1716/J XXVI. GP

Eingelangt am 19.09.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Hannes Jarolim, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz
betreffend:
Sexuelle Beziehungen von Häftlingen im Forensischen Zentrum Asten

Die Spanierin Estibaliz Carranza hat 2008 und 2010 zwei Lebenspartner durch Kopfschüsse ermordet und deren Leichen im Keller des Hauses einbetoniert. Sie wurde 2012 zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt und in Medien aufgrund eines von ihr betriebenen Eissalons auch „Eislady“ genannt.

Im Forensischen Zentrum Asten/OÖ soll Frau Carranza seit August 2017 eine geheime Beziehung samt intimen Treffen mit einem Mithäftling geführt haben. Justizbeamten kam dieser Umstand zur Kenntnis, als sie im März 2018 einen Brief auf dem Computer des Mithäftlings fanden. Darüber hinaus informiert Estibaliz Carranza auch in einem von ihr verfassten Buch zu diesem Thema. Der Mithäftling soll sich wegen Mordversuchs und Brandstiftung bis voraussichtlich 2020 in Haft befinden.

Die Frage „Sexualität im Strafvollzug“ wird an sich weltweit auf unterschiedliche Art und Weise gelöst und zwar im Sinne der Gesamtverträglichkeit im Strafvollzug sowohl für Häftlinge als auch das Vollzugspersonal. Als alarmierend wird - wie im konkreten Fall - von Experten aber empfunden, wenn ohne Kenntnis des Personals und nicht in hierfür vorgesehenen Räumlichkeiten unter den sonst bestehenden Sicherheitsauflagen mit einer als hochgefährlich eingestuften Person intime Kontakte über alle Auflagen hinaus stattfinden können.

Im Jänner 2017 wurde Carranza von der Justizanstalt Schwarzau in das Forensische Zentrum Asten, eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher (§ 21 StGB) überstellt, wo es einen Männer- und einen Frauentrakt gibt. Obwohl in dieser Anstalt aufgrund der besonderen Gefährdungslage sexuelle Kontakte streng verboten sind, soll es laut dem Buch von Estibaliz Carranza in einer Kammer neben dem Fitnessraum zu Geschlechtsverkehr gekommen sein.

Markus Drechsler, Obmann der Plattform Maßnahmenvollzug und Chefredakteur der Zeitschrift „Blickpunkte für Menschen in Haft“, führte dazu aus:[1]

„.. .Natürlich muss es Lücken in der Beobachtung gegeben haben, aber es ist nicht möglich, dass der Beamte in der Tischlerei jedem die ganze Zeit auf die Finger schaut. Außerdem wurde die Möglichkeit wohl unterschätzt, dass sich so schnell Annäherungen ergeben würden.“


Es fragt sich also, wie es in einer Vollzugsanstalt mit geltenden hohen Sicherheitsvorschriften zu sexuellen Kontakten zwischen zwei in unterschiedlichen Trakten untergebrachten Insassen kommen konnte.

Im Buch von Estibaliz Carranza wird darüber hinaus über im „Maßnahmenvollzug“ bestehende massive Mängel geschrieben. Auch ExpertInnen berichten schon lange über massive Reformbedürftigkeit. Sogar das Justizministerium selbst erarbeitete unter Bundesminister Brandstetter 2015 eine Auflistung dringend notwendiger Änderungen, welche durch die Regierung Kurz jedoch völlig ignoriert wurden. Carranza nennt in ihrem Buch den Maßnahmenvollzug „Psychoknast“ und „härtestes Urteil nach der Todesstrafe“, welcher immer öfter von Gerichten verordnet wird.

Derzeit sind in Österreich 90 Frauen im Maßnahmenvollzug. 14 Therapieplätze gibt es im Forensischen Zentrum Asten für Frauen - 150 für Männer. Grundsätzlich gibt es aber zu wenig Hafträumlichkeiten um im Sinne von Insassen und Sicherheitspersonal das notwendige Abstandsgebot (also den Straf- vom Maßnahmenvollzug zu trennen) einzuhalten. Hierzu bräuchte es etwa für Männer und Frauen gesonderte Anstalten für jeweils den Straf- und für den Maßnahmenvollzug.

Das System des Maßnahmenvollzugs ist massiv verbesserungswürdig. Zwar steht im Regierungsprogramm, dass „die objektive, faire, unabhängige und zügige Verfahrensführung durch Gerichte und Staatsanwaltschaften höchste Priorität“ haben, die aktuell von der Regierung Kurz verordneten “Sparvorgaben“ stehen dazu aber in krassem Widerspruch.

Der Maßnahmenvollzug ist eine tickende Zeitbombe. Durch dramatisch überfüllte Justizanstalten und zu wenig Personal kommt es immer wieder zu tragischen Vorfällen, welche die Öffentlichkeit schockieren. Weder den Insassen, noch den StrafvollzugsbeamtInnen, noch der Gesellschaft ist damit geholfen. Es liegt im Aufgabenbereich der Regierung Kurz, endlich die entsprechende Finanzierung des von ExpertInnen erarbeiteten Maßnahmenvollzugspakets endlich umzusetzen und nicht nur vollmundige Ankündigungen zu verbreiten.

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz nachstehende

Anfrage:

 

 

1.    Wie konnte eine Liaison mit sexuellen Kontakten in einer Haftanstalt mit erheblichem Gefährdungspotenzial der Untergebrachten stattfinden?

2.   Was sind die Ergebnisse der angestellten Untersuchungen?

3.   Wie werden sexuelle Bedürfnisse im Straf- und Maßnahmenvollzug generell gehandhabt? Gibt es Maßnahmen zur Verbesserung dieses Systems und

a.    wenn ja, welche und

b.    wenn nein, warum nicht?

4.   Gibt es Maßnahmen zur Errichtung getrennter Maßnahmenvollzugsanstalten für Frauen und für Männer?

a.    Wenn ja, welche?

b.    Wenn nein, warum nicht?


5.   Im Buch von Frau von Carranza ist die Rede von nicht-videoüberwachten Räumen. Stimmt das?

a. Wenn ja, welche Räume sind das und welches Ziel wird mit dieser Regelung verfolgt?

6.    Sind von Seiten des BMVRDJ Maßnahmen geplant um der Justizwache durch hinreichende Personal- und Sachausstattung zu ermöglichen, sicherheitsrelevante Vorfälle besser zu verhindern?

7.    Wieviel Betreuungspersonal und Justitzwachebeamtlnnen werden für die Betreuung und Aufsicht der Maßnahmenuntergebrachten eingeteilt?

a)    Aufgeschlüsselt auf die Justizeinrichtungen, in denen Untergebrachte nach §§ 21/1 und 21/2 StGB angehalten werden.

b)    Aufgeschlüsselt auf die Untergebrachten selbst.

8.    Wie und durch wen werden die Untergebrachten im Forensischen Zentrum Asten auf den Abteilungen und in den Betreuungsbereichen (Werkstätten,..) betreut?

9.    Befinden sich in den Abteilungen, wo sich Untergebrachte aufhalten, auch Justizwachebeamtlnnen?

a.     Wenn Ja? In welchem Schlüssel zu den Fachdiensten (PsychologInnen, Psychiaterlnnen, Pflegepersonal, SozialarbeiterInnen)?

b.    Wenn Nein? Warum?

 

 



[1] https://kurier.at/chronik/oesterreich/geheimer-sex-was-geht-in-oesterreichischen-gefaengnissen-
vor/400112609