1683/J XXVI. GP

Eingelangt am 17.09.2018
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit‚ Soziales‚ Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend TGKK,Versicherten-Verunsicherung. Muss Honorarbremse als Sündenbock für jahrelanges Leistungskürzungsprogramm herhalten?

 

1) TGKK: leicht durchschaubare populistische Panikmache auf Kosten der Hospiz-Patient_innen statt "Pacta sunt servanda"

Tiroler Tageszeitung: „Die Ankündigung der Tiroler Gebietskrankenkasse, Prestigeprojekte des Landes wie den Ausbau der Hospize oder die Entlastung der Spitalsambulanzen nicht mitfinanzieren zu wollen, hat gestern für Aufregung gesorgt.“

http://www.tt.com/politik/landespolitik/14739311-91/streit-um-kassen-millionen-in-tirol.csp

Begründet wurde der TGKK-Rückzug aus der Hospiz-Versorgung/Finanzierung mit der kürzlich beschlossenen, vorübergehenden Ausgabenbeschränkung, die neue Honorarverträge bis 2019 mit dem Beitragswachstum beschränkt (§ 716 ASVG). Aus dem Bundes-Budgetvoranschlag geht aber deutlich hervor (siehe unten), dass die Hospiz-Finanzierung bereits bei den Finanzausgleichsverhandlungen 2016 zwischen Bund, Ländern und SV vereinbart wurde, weshalb die Hospiz-Versorgung/Finanzierung nicht von der Ausgabenbremse betroffen sein kann. Mit der künstlichen Aufregung der TGKK bezüglich Hospiz-Versorgung/Finanzierung, scheint man sich daher aus dieser Vereinbarung verabschieden zu wollen. Während sich Bund und Länder an die FAG-Vereinbarung halten - Pacta sunt servanda“. Davon abgesehen, dass sich die TGKK nicht an getroffene Vereinbarungen hält, sorgt sie mit ihrer populistischen Aktion für Versicherten-Verunsicherung.

 

/download/attachments/26284425/image2018-9-10_12-27-26.png?version=1&modificationDate=1536575246655&api=v2

Quelle: https://service.bmf.gv.at/BUDGET/Budgets/2018_2019/bfg2018/teilhefte/UG21/UG21_Teilheft_2018.pdf


2) Honorarbremse muss als Sündenbock für jahrelanges Sparen an Patient_innen und Vertragsärzt_innen herhalten

Da die TGKK im vertraglichen Bereich (ärztliche und gleichgestellte Leistungen) seit Jahren keine Honorar-Abschlüsse zulässt, die über dem Beitragseinnahmen liegen, ist der Vorwurf gegenüber Ausgabenbremse noch weniger nachvollziehbarer. Der Verdacht, dass die TGKK-Theatralik populistisch motiviert ist, erhärtet sich aber.

Im Detail bedeutet das, dass die Ausgaben für Vertragsärzt_innen (+28%), Arzneimittel (+27%), Mutterschaftsleistungen (+25%), Heilbehelfe (+8%), Jugenduntersuchungen (-37%) und Krankentransporte (+16%) zwischen 2010 und 2017 deutlich langsamer stiegen als die Beitragseinnahmen (+32%). Folglich gab es durch das drastische Leistungskürzungsprogramm einen krärtigen Gewinnsprung (+75%).

Alles in allem kann man davon ausgehen, dass die TGKK für das jahrelange drastische Leistungskürzungsprogramm nun die vorübergehende Ausgabenbremse (Honorarbremse) als Sündenbock missbraucht.

 

/download/attachments/26284425/image2018-9-10_12-27-44.png?version=1&modificationDate=1536575264094&api=v2

3) Massiver Erklärungsbedarf: Wenn "Therapie aktiv" mühelos hochgefahren werden kann, wieso dann nicht die im FAG vereinbarte Hospizversorgung?

Interessant wird es, wenn man im TGKK-Geschäftsbericht nachließt. Darin gibt die TGKK offen zu, dass man das DMP „Therapie Aktiv“ (Strukturierte Versorgung der „Volkskrankheit“ Diabetes) 2010 eingestampft hat. Keine andere GKK hat bei dieser DMP eine derart kurzsichtige Entscheidung getroffen. Denn das Programm ist in anderen Bundesländern seit mehr als einem Jahrzehnt äußert erfolgreich und bringt pro Teilnehmer_in jährliche Einsparungen von mehr als 800 Euro, bei besserer Lebensqualität – siehe Evaluierungsbericht "Therapie aktiv" (Jänner 2015). Nun hat man zumindest dieses DMP 2017 auch in der TGKK wieder reaktiviert, und sogar völlig problemlos. Gleichzeitig war auch ein Hochfahren der Hospizversorgung vorgesehen (2017-2021, laut FAG-Vereinbarung). Im Gegensatz zur Diabetes-DMP (2017), gibt es aber hier angeblich Probleme mit der erst 2018 beschlossenen "Ausgabenbremse" (§ 716 ASVG). Folglich kann man auch an diesem Beispiel aufzeigen, dass die TGKK-Argumentation nicht schlüssig ist und wohl mit ziemlicher Sicherheit populistisch motiviert ist.

 

Evaluierungsbericht "Therapie aktiv" (Jänner 2015):

https://www.therapie-aktiv.at/cdscontent/load?contentid=10008.649643&version=1519316820

 

Aus dem Geschäftsbericht der TGKK

/download/attachments/26284425/image2018-9-10_12-28-34.png?version=1&modificationDate=1536575314906&api=v2

Quelle: https://www.tgkk.at/cdscontent/load?contentid=10008.657484&version=1530266052

 

Teilnehmer bei „Therpie aktiv“ nach Bundesländern

/download/attachments/26284425/image2018-9-10_12-28-13.png?version=1&modificationDate=1536575293699&api=v2

Quelle: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/AB/AB_00770/imfname_702989.pdf

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Die Honorarbremse begrenzt die Honorarsteigerungen vorübergehend mit den KV-Beitragseinnahmensteigerungen. Letztere werden vom Hauptverband für 2018 mit über 4% prognostiziert. Die Arbeitslosigkeit war in Tirol im Bundesländervergleich am geringsten (3,3%) und sank zuletzt auch am stärksten (-15,7%).

a.    Wie hoch werden die Steigerungen bei Beitragseinnahmen für die TGKK prognostiziert (2018, 2019)?

                                  i.    Falls die Prognose unter dem KV-Schnitt liegt, wie lässt sich das mit der guten Arbeitslosenentwicklung in Tirol argumentieren?

b.    Wie hoch werden die Honorarsteigerungen für „Vertragsärzte und gleichgestellte vertragliche Leistungen“ für die TGKK prognostiziert (2018, 2019)?

                                  i.    Falls die Prognose über den Beitragssteigerungen liegt, wie lässt sich das mit den unterdurchschnittlichen Honorarsteigerungen im Bereich „Vertragsärzte und gleichgestellte vertragliche Leistungen“ seit 2010 (verglichen zu den Beiträgen) argumentieren?

 

2.    Weshalb stoppt die TGKK mit dem Argument "Ausgabenbremse" die Finanzierung der Hospizversorgung, wenn bereits 2016 für die FAG-Periode 2017-2021 eine Drittelfinanzierung zwischen Bund, Ländern und SV (zusammen 18 Mio. Euro jährlich) für die Hospizversorgung beschlossen wurde, womit diese gar nicht von § 716 ASVG betroffen sein kann?

3.    "Pacta sunt servanda": Die TGKK hält sich nicht an die Hopizvereinbarung (Bund, Länder, SV) aus den FAG-Verhandlungen.

a.    Liegen weitere Vereinbarungen vor, an die sich die TGKK nicht hält?

b.    Wenn ja, welche?

 

4.    Wie ist es der Argumentationslinie der TGKK (Hospizausbau wegen Ausgabenbremse nicht möglich) folgend möglich, dass die Wiedereinführung des DMP "Therapie aktiv" durch die TGKK in Tirol problemlos über die Bühne geht?

5.    Im Gegensatz zu den anderen Kassen, hat die TGKK bei der strukturierten Diabetesversorgung (Therapie aktiv) eine Entwicklung übersehen. Aktuell sind nur 288 Tiroler_innen in der strukturierten Diabetes-Versorgung "Therapie aktiv" eingeschrieben.

a.    Macht man die neu etablierte Diabetes-Versorgung im Ausgabenbremse-Debatte deshalb nicht zum Thema, weil es den TGKK-Verantwortlichen unangenehm ist, dass man in der Diabetes-Versorgung eine Entwicklung jahrelang übersehen hat?

b.    Wer ist dafür verantwortlich, dass "Therapie aktiv" 2010 in Tirol gestoppt wurde?

c.    Wie viel Einsparungsvolumen wurde nicht gehoben, weil man "Therapie aktiv" mehrere Jahre ausgesetzt hat?

d.    Wie viele Diabetiker_innen gibt es laut Schätzungen in Tirol?

e.    Aktuell sind 288 Tiroler_innen in "Therapie aktiv" eingeschrieben. Wieso schafft es die TGKK nicht, mehr Tiroler_innen in dieses erfolgreiche Programm (lt. Evaluierungsbericht) zu holen (sogar das kleine Brugenland hat mehr Teilnehmer_innen)?


f.      Mit wie vielen Teilnehmer_innen rechnet man in der TGKK bis 2020 bei "Therapie aktiv"? (Darstellung je Jahr)

6.    Die "Ausgabenbremse" soll die Ausgabensteigerungen von Honorarverträgen vorübergehend mit dem Beitragswachstum begrenzen, um auch bei zu fusionierenden Kassen (SV-Reform) die Verhandlungsmotivation aufrecht zu erhalten.

a.    Wieso beklagt man sich bei der TGKK über diese Begrenzung, wenn man bei den meisten Gebarungsbereichen ohnehin keine Ausgabenentwicklung über der Beitragsentwicklung beobachten kann?

b.    Sind Ihnen bezüglich der TGKK Vorgaben zu einer restriktiveren Ausgabenpolitik auf Kosten des Versichertenwohls bekannt (restriktive Vergabe bei bewilligungspflichtigen Leistungen, Medikamenten, Heilbehelfen,…)?

7.    Weshalb sind in der TGKK die Aufwände für "Vertragsärzte" zwischen 2010-2017 mit 28% unter dem Beitragswachstum (32%) angestiegen?

8.    Weshalb sind in der TGKK die Aufwände für "Wahlarztrefundierugnen" zwischen 2010-2017 mit 33% über dem Beitragswachstum (32%) angestiegen?

a.    Lagert man bewusst Patient_innen in den Wahlarztbereich aus?

b.    Plant man von Seiten der TGKK eine weitere Verlagerung von Patient_innen in den Wahlarztbereich?

c.    Hat man beim Erstarken des Wahlarztbereichs bewusst zugeschaut oder einfach eine Entwicklung übersehen?

9.    Wie hat sich in Tirol die Zahl der Vertragsärzt_innen und Wahlärzt_innen seit 2010 entwickelt? (nach Allgemeinmedizin, Facharztwesen, Zahnarztwesen; jeweils nach Vertrags- und Wahlärzt_innen)

10. Weshalb sind in der TGKK die Aufwände für "Zahnärzte" und "Zahnersatz" zwischen 2010-2017 mit 15% deutlich unter dem Beitragswachstum (32%) angestiegen?

11. Weshalb sind in der TGKK die Aufwände für "Arzneimittel" zwischen 2010-2017 mit 27% deutlich unter dem Beitragswachstum (32%) angestiegen?

12. Weshalb sind in der TGKK die Aufwände für "Heilbehelfe/Hilfsmittel" zwischen 2010-2017 mit 8% deutlich unter dem Beitragswachstum (32%) angestiegen?

13. Weshalb sind in der TGKK die Aufwände für "Jugenglichenuntersuchungen" zwischen 2010-2017 mit -37% deutlich unter dem Beitragswachstum (32%) gesunken?

14. Weshalb sind in der TGKK die Aufwände für "Mutterschaftsleistungen" zwischen 2010-2017 mit 25% deutlich unter dem Beitragswachstum (32%) angestiegen?

15. Weshalb sind in der TGKK die Aufwände für "Fahrtspesen und Transportkosten" zwischen 2010-2017 mit 16% deutlich unter dem Beitragswachstum (32%) angestiegen?

16. Setzen sich die Verantwortlichen der TGKK aufgrund des stark gestiegenen Gewinne (EGT) dafür ein,...

a.    ...dass die Beiträge ihrer Versicherten gesenkt werden?

b.    ...dass die Beiträge im Land bleiben, und nicht in Form des vom Rechnungshof kritisierten Liquiditätsausgleichs und Regionalausgleichs an andere Kassen (in erster Linie WGKK) überwiesen werden müssen?

17. Es ist offensichtlich, dass die TGKK-Verantwortlichen auf Kosten der Hospizversorgungsbedürftigen unbegründet Panikmache betreiben.

a.    Sind weitere Panikmache-Aktionen der TGKK-Verantwortlichen bekannt?

b.    Mit welchen Konsequenzen haben die TGKK-Verantwortlichen zu rechnen?