtige dadurch außerdem Hitlers Politik als nachahmenswert darstellte, hat er ein Verhalten gesetzt, welches geeignet war, zumindest eine der spezifischen Zielsetzung der NSDAP zu neuem Leben zu erwecken oder zu propagieren und solcherart zu aktualisieren.

Auch das Mitglied, welches den „Einsatz von Flammenwerfern“ wünschte, wurde als Verdächtige angeführt, denn die Forderung des Einsatzes von Flammenwerfern gegen flüchtende Menschen ist eine Forderung zu einer mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich zum Versuch des Mordes, zumindest aber der Körperverletzung oder der Gefährdung der körperlichen Sicherheit!

So versteht man unter Auffordern jede Äußerung, die unmittelbar dahin wirken soll, dass in zumindest einem anderen der Entschluss geweckt wird, einen Sachverhalt zu verwirklichen, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Auch wurde die Tathandlung für eine breitere Öffentlichkeit wahrnehmbar, indem die Äußerung in der besagten Facebook-Gruppe mit über 150 Mitgliedern gepostet wurde. Der objektive Tatbestand des § 282 Abs 1 StGB wurde somit erfüllt!

Auch die Meldestelle gegen Hass im Netz von ZARA (Zivilcourage- und Antirassismusarbeit) kam zu dem Schluss, die Postings und Kommentare „jedenfalls strafrechtlich zu prüfen“. Deren Urteil: „Die Straftatbestände umfassen im Wesentlichen die Verhetzung gemäß § 283 StGB, qualifizierte Beleidigungen gemäß § 115 iVm § 117 StGB sowie Übertretungen des Verbotsgesetzes, hier geht’s zumeist um die §§ 3h und 3g VerbotsG.“

Bei so offensichtlich begangenen Straftaten löst die lapidare Aussage der StA Wien, dass kein Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung durch die Postings bestünde, pure Fassungslosigkeit aus. Eine weitere Problematik ergibt sich zudem dadurch, dass den falschen Leuten ein Signal gegeben wird, ihren Hass ganz offenkundig ausleben zu können.

Und so stellt man sich die Frage wie es sein kann, dass im Jahr 2018 die Staatsanwaltschaft eine Aussage wie die oben zitierte und viele andere einfach als zulässig zu den Akten legt. Es liegt wohl nahe, dass eine politische Intervention die einzig denkbare Erklärung für diese fassungslos machende Erklärung war.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz nachstehende

Anfrage

1.    Wie erklärt sich das BMVRDJ die Einstellung des gegenständlichen Ermittlungsverfahrens? Werden Gründe für die Rechtfertigung der Einstellung gesehen und wenn ja, welche?

2.    Hat es im Verfahren eine Kontaktaufnahme zwischen der StA Wien und dem BMVRDJ gegeben und wenn ja, mit wem aller?

3.    Denkt das BMVRDJ Maßnahmen an, um in Zukunft Entscheidungen wie die gegenständliche Einstellungen zu verhindern?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn nein, warum nicht?

4.    Sind von seitens des BMVRDJ Maßnahmen geplant, um rassistischen Postings und Kommentaren im Netz entgegenzuwirken?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn nein, warum nicht?

5.    Kommentare und Postings werden von der Social Media Plattform Facebook
erst gelöscht, wenn Mitglieder dies melden. Plant das BMVRDJ eine
Veranlassung von oder Zusammenarbeit mit Facebook, um das Löschen rassistischer Postings bzw Kommentare zu beschleunigen?

a.            Wenn ja, welche?

b.            Wenn nein, warum nicht?

6.    Gibt es innerhalb des BMVRDJ Schulungen um RichterInnen und Staatsanwältlnnen auf das Thema „Rassismus im Netz“ zu sensibilisieren, um Unaufgeklärtheiten, wie sie der gegenständlichen Einstellung ganz
offensichtlich zugrunde liegen entgegenzuwirken?

a.            Wenn ja, welche?

b.            Wenn nein, warum nicht?