1744/J XXVI. GP

Eingelangt am 26.09.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Kai Jan Krainer,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend: Überraschungen beim informellen Ecofin 7.-8.9.2018

Sehr geehrter Herr Finanzminister!

Die aktuelle EU-Ratspräsidentschaft Österreichs im zweiten Halbjahr 2018 bietet für Österreich die Gelegenheit steuerrechtliche Themen auf Ebene der EU wesentlich voranzubringen und wichtige Vorhaben bis zum Dezember abzuschließen. Dazu zählen Harmonisierung der Körperschaftsteuerregelungen in der EU, es liegen Vorschläge zur gemeinsamen Bemessungsgrundlage aber auch zur digitalen Betriebsstätte vor und das Vorhaben eine Finanztransaktionssteuer einzuführen.

Von hohem Interesse war daher der informelle Ecofin am 7. und 8. September 2018 und die gewählte Themenauswahl. Im Vorfeld haben Sie die Digitalsteuer in den Mittelpunkt gebracht und sehr gute Gespräche, die Sie mit dem deutschen Finanzminister geführt hätten, erwähnt, sie würden die Chance des informellen Ecofin nutzen und dieses Thema in den Vordergrund stellen (APA vom 5.9.2018). Am Abend des ersten Sitzungstages berichtet die Pressemeldung der offizielle Eventpage[1] von einem „guten Start" des Treffens, und sie werden in der APA vom 7.9.2018 zitiert, dass Sie möglicherweise am 8.9.2018 eine überraschende Aussage zur Digitalsteuer verkünden könnten.[2]

Ihre Stellungnahme beim Doorstep-Interview am 8.9.[3] klingt etwas anders, weil Ihre Aussage am Vortag nicht darauf bezogen war, dass das Thema Digitalsteuer „vom Tisch" wäre, die Digitalsteuer war ein Hauptthema des Tages („vom Tisch" hingegen war die Finanztransaktionssteuer). Bemerkenswert ist allerdings das gemeinsame Doorstep-Interview des französischen und deutschen Finanzminister vom 8.9., in dem für die Beratungen des selben Tages in Aussicht gestellt wird, dass Frankreich, als Ergänzung zum Kommissionsvorschlag für die Digitalsteuer, eine Befristung dieser neuen Steuer vorgeschlagen werde.[4]

Als weitere „Überraschung" berichtet die APA 188 vom 6.9.2018, dass Sie sich als Finanzminister die Idee ausgedacht hätten, einen Ansteck-Pin mit der Aufschrift „Europe First" an alle teilnehmenden FinanzministerInnen zu verteilen[5].

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher nachstehende

Anfrage:

1.       Welche konkrete „Überraschung" zur Digitalsteuer wollten Sie am Samstag möglicherweise verkünden?

a.       Hatten Sie bereits am Freitag Signale, dass die Finanzminister von Deutschland und Frankreich einen neuen Vorschlag zur Digitalsteuer machen wollten?

b.       Hatten Sie inhaltliche Kenntnis der Vorschläge?

c.        Waren Sie überrascht, dass die Finanzminister von Deutschland und Frankreich am Samstagmorgen ein gemeinsames Doorstep-Inverview gegeben haben, in dem sie die Befristung der Digitalsteuer vorschlugen?

d.       War die „Befristung" der Digitalsteuer die „Überraschung" oder wollten Sie eine andere „Überraschung" verkünden?

e.       Haben Sie nach der Sitzung am Samstag eine „Überraschung" bekannt gegeben? Wenn nein: warum nicht? Wenn ja: welche?

2.       In der APA vom 8.9. mittags werden Sie mit der Aussage zitiert: „Wir haben uns gemeinsam darauf geeinigt, dass wir intensiv in den nächsten Monaten mit Zielsetzung bis Jahresende eine Entscheidung entwickeln.":

a.       Dem inhaltlichen Verständnis nach wollten Sie zum Abschluss der Sitzung eine Einigung verkünden, worin aber besteht die „Einigung" zu einem späteren Zeitpunkt erst eine Entscheidung treffen zu wollen?

b.       War beabsichtigt durch die Verwendung des Wortes „Einigung" zu der Tatsache, dass es keine inhaltliche Einigung gibt, sondern eine Entscheidung erst Monate später getroffen werden wird, der interessierten Öffentlichkeit einen „Erfolg" der Ratssitzung zu kommunizieren?

3.       In der APA vom 9.9. vormittags werden Sie mit der Aussage zitiert: „In einem Kraftakt ist es gelungen, in diesem Thema eine gemeinsame Linie aller Mitgliedsstaaten der europäischen Union zu finden":

a.       Dem inhaltlichen Verständnis nach dürfte es bei den Beratungen

unterschiedliche Positionen gegeben haben, die nach längerer Diskussion zu einer einheitlichen Linie oder einer Einigung zusammengeführt wurden. Worin bestand der „Kraftakt"?

b.     Bestand der „Kraftakt" darin, weil es keine inhaltliche Einigung gab, dass dann doch erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Entscheidung getroffen werden könnte?

4.        In der APA vom 9.9 vormittags werden Sie mit der Aussage zitiert: „Wir stellen damit sicher, dass es einen fairen Beitrag der digitalen Wirtschaft zum Steueraufkommen der einzelnen Staaten geben wird. " Dies bezieht sich auf die Übergangssteuer von 3% auf bestimmte Umsätze von im digitalen Geschäftsfeld global agierenden Konzernen, bis zu einem späteren Zeitpunkt durch die Verankerung der Regelung zu einer digitalen Betriebsstätte in der gemeinsamen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage eine langfristige Erfassung der Einkünfte aus digitalen Geschäftsmodellen zur Gewinnbesteuerung ermöglicht wird.

a.       Wenn eine 3%ige Umsatzsteuer die Gewinnsteuer vorläufig ersetzen und diese die in Österreich geltende Körperschaftsteuer von 25% abgelten soll, dann entspricht das einer Bemessungsgrundlage von 12% fiktiver Gewinn aus dem erzielten Umsatz. Liegen dem Ministerium Informationen aus konkreten Veranlagungsfällen oder Studien vor, dass den im Modell der Übergangssteuer erzielten Geschäftsumsätzen mehr als 4/5 Betriebsausgaben gegenüber zu stellen sind, bevor eine Gewinnbesteuerung vorgenommen werden könnte?

b.      Sind 5 Mrd. € EU-weit geschätzte Einnahmen aus den in der Übergangssteuer digital erfassten Geschäften ein „fairer Beitrag" global agierender Konzerne? Ist die Vermutung, dass bei einem 5 Mrd. € Steueraufkommen, die Umsätze EU-
weit bei 167 Mrd. € (5 Mrd. €: 3%) liegen plausibel? Liegen dem Ministerium die Grundlagen der Schätzungen der Kommission vor, die zur Berechnung dieses

5 Mrd. € Aufkommens geführt haben? Wie hoch sind die darin angenommen Bruttoumsätze aus den der Digitalsteuer unterliegenden Geschäften?

c.       Aus welchem Grund geben sie einer Übergangssteuer den Vorzug, die nur befristet anzuwenden wäre?

d.      Ist Ihnen bekannt, ab wann die Übergangssteuer in Kraft treten bzw. geht aus ihnen oder dem Ministerium vorliegenden Unterlagen der Kommission hervor wie viele Jahre sie in Kraft sein soll?

e.       Liegen dem Ministerium Schätzungen vor, wie hoch die Körperschaftsteuer­Einnahmen aus in Österreich erzielten Gewinnen der global agierenden Internetkonzerne wäre, würde das Konzept der digitalen Betriebsstätte zur Anwendung kommen? Wenn ja: wie hoch wäre das KÖSt-Mehraufkommen? Wenn nein: warum gibt es diese Schätzungen nicht, wo das Thema doch solche Priorität genießt?

5.   War die Finanztransaktionssteuer bei den Sitzungen dieses informellen Ecofin Thema?

a.       Wenn ja: in welchem Zusammenhang, wie ist der aktuelle Stand?

b.       Wenn nein: warum haben sie die Finanztransaktionssteuer nicht zum Thema gemacht?

c.        Wann hat die Gruppe jener Mitgliedstaaten, die das Modell der Finanztransaktionssteuer einführen wollen zuletzt getagt und wann ist der nächste Sitzungstermin vorgesehen?

6.       Der Ansteck-Pin mit der Aufschrift „Europe First" und der Umstand, dass nicht alle diese „Botschaft" übernommen haben, schadet dem Bild eines weltoffenen Österreich:

a.       Wer hatte die ursprüngliche Idee? Wenn Sie der Ideengeber waren, was wollten Sie Ihren Amtskollegen, den Vertretern der EU-Kommission bzw. den Gouverneuren der Nationalbanken damit sagen?

b.       Es dürften aber nicht alle an der Sitzung teilnehmenden Finanzminsterlnnen den Ansteck-Pin getragen haben. Wurde der Pin von Ihnen an alle FinanzministerInnen verteilt?

c.        Wie beurteilen sie die Ablehnung Ihrer AmtskollegInnen den Pin zu tragen?

d.       Aus welcher Budgetposition des Finanzministeriums wurden die Kosten für die Produktion und das Design des Ansteck-Pins bezahlt? (Bitte um Angabe des Kontos in der Untergliederung sowie eine Information, ob es aus dem laufenden Budget des Ministeriums oder aus dem gesonderten Budget für den EU- Ratsvorsitz bezahlt wurde).

e.       Wieviel hat die Produktion des Ansteck-Pins gekostet? (Bitte um getrennte Angabe für Design und Produktionskosten) Gab es dafür eine Ausschreibung?

f.         Wie viele Stück wurden produziert?

g.       Wie viele von den Ansteck-Pins hat das Ministerium nach der Tagung noch zur Verfügung?

h.       Haben Sie vor, bei den kommenden Sitzungen diese übrig gebliebenen
Ansteck-Pins nochmals zu verteilen?

i.         Ist Ihnen bekannt, ob andere Österreichische MinisterInnen diese Ansteck-Pins auch in anderen Ratsformationen verteilen werden?

j.     Welches global verbindende und nicht ausgrenzende Signal erwarteten Sie mit diesem Ansteck-Pin zu setzen?

7.       Wenden Sie in der Medienarbeit des Finanzministerium Elemente der sogenannten „message-control" an?

a.      Wenn ja: woher stammt das vom BMF verwendete „message-control"-Konzept? Wie viel wurde dafür vom Ministerium bezahlt? Wer waren die Berater?

b.     Sollten Sie „message-control" angewendet haben, wieso entschieden Sie sich im Vorfeld des informellen Ecofin eine möglicherweise „Überraschung" anzukündigen?

c.      Welchen Einfluss auf die „message-control" in der Medienarbeit des Finanzministeriums zum informellen Ecofin September 2018 hatten im Vorfeld möglicherweise angekündigte „Überraschungen", die dann im Nachhinein nicht kommuniziert wurden oder nicht eingetreten sind?

 

 



[1] https://www.eu2018.at/calendar-events/political-events/BMF-2018-09-07-lnformal-Ecofin.html

[2]  s. auch Video https://vimeo.com/album/5398574/video/288777799 zur Pressekonferenz im Anschluss an den Sitzungstag 7.9.2018

[3] https://vimeo.com/album/5398574/video/288849637

[4] https://vimeo.com/album/5398574/video/288850785

[5]  s. auch Video https://vimeo.com/album/5398574/video/288777799 zur Pressekonferenz im Anschluss an den Sitzungstag 7.9.2018