1797/J XXVI. GP

Eingelangt am 01.10.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz

betreffend Auswirkungen des Überprüfungsverfahrens und der Entziehung der Zertifizierung Karl Mahringers

 

In der Anfragebeantwortung vom 16. Februar 2018 (57/AB) hat der Bundesminister für Justiz mitgeteilt, dass gegen den Sachverständigen Karl Mahringer von der listenführenden Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien aufgrund der erhobenen Vorwürfe ein entsprechendes Überprüfungsverfahren nach § 10 SDG eingeleitet wurde. In einer weiteren Anfragebeantwortung vom 18.05.2018 (531/AB) wurde ausgeführt, dass ein erster Prüfungstermin im Juni 2018 anberaumt wurde. Am 14. September 2018 wurde Karl Mahringer dann per Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien die Zertifizierung entzogen, weil seine Methodik nicht nachvollziehbar und unwissenschaftlich sei. Mahringer hat angekündigt gegen den Bescheid Beschwerde zu erheben.

Trotz massiver Kritik von Expert_innen an der unwissenschaftlichen Methodik von Karl Mahringer wurden dessen Gutachten nach Einleitung des Überprüfungsverfahrens weiterhin als Grundlage für Asylentscheidungen herangezogen. Nicht nur das, es wurden sogar noch weitere Gutachten und Recherchen in Auftrag gegeben. Am 14. Mai 2018 legte Karl Mahringer nach einem Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts ein Rechercheergebnis in Bezug auf den Irak vor. Dieses Gutachten enthält allerdings schon bei oberflächlicher Prüfung grobe Fehler. Auch der Islamwissenschafter Rüdiger Lohlker kritisiert Mahringers "dilettantische" Vorgehensweise und attestiert der Irak-Recherche Unwissenschaftlichkeit. Am 30. August 2018 lieferte Karl Mahringer während des laufenden Überprüfungsverfahrens dann ein weiteres Afghanistan-Gutachten an das Bundesverwaltungsgericht (Geschäftszahl: BVwG - 160.100/0001 - Kammer A/2018).

Selbst nach der (noch nicht rechtskräftigen) Entziehung der Zertifizierung werden Mahringers "Gutachten" und Berichte weiterhin vom Bundesverwaltungsgericht als Entscheidungsgrundlage in Asylverfahren herangezogen. In einer schriftlichen Stellungnahme des BVwG heißt es außerdem, dass selbst wenn Karl Mahringer seine Zertifizierung rechtskräftig verlieren würde, man weiter mit ihm zusammenarbeiten könnte, da man schließlich auch jetzt schon mit nicht gerichtlich zertifizierten Gutachtern zusammenarbeite.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Ist dem Ministerium bekannt, dass Karl Mahringer im Auftrag des BVwG mittlerweile ein weiteres Gutachten über Afghanistan verfasst hat?

2.    Laut Gutachten erfolgte der Auftrag des BVwG an Karl Mahringer am 11.01.2018, das Überprüfungsverfahren gemäß § 10 SDG gegen Karl Mahringer wurde spätestens Mitte Februar 2018 eingeleitet. Warum wurde nicht auf die Einleitung des Überprüfungsverfahrens reagiert und der Gutachtensauftrag gestoppt bzw. suspendiert?

3.    Wurde dieses Gutachten vom 30.08.2018 betreffend Afghanistan vom BVwG bereits in laufende Asylverfahren als Beweismittel eingebracht?

a.    Wenn ja, in wie vielen? In wie vielen dieser Verfahren wurde bereits eine Entscheidung erlassen?

4.    Wie hoch war die Vergütung von Karl Mahringer für dieses im Auftrag des BVwG vom 11.01.2018 erstellte Gutachten vom 30.08.2018 (Geschäftszahl: BVwG - 160.100/0001 - Kammer A/2018) samt Reisespesen?

5.    Wurden bzw. werden die Gutachten von Karl Mahringer auch nach bescheidmäßiger Entziehung der Zertifizierung gemäß § 10 SDG weiterhin vom BVwG als Beweismittel bzw. Entscheidungsgrundlage herangezogen?

6.    Wurden in den Jahren 2017 und 2018 weitere Gutachten bei Karl Mahringer abseits der bereits bekannten Afghanistan-Gutachten vom März 2017 und 30.08.2018 in Auftrag gegeben?

a.    Wenn ja, wie viele bezüglich welcher Länder?

b.    Wenn ja, wie lauteten die Gutachtensaufträge?

c.    Wenn ja, wurden diese Gutachten bereits fertiggestellt und bereits in Asylverfahren eingebracht?

d.    Wenn ja, wie hoch war die jeweilige Vergütung samt Reisespesen?

e.    Wenn ja, wer hat diese Gutachten in Auftrag gegeben? Falls eine namentliche Nennung nicht möglich ist bitte um Angabe, ob die Aufträge von einzelnen Richter_innen erteilt wurden bzw. wer für die Vergabe der Aufträge verantwortlich ist.

f.      Wenn nein, wie erklärt sich die Aussage von Karl Mahringer im Krone-Artikel "Umstrittener Asyl-Gutachter will Zulassung zurück" vom 19.09.2018 (abrufbar unter: https://www.krone.at/1773814), dass er bereits "zahlreiche Gutachten bei Gericht abgeliefert" habe?

7.    Wurden in den Jahren 2017 und 2018 weitere Aufträge für Recherchen in den Ländern Syrien, Irak und Afghanistan abseits der bekannten in Frage 6 genannten Gutachtensaufträge an Karl Mahringer erteilt?

a.    Wenn ja, wie viele und bezüglich welcher Länder?

b.    Wenn ja, wie lauteten die Rechercheaufträge?

c.    Wenn ja, wurden diese Recherchen bereits fertiggestellt und bereits in Asylverfahren eingebracht?

d.    Wenn ja, wie hoch war die jeweilige Vergütung samt Reisespesen?

e.    Wenn ja, wer hat diese Recherchen in Auftrag gegeben? Falls eine namentliche Nennung nicht möglich ist bitte um Angabe, ob die Aufträge von einzelnen Richter_innen erteilt wurden bzw. wer für die Vergabe der Aufträge verantwortlich ist.

f.      Wenn nein, wie erklärt sich die Aussage von Karl Mahringer im Krone-Artikel "Umstrittener Asyl-Gutachter will Zulassung zurück" vom 19.09.2018 (abrufbar unter: https://www.krone.at/1773814), dass er bereits "zahlreiche Gutachten bei Gericht abgeliefert" habe?

8.    Sind dem Ministerium folgende mediale Auftritte des Karl Mahringer bekannt?

a.    Krone-Artikel "Umstrittener Asyl-Gutachter will Zulassung zurück" vom 19.09.2018 (abrufbar unter: https://www.krone.at/1773814).

b.    Krone-Artikel "Asyl-Gutachter: 'NGOs wollen mich zerstören'" (abrufbar unter: https://www.krone.at/1756665).

9.    Hat das Ministerium Schritte gesetzt um mit Karl Mahringer dessen Vorwürfe, dass das listenführende Landesgericht für Zivilrechtssachen ihn in intensiver Zusammenarbeit "mit den NGOs" zerstören wolle, zu besprechen, zumal das LG für ZRS Wien diese Vorwürfe verneint?

10. Wann wurde das Überprüfungsverfahren gemäß § 10 SDG gegen Karl Mahringer eingeleitet?

11. Was ist der Grund für die lange Verfahrensdauer des Überprüfungsverfahrens gemäß § 10 SDG?

12. Plant das Ministerium Maßnahmen zu setzen, dass derartige § 10 SDG Überprüfungsverfahren, die einen so sensiblen Bereich wie das Asylverfahren betreffen, in Zukunft schneller durchgeführt werden?

a.    Wenn ja, welche?

13. Hat Karl Mahringer gegen den Bescheid Beschwerde beim BVwG eingelegt?

a.    Wenn ja, wann ist mit einer Entscheidung des BVwG in dieser Sache zu rechnen?

b.    Wenn nein, wann wurde der Bescheid rechtskräftig?

14. Karl Mahringer wird in dem Artikel "Umstrittener Asyl-Gutachter will Zulassung zurück" vom 19.09.2018 (abrufbar unter: https://www.krone.at/1773814) wie folgt zitiert: "Meine Gutachten müssen ja auch der gerichtlichen Qualitätsprüfung standhalten." Hat es eine "gerichtliche Qualitätsprüfung" des Gutachtens/der Gutachten von Karl Mahringer gegeben?

a.    Wenn ja, wer hat diese durchgeführt und was war das Ergebnis?

15. Wird im Falle der rechtskräftigen Entziehung der Sachverständigeneigenschaft gemäß § 10 SDG von Karl Mahringer eine amtswegige Wiederaufnahme sämtlicher Fälle geprüft und/oder eingeleitet, in denen eines seiner Gutachten als Beweismittel angeführt worden ist und/oder eine wesentliche Entscheidungsgrundlage gewesen ist und/oder Karl Mahringer als Sachverständiger beigezogen worden ist?

a.    Wenn ja, wie viele Fälle betrifft das?

b.    Wenn nein, warum nicht?

16. In rechtlicher Hinsicht verbleibt Karl Mahringer jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entziehung seiner Sachverständigeneigenschaft auf der SDG-Liste als SV für Länderkunde (insbesondere Menschenrechte) für die Länder Afghanistan, Irak und Syrien. Es besteht aber ein massives rechtsstaatliches Risiko in den Verfahren, in denen seine Gutachten und Rechercheergebnisse als Entscheidungsgrundlage noch herangezogen werden. Welche Schritte setzt das Ministerium um Richter_innen über den Umstand der erstinstanzlichen Entziehung der Sachverständigeneigenschaft zu informieren?

a.    Plant das Ministerium, künftig einen Vermerk in der SDG-Liste bei denjenigen Sachverständigen einzufügen, bei denen ein Überprüfungsverfahren anhängig ist, um Richter_innen von diesem wesentlichen Umstand zu informieren?

b.    Wird das Ministerium Richter_innen empfehlen, SV Mahringer vorerst nicht als SV zu beauftragen (bis zur rechtskräftigen Entscheidung)?

                                  i.    Wenn nein, warum nicht?

17. Medienberichten zu Folge schließt das BVwG auch eine Zusammenarbeit mit Karl Mahringer als Gutachter selbst nach rechtskräftiger Entziehung der Zertifizierung gemäß § 10 SDG nicht aus. Plant das Ministerium Maßnahmen zu setzen, damit Personen, denen gemäß § 10 SDG die Zertifizierung als Sachverständiger entzogen wurde, von Gerichten nicht mehr als Gutachter_innen herangezogen werden können?

a.    Wenn nein, warum nicht?

18. Ist dem Ministerium bekannt, dass ein Richter des BVwG Linz, der laut Eigenaussage bei einer Veranstaltung Mitte Mai 2018 am BVwG Wien in der Bestellungskommission Karl Mahringers bzgl. Irak gesessen ist, einen Rechercheauftrag an Karl Mahringer bzgl. der Situation von LGBTIQ Flüchtlingen im Irak in Auftrag gegeben hat?

a.    Wenn ja, welche Befähigung wies der Richter des BVwG Linz auf, die ihn für die Teilnahme an der Bestellungskommission qualifizierte?

b.    Hat dieser Richter eine Meldung gemäß § 10 Abs 2 SDG an die Präsidentin des LG für ZRS Wien erstattet?

19. Wurden jemals Meldungen von Richter_innen des BVwG an die Präsidentin des LG für ZRS Wien gemäß § 10 Abs 2 SDG erstattet mit der Begründung, dass der Verdacht des Vorliegens eines Entziehungstatbestandes im Fall des SV Karl Mahringer vorliegt?

20. Welche Maßnahmen trifft das Ministerium um Richter_innen hinsichtlich der Frage, ob Entziehungstatbestände gemäß § 10 SDG vorliegen, zu sensibilisieren und zu schulen? Dies vor dem Hintergrund, dass die Entscheidung des LG für ZRS Wien im Überprüfungsverfahren eindeutig ist, von zahlreichen Expert_innen massive Kritik an der unwissenschaftlichen Methodik geäußert wurde - u.a. bezeichnete Dr. Stefan Weber Mahringers Gutachten als "Reisebericht", Univ.-Prof. Rüdiger Lohlker attestierte Mahringers Irak-Recherche „Dilettantismus“ - und dennoch dies von Richter_innen offenkundig nicht erkannt wurde.