1760/J XXVI. GP

Eingelangt am 26.09.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Sabine Schatz, Maurice Androsch,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Schulungsfilm über Folter in der polizeilichen Grundausbildung

Im Ausbildungsplan zur Grundausbildung für den Exekutivdienst der Ausgabe 2017 heißt es: „Das für den uniformierten Polizeidienst mit sozialwissenschaftlichen Methoden entwickelte Kompetenzprofil umfasst die drei Kernkompetenzbereiche der sozial-kommunikativen, personalen und polizeifachlichen Kompetenzen. Die beiden Schlüsselkompetenzen der Wahrnehmungs- und Reflexionskompetenzen sowie der situationsadäquaten Handlungskompetenzen vervollständigen das Kompetenzprofil." Teil dieser Kernkompetenzen, die PolizeischülerInnen in der Grundausbildung vermittelt wurden, war bisher auch die Auseinandersetzung mit den Themenbereichen Berufsethik und Gesellschaftslehre sowie Menschenrechte. Bisher sah der Lehrplan vor, dass PolizeischülerInnen der Kurzfilm Void gezeigt wird. Der Film Void von Regisseur Stefan Lukacs zeigt, wie Bakary J. von Polizisten gefoltert wurde[1] und thematisiert Gruppenzwang, Machtmissbrauch und Rassismus im Polizeiapparat.

In einer Stellungnahme an die rechtsextreme Nachrichtenseite unzensuriert.at[2] heißt es angeblich seitens des Ministeriums:

Öffentlich geförderte Polizistenverunglimpfung als "Lehrfilm"

Kurzfilmer Lukacs hat natürlich mit keinem der betroffenen Polizisten gesprochen, als er seinen Kurzfilm „Void“ (unterstützt von diversen öffentlichen Förderungen der damaligen rot-schwarzen Regierung) 2012 produzierte. Besonders bitterer Beigeschmack: „Void“ wurde unter Rot-Schwarz vom Innenministerium sogar als „Lehrfilm“ für die Polizeiausbildung eingesetzt. Doch das hat sich seit der Übernahme des Innenministeriums durch die FPÖ geändert. In einer Stellungnahme an unzensuriert heißt es diplomatisch, aber klar:


Bisher hatte die Polizei die Rechte an, Void“, um diesen Film als Schulungsfilm in der Grundausbildung der Polizistinnen und Polizisten zu zeigen. Diese Rechte sind heuer (vor wenigen Monaten) abgelaufen, weshalb der Film auch nicht mehr gezeigt wird.

Abbildung 1 | Quelle: https://www.unzensuriert.at/content/0027778-Kinostart-von-Cops-Linker-Regisseur-dreht-Film-ueber-die-WEGA- ohne-die-WEGA (abgerufen am 25. September 2018)

 

In der Falter-Ausgabe 39/18 heißt es auf der Seite 19 dazu:

„Als offizielle Begründung heißt es aus dem Innenministerium, die Rechte an dem Film seien vor einigen Monaten abgelaufen, deshalb werde der Film nicht mehr in der Grundausbildung gezeigt."[3]

Wie die Recherchen der Wochenzeitung FALTER zeigen, wurde der Regisseur des Films, Stefan Lukacs, seitens des Innenministeriums bezüglich einer Verlängerung der Rechte nicht kontaktiert. Außerdem schreibt der Falter: „Es habe sich bei einer Evaluation gezeigt, dass etliche Polizeischüler den Film bereits gekannt hätten, heißt es aus dem Innenministerium. Außerdem thematisiere der Spielfilm „zwar die Problematik von Gruppendruck beziehungsweise Gruppendynamik und die Vorbildwirkung von Vorgesetzten, spart jedoch Lösungsansätze aus". Deshalb sei „Void" nun aus dem Lehrplan verschwunden."[4]

Seit Jahren kampagnisieren FPÖ-nahe Plattformen[5] gegen das Folteropfer Bakary J - auch in parlamentarischen Anfragen[6]. Die FPÖ-Polizeigewerkschaft AUF meinte in einer Aussendung im März 2013, der Film Void ,,denunziere" die Exekutive und schrieb: "So ein Film hat in der Polizeiausbildung nichts verloren"[7].

Daher stellen die unterfertigenden Abgeordneten folgende:

Anfrage:

1.       Warum wird der Film Void nicht mehr in der polizeilichen Grundausbildung gezeigt?

2.       Wer ist letztverantwortlich für die Entscheidung, dass der Film Void nicht mehr in der polizeilichen Grundausbildung gezeigt wird?

3.       Wie hoch waren die Kosten für die Filmrechte, die bis 2018 entstanden sind?

4.       Hat sich das Bundesministerium bzw. seine nachgeordneten Stellen um eine Verlängerung der Filmrecht bemüht?

a.      Wenn nein, warum nicht?

5.      Wie werden die Themen Macht(missbrauch), Menschenrechte und Rassismus künftig in der Grundausbildung konkret thematisiert?

6.       Welches Lehrmaterial wird in der polizeilichen Grundausbildung künftig herangezogen, um die Themen Macht(missbrauch), Menschenrechte und Rassismus im Unterricht zu diskutieren und zu reflektieren?


a.      Wie hoch sind die Kosten für die Anschaffung neuer Lehrmaterialien für diesen

        Themenbereich?

7.       Wird das Lehrpersonal, welches bisher zu den Themen Macht(missbrauch), Menschenrechte und Rassismus in der polizeilichen Grundausbildung unterrichtete, ausgetauscht?

a.      Wenn ja, wann?

b.      Wenn ja, warum?

c.       Wenn ja, welche Kosten entstehen durch diesen Austausch?

8.      Welchen Evaluationen wurde das Lehrmaterial zu den Themen Macht(missbrauch), Menschenrechte und Rassismus bisher unterzogen?

a.      Wer hat diese Evaluation durchgeführt?

b.      Mit welchen wissenschaftlichen Methoden wurde diese Evaluation ausgeführt?

9.       Welche weiteren Änderungen, Streichungen oder Ergänzungen wurden seit Dezember 2017 außerdem im Lehrplan der Grundausbildung für PolizistInnen durchgeführt? (Bitte um konkrete Auflistung)

a.    Wer war jeweils letztverantwortlich für diese Entscheidungen?



[1]  https://kurier.at/chronik/wien/fall-bakary-j-eine-lehrstunde-fuer-polizeischueler-im-kinosaal/9.076.219, abgerufen am 25. September 2018

[2]  Ein Bericht des oberösterreichischen Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung schreibt unter anderem über unzensuriert.at im Jahr 2016, dass die Publikation "dem rechten, nationalistischen Lager" zuzuordnen sei, die "veröffentlichten Inhalte sind zum Teil äußerst fremdenfeindlich und weisen antisemitische Tendenzen auf. Es werden auch verschwörungstheoretische Ansätze und eine pro-russische Ideologie vertreten.", s. https://www.land-oberoesterreich.gv.at/Mediendateien/LK/beilage-kongress.pdf, S. 2

[3]  Nina Horaczek: Ein Film über Folter, aber nicht für Polizeischüler; in: FALTER 39/18, S. 19

[4]  ebenda

s Vergleiche unter anderem: https.//www.unzensuriert.at/content/0017823-Einbruch-bei-Folteropfer-Bakary-J-Maerchenstunde-im-ORF. https://www.unzensuriert.at/content/0018474-Fall-Bakary-J-Geharnischte-Beschwerde-gegen-Ablehnung-der-Wiederaufnahme. https://www.unzensuriert.at/content/0017313-Fall-Bakary-J-Republik-hilft-Gambier-die-Republik-zu- verklagen, https://www.unzensuriert.at/content/0017012-Fall-Bakary-J-Pruegelpolizisten-sehen-sich-als-Qpfer-einer -Polit-Intrige, jeweils abgerufen am 25. September 2018

[6]  https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03040/imfname_372750.pdf, https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03013/imfname_372017.pdf,

https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/J/J_03013/imfname_372017.pdf, jeweils abgerufen am 25. September 2018

[7]  https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130321_OTS0314/auffpoe-herberthaslinger-orf-kurzfilm-void-denunziert-unsere-exekutive-in-negativer-und-polizeifeindlicher-weise, abgerufen am 25. September 2018