1715/J XXVI. GP

Eingelangt am 19.09.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Hannes Jarolim, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend Missbrauch und Vergewaltigung: ÖVP-Stadtrat auf Anklagebank

Weil er sich seit 2012 an mehreren Buben vergangen haben soll, muss sich Markus M., ein bis noch vor kurzem tätiger ÖVP-Finanzstadtrat aus dem Bezirk Gänserndorf, vor dem Straflandesgericht in Korneuburg verantworten. Die Anklage wirft dem Lokalpolitiker unter anderem schweren sexuellen Missbrauch, Vergewaltigung von Unmündigen sowie Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses vor. Der Mann bekennt sich nicht schuldig.

Die örtliche Pfarrgemeinde lobte den Ex-ÖVP-Politiker in höchsten Tönen wegen seiner „hohen moralischen Werte und seiner sozialen Ader“. Er habe sich ja schließlich jahrelang um die „Problemkinder“ der Stadtgemeinde gekümmert.[1]

Die Fürsorge und Anteilnahme des Stadtrats dürften jedoch nicht aus Nächstenliebe erfolgt sein: Laut Anklageschrift hätte der Beschuldigte Jugendliche regelmäßig mit dem Auto von der Schule abgeholt und in seine Wohnung gebracht, wo zahlreiche Polizeieinsätze infolge auffälliger Verhaltensweisen stattfanden. Der Umgang des Beschuldigten mit Minderjährigen sei hierbei "sehr ungezwungen und locker" gewesen: So wäre man etwa „nackt durch die Wohnung gegangen“ und hätte „zum Spaß gerauft und massiert“. Sexuelle Übergriffe hätte der Mann als "unabsichtliche Berührungen" im Zuge dieser Spielchen getarnt, so die Anklageschrift. Geschlechtliche Handlungen wären von den Jugendlichen aber auch zurückgewiesen worden, etwa indem die Hand des Finanzstadtrates weggeschoben wurde.

Im Jänner 2018 wurde der nunmehrige Ex-Stadtrat von einem heute 15-Jährigen angezeigt, diesen erstmals missbraucht zu haben, als er 9 Jahre alt war und zwar laut Anklage beginnend mit Entkleidung und Onanie über Oral- bis zum erzwungenen Analverkehr. Zuvor war das neunjährige Kind zwei bis drei Mal die Woche bei dem damaligen ÖVP- Lokalpolitiker zu Besuch gewesen, alleine mit ihm in der Wohnung, als dieser „Doktor-Spiele“ vorschlug und ihn hierzu ins Schlafzimmer trug.

Aus Angst, dass ihm keiner glauben würde, behielt das traumatisierte Kind das grauenhafte Geheimnis für sich. Nur seinem besten Freund vertraute er einmal an, dass ihn der Beschuldigte angegriffen habe. Er ging aber - so wie auch seine Freunde - weiterhin in die Wohnung des Ex-ÖVP-Lokalpolitikers und verbrachte dort auch ganze Nächte.

Dann kam es laut Anklage zum letzten massiven Vorfall. Der 14-Jährige hätte sich erkennbar verändert, hätte begonnen, gegen seine Umgebung aufzubegehren, seine Schulnoten hätten sich verschlechtert, er wäre aggressiv geworden und hätte Diebstähle begangen. Als er im September nach der Schule erneut nicht nach Hause kam, wandten sich seine Eltern an die Behörden. Da ihr Sohn jedoch keine belastenden Angaben machte, wurde der Angeklagte nur ermahnt.

Die Behörden wussten also seit geraumer Zeit, dass „Gerüchte“ über Missbrauch des Jugendlichen im Raum standen!

Am 25. Jänner 2018 wurde der 14-Jährige wegen diverser Diebstähle in der für ihn zuständigen Mittelschule einvernommen. Dabei entdeckten die Beamten auf seinem Mobiltelefon eine Nachricht an den Beschuldigten mit der Drohung, "zur Polizei zu gehen und alles, aber wirklich alles zu sagen". Erst hier brach der Schüler sein Schweigen.

Faktum ist, dass sich seit 2005 regelmäßig Burschen - in Gruppen von drei bis fünf und im Alter zwischen 8 und 17 Jahren - in der Genossenschaftswohnung des Beschuldigten aufhielten.

Schockierend ist, dass die renommierte Zeitschrift NÖN bereits 2014 über die Umtriebe des Politikers berichtete. Der Artikel „Halligalli beim Stadtrat?“[2], befasste sich bemüht mit Beschwerden aus der Nachbarschaft, wonach der Ex-Stadtrats seit sechs Jahren Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 17 Jahren praktisch permanent in seiner Wohnung unterbrachte und hierbei geraucht und getrunken sodass entsprechender Lärm verursacht wurde. Vielfach habe die Polizei deshalb anrücken müssen. Der damalige ermittelnde Chefinspektor meinte dazu: „Ich kenne den Stadtrat nicht und mir ist auch nichts davon bekannt.“

Medienberichten zufolge wandte sich sogar die Sozialsprecherin der niederösterreichischen Grünen, Amrita Enzinger, bereits 2006 an den VP- Bürgermeister. Besorgte Eltern hätten sie vermehrt angesprochen und ihr mitgeteilt, dass ein 30-Jähriger nur mit 10-14-Jährigen unterwegs wäre und sich als „Jugendbeauftragter“ ausgeben würde. Auch damals war bereits die Rede von Parties in der Wohnung des Politikers samt Vandalismus und Alkohol. Laut Grünen-Politikerin „interessierte dies den Stadtchef aber nicht.“[3]


Im Ergebnis ist festzuhalten, dass hier jemand jahrelang seine politische Macht ausnutzte und unter anderem Parteifreunde ganz offenbar massiv Augen zudrückten, zu Lasten von Kindern und Jugendlichen.

Die unterzeichnenden Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz nachstehende

Anfrage:

1.    Wann hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Ex-ÖVP-Politiker aufgenommen?

2.    Was war der Anlass für die Ermittlungen?

3.    Waren staatsanwaltschaftliche Behörden seit 2006 über Verdachtslagen bzw. mögliche Vergehen seitens des Ex-ÖVP-Politikers informiert?

a. Wenn ja, wann und was wurde unternommen?

4.    Gibt es eine Erklärung, warum bereits 2014 Behörden von möglichen Vergehen des Ex-Stadtrats wusste, dieser aber trotzdem noch mit Jugendlichen „arbeiten“ durfte?

5.    Sind seitens des BMVRDJ Maßnahmen geplant um bei ernsthaften Indizien über Missbräuche in so sensiblen Bereichen wie der Arbeit mit Jugendlichen bis zur Klärung der Verdachtslagen eine Trennung der Jugendlichen von der verdächtigen Peron zu erwirken und wenn ja, welche?

 

 


 



[1] „Vergewaltigung und Missbrauch: ÖVP-Stadtrat auf Anklagebank", www.kurier.at vom 27.08.2018.

[2] „Halligalli beim Stadtrat", www.noen.at vom 02.12.2014.

[3] „Missbrauch: Grüne warnte schon 2006 vor VP-Mann", www.heute.at vom 05.02.2018.