1757/J XXVI. GP

Eingelangt am 26.09.2018
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Kovacevic,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Wacker Innsbruck-Fans als willkommene „Trainingspartner“ einer Einsatzeinheit der Wiener Polizei?

 

Bekanntlich kam es am 26.08. am Rande des Meisterschaftsspiels des SK Rapid Wien gegen den FC Wacker Innsbruck zu einem von der „Faninitiative Innsbruck – Verein zur Förderung der Fußballfankultur“ veröffentlichten und von Medien zahlreich kolportierten (https://sport.oe24.at/fussball/fussball-national/bundesliga/wacker-innsbruck/Schwere-Vorwuerfe-gegen-Polizei/346605216, http://www.heute.at/sport/fussball/story/Wacker-Fans-mit-schweren-Vorwuerfen-an-Polizei-53433049, https://derstandard.at/2000086190719/Ihr-Woamen-ghoert-zammghaut-Wacker-Fans-ueber-Polizei-empoert, etc.) rechtsstaatlich nicht konformen Vorgehen einer für ähnliche Einsätze auch in der Vergangenheit bekannten Einheit der Wiener Polizei.

 

Die Chronologie des angesprochenen Sonntagsausflugs der Innsbrucker Fans nach Wien, bei dem eine Einsatzeinheit nicht zum ersten Mal als selbsternannter Reiseleiter auf Kosten des Steuerzahlers fungierte, ergeht äußerst treffend aus der Stellungnahme der Faninitiative Innsbruck im Originalwortlaut:

"Die Anfahrt per Bahn verlief ohne für uns relevante Zwischenfälle. Ab Ankunft in Wien sah man sich, wie erwartet, einem stattlichen Polizeiaufgebot gegenüber. Auch die Dimension solcher Einsätze ist selten medial Thema, hat aber unseres Erachtens schon länger jeglichen Bezug zur Realität verloren. Das besonnene Verhalten der Fans und auch die Vorfreude auf das Auswärtsspiel sorgten dafür, dass es am Weg zum Stadion zu keinen nennenswerten Zwischenfällen kam. Immer wieder wurde der Fanmarsch gestoppt und das Bedrohungsszenario, welches man für ein paar Fußballfans schuf, hatte es natürlich in sich. Jedoch stellt dies keine Ausnahme dar - wer regelmäßig seinem Verein zu Auswärtsspielen folgt, muss sich damit mittlerweile zwangsläufig arrangieren.

Dass der Fußmarsch zum Stadion alles in allem sehr ruhig verlief, wurde auch mehrmals von polizeilicher Seite gewürdigt. Anscheinend zu ruhig für die 2. Kompanie der Wiener Einsatzeinheit, welche an diesem Nachmittag im Einsatz war. Komplett überraschend kam es kurz vor der Ankunft am Gästesektor zu einem Angriff auf den Fanmarsch. Eine Gruppe von BeamtInnen stürmte in den vorderen Teil der Gruppe und versuchte, wild um sich schlagend, einzelne Personen herauszuziehen. Nur das solidarische Verhalten aller Wackerfans verhinderte hier Schlimmeres. Wohlgemerkt wurde bis zu diesem Zeitpunkt weder Pyrotechnik gezündet, noch sonst irgendein strafrechtlich relevantes Verhalten gesetzt. Der Einsatzleiter gab sehr bald auf eine seiner Position inhärenten peinliche Art zu verstehen, wer hier das Sagen hat. In Anbetracht der polizeilichen Überzahl sah man sich jedoch gezwungen kühlen Kopf zu bewahren, um dennoch rechtzeitig vor Spielbeginn im Stadion zu sein. Dass eine Eskalation um jeden Preis gewünscht war, spürte man ab diesem Zeitpunkt deutlich.

So begaben sich die schwarz-grünen Fans unter Beschimpfungen so mancher Beamter in Richtung Stadioneingang. Hier wurde die anfängliche Verwirrung ob des Einlasses genutzt um gezielt Leute aus der Gruppe zu isolieren. Von mehreren Seiten wurden offenbar wahllos Personen markiert, die als nächstes dran seien. Grund für dieses Verhalten konnte auch auf Nachfrage keiner genannt werden. Und wieder war es dem solidarischen Zusammenstehen der AnhängerInnen zu verdanken, dass die Staatsmacht mit ihrem Vorgehen keinen Erfolg hatte. Die nun künstlich provozierte Verzögerung am Einlass, welche dazu führte, dass trotz Ankunft über eine Stunde vor Spielbeginn bald klar war, dass es unmöglich werden würde rechtzeitig im Stadion zu sein, schaukelte die Stimmung weiter auf.

Daraufhin trat der Ordnerdienst des Heimvereins auf den Plan. Komplett unbedenkliche Zaunfahnen die seit Jahren bei jedem Spiel dabei sind, mussten erst von 4 verschiedenen Personen abgesegnet werden, ehe man sich damit wieder ganz hinten in der Reihe anstellen durfte. Dieses schikanöse Vorgehen schien mit der anwesenden Polizei abgestimmt, so geschah nichts ohne die prüfenden Augen mehrerer Beamter. Den Höhepunkt bildete ein Spruchband, das trotz mehrmaliger Intervention auch von szenekundigen Beamten, vom Verein ohne Angabe von Gründen verboten wurde. All dies führte dazu, dass die letzten Auswärtsfans erst über 30 Minuten nach Spielbeginn die Kontrollen bis auf die Unterwäsche hinter sich gebracht hatten.

Sehr bald manifestierte sich der Gedanke, dass die Fanszene sich dieses Vorgehen nicht gefallen lassen würde und geschlossen das Stadion wieder verlässt. Entgegen vorheriger gegenteiliger Zusagen zeichnete sich nun auch noch das Kioskpersonal aus, in dem man Fans die Rückzahlung der Geldbeträge verweigerte, welche vorher auf eine eigene Stadionkarte gebucht wurden. Reihenweise in den Müll geworfene Karten zeugen davon, dass sich dieses Vorgehen für den Verein wohl ordentlich gelohnt hat. Nach dem Verlassen des Sektors wurden die AnhängerInnen bereits von offensichtlich übermotivierten Beamten erwartet. „Ihr Woamen ghört zammghaut!“, ist nur ein Beispiel für den homophoben Sprachgebrauch der Cops an diesem Nachmittag. Und obwohl Dienstnummern nach mehrmaligen Interventionen beim Kommandanten der WEGA herausgegeben und so gut es geht Videoaufnahmen gemacht wurden, fehlt uns ganz ehrlich gesagt auch die Muse, solche Sachen anzuzeigen. Die Gefahr einer Gegenanzeige inklusive Beschuldigungen bis hin zur schweren Körperverletzung einerseits, oder die zu erwartende Abreibung wenn das nächste Mal niemand hinschaut andererseits ist uns ein mit höchster Wahrscheinlichkeit eingestelltes Verfahren dann doch nicht wert. Wer daran zweifelt, möge sich die Diskrepanz zwischen Anzeigen im Zusammenhang mit Polizeigewalt und Verurteilungen zu Gemüte führen.

Für die Faninitiative Innsbruck ist der Glaube an Konsequenzen für die Verantwortlichen gering, zu sehr erschweren der Corpsgeist innerhalb der Staatsmacht und dessen Deckung durch die Politik eine unvoreingenommene Aufarbeitung der Geschehnisse. Die Stimmung im Land und führende Persönlichkeiten im Innenministerium, die sich solche Szenen insgeheim herbeisehnen um endlich hart durchgreifen zu können, tun ihr übriges. Und um ehrlich zu sein können wir es auch niemandem verübeln, der an unseren Ausführungen zweifelt. Wer nicht selbst in irgendeiner Form ungerechtfertigte Polizeirepression erlebt hat, kann sich schwer vorstellen wozu die Damen und Herren in Uniform bereit sind.

Wir als Faninitiative sehen es unter anderem als unsere Aufgabe darauf hinzuweisen, eine Gegenöffentlichkeit zu ermöglichen und Betroffenen Gehör zu verschaffen. Somit bleibt uns nur der Versuch Druck auf alle Beteiligten und deren Handlanger, auf Bundesliga und Vereine sowie politisch Verantwortliche auszuüben um der ausufernden Repression gegen organisierte Fußballfans Einhalt zu gebieten. Sich derartiges Verhalten nicht gefallen zu lassen, nicht trotzdem einen aufgesetzten Zirkus im Sektor zu veranstalten und damit solche Vorgehensweisen auch noch zu legitimieren gehört für uns als erster Schritt dazu."

Ist ein polizeiliches Aufgebot im Falle der allseits bekannten Hooligananhängerschaft von 600 Personen mit rechtsextremem Gesinnung wie kürzlich beim Spiel von Rapid Wien gegen Slovan Bratislava sicherheitspolitisch durchaus gerechtfertigt, so stellt sich im Falle der seit vielen Jahren sich selbst als „stimmungsorientierte“, jedoch für ihre sozialen und integrativen Projekte durchaus bekannten Anhänger der „Tivoli Nord“ (bspw. mehrere integrative Initiativen,  Asylwerber und österreichische Obdachlose bei freiem Eintritt zu Spielen von Wacker Innsbruck einzuladen), die Frage, weshalb sie trotz Anreise ohne besondere Vorkommnisse nach Wien bereits am Bahnhof Meidling von einem behelmten Großaufgebot der Wiener Polizei nicht bloß empfangen, sondern de facto umzingelt wurden. Vereinzelte verbale Ausfälligkeiten angetrunkener Fans lassen sich besonders beim Anblick martialisch auftretender und provozierender BeamtInnen in einer so großen Gruppe in der Praxis schwer verhindern. Ein „Empfangskomitee“ von 50 bis 100 von vorneherein behelmten BeamtInnen trägt jedenfalls erfahrungsgemäß wenig zu einer Deeskalation der Gesamtsituation bei. Offensichtlich wurde den Reisenden das Gefühl vermittelt, dass eine Provokation und letztlich Eskalation von polizeilicher Seite beabsichtigt war, um die in Anbetracht der enormen Kapazitäten der Wiener Polizei relativ kleine Gruppe von ca. 200-300 Anhängern für eine willkommene einsatztaktische Trainingseinheit zu missbrauchen und jedenfalls auch dieses exorbitante Aufgebot durch einen „erfolgreichen“ Einsatz im Sinne der Verbuchung von Festnahmen und Anzeigen zu rechtfertigen.

 

Bereits einen Monat vorher beim Spiel des FC Wacker Innsbruck gegen den FK Austria Wien „glänzten“ Beamte derselben Einheit mit hämischen und drohenden Aussagen in bester Hooligan-Manier wie „jetzt dürft`s euch wieder an die Bundesliga gewöhnen, da geht`s anders zu…“. Einen Monat später machten sie ihre Drohungen wahr. Und bereits 2012 musste sich beim Anmarsch zum damaligen Hanappi-Stadion die gesamte Anhängerschaft von Wacker Innsbruck wegen Abbrennens einiger bengalischer Feuer Einzelner und einer folgenden, systemhabenden völlig unverständlichen Durchsage einer 90 Minuten dauernden Einkesselung unterziehen, die durch zusätzliches aggressives Zusammendrängen der Gruppe durch die Polizei sogar zu Panikattacken einzelner, auch weiblicher Mitreisenden führte. Den Abschluss des damaligen „polizeilichen Trainingstages“ bildete eine Identitätsfeststellung aller Personen gemäß Sicherheitspolizeigesetz.

 

Fazit: das Verhalten dieser Einsatzeinheit war am 26.08.2018 prognostizierbar und läuft seit Jahren nach einem ähnlichen Schema. Bedauerlicher Weise leisten solche polizeilichen Einsätze den Bemühungen der Vereine und der Liga um steigende Zuschauerzahlen und stimmungsvolle Arenen einen Bärendienst, da ein angenehmer, freudvoller und stimmungsorientierter Besuch von Auswärtsspielen de facto verunmöglicht wird.

 

Darüber hinaus darf auf die umfassende Anzeigenstatistik ho. Ressorts verwiesen werden, die Aufschluss darüber gibt, wie wenige Vorfälle österreichweit und besonders bei Fans des FC Wacker Innsbruck in den vergangenen Jahren zu verzeichnen waren.

 

Aus den hier dargelegten Gründen richten die unterzeichnenden Abgeordneten daher an den Bundesminister für Inneres nachstehende

 

 

Anfrage

 

1.      Wurde seitens des FC Wacker Innsbruck eine Eingabe bei ho. Ressort zu den Vorfällen am 26.08. eingebracht und wenn ja, wie lautet die Reaktion ho. Ressorts?

 

2.      Wie lautete der konkrete Einsatzbefehl betreffend den Umgang mit den Auswärtsfans am 26.08.?

 

3.      Wie lautete die konkrete Gefahrenabschätzung am 26.08.?

 

4.      Wie viele BeamtInnen wurden für dieses Spiel insgesamt abgestellt und wie viele davon von der WEGA?

 

5.      Nahm die kolportierte Anwesenheit des Leiters der WEGA vor dem Auswärtssektor Einfluss auf die Strategie der Einsatzeinheit und wenn ja, in welcher Weise und wenn nein, welchen Zweck verfolgte dann dessen Präsenz?

 

6.      Wie viele Festnahmen wurden am 26.08. nach dem VStG und dem StGB  gegenüber Fans des FC Wacker Innsbruck aufgrund welcher vermeintlichen Gesetzesübertretungen durchgeführt?

 

7.      Wie viele verwaltungsstrafrechtliche und strafrechtliche Verfahren, aufgeschlüsselt nach einzelnen Delikten, wurden bzw. werden gegen Fans des FC Wacker Innsbruck aufgrund vermeintlicher Gesetzesübertretungen am 26.08. geführt?

 

8.      Entspricht es den Tatsachen, dass – wie der Ordnerdienst des SK Rapid behauptet – nur auf Anweisung der Polizei die Durchsuchung der Fans bewusst in die Länge gezogen und die Mitnahme der seit vielen Jahren bei jedem Spiel präsentierten, altbekannten Transparente untersagt hätten?

 

9.      Nachdem der Sprecher der Wiener Polizei unmittelbar nach dem Spiel noch den „gelungenen Einsatz“ lobte, später diese Aussage jedoch relativierte, stellt sich die Frage: wie wird der Einsatz dieser Einsatzeinheit am 26.08. nun abschließend polizeiintern bewertet?

 

10.  Wurde der Einsatzleiter aufgefordert, eine Stellungnahme abzugeben und wenn ja, wie lautete diese?

 

11.  Gab oder wird es Konsequenzen für den Einsatzleiter geben und wenn ja, welche?

  

12.  Welchen Sinn macht der Einsatz von österreichweit insgesamt 191 szenekundigen Beamten in der Saison 2017/18 und konkret jener der szenekundigen Beamten aus Innsbruck, die bei o.a. Auswärtsspiel bei ihren eigenen KollegInnen aus Wien zugunsten der Anhänger interveniert haben, wenn deren Einschätzung offenbar nicht im geringsten Aufmerksamkeit geschenkt wird?

 

13.  Wie viele deeskalierende Interventionen von szenekundigen Beamten gegenüber BeamtInnen anderer Einheiten gab es in den Jahren 2012-2018 und wie viele davon wurden vom jeweiligen Einsatzleiter ignoriert?

 

14.  Welche deeskalierenden und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechenden Methoden stehen aus der Sicht ho. Ressorts einer ohnedies mit Videoaufzeichnungen operierenden Polizeieinheit zur Verfügung, um einzelne Personen, die konkrete Gesetzesübertretungen begehen, einer Bestrafung (nach Möglichkeit auch a posteriori) zuzuführen, ohne dass sich andere in der Gruppe befindliche Personen Repressionen und sonstigen unverhältnismäßigen Amtshandlungen seitens der Polizei aussetzen müssen und weshalb werden diese gelinderen, deeskalierenden Methoden der Strafverfolgung gerade bei Fußballspielen und Demonstrationen so selten angewandt?

 

15.  Wie bewertet ho. Ressort abschließend das Vorgehen der Polizei und die Geschehnisse vom 26.08., vor allem in Hinblick auf zukünftige Fußballspiele und die Anzahl der – überwiegend friedfertigen – Zuschauer?