1857/J XXVI. GP

Eingelangt am 09.10.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Kolleginnen und Kollegen,

an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz,

betreffend die Umsetzung des Erkenntnisses G 258-259/2017-9 des Verfas­sungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2017, und betreffend die Untätigkeit der Bundesregierung über inzwischen fast ein Jahr dazu, und zu Plänen, die Ehe zwischen ungleichgeschlechtlichen Partnern zu privilegieren.

Die Regierung hat inzwischen mehr als 10 Monate verstreichen lassen, ohne das oben angeführte Erkenntnis des VfGH umzusetzen. Damit wurde ohne Not gleichge­schlechtlichen Paaren die Möglichkeit der Ehe verweigert, und ungleichgeschlechtli­chen Paaren die Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft vorenthalten.

Zwei Gesetzesanträge von Abgeordneten des Nationalrates (26/A und 97/A) aus 2017 und Januar 2018 zur sofortigen Umsetzung des Erkenntnisses des VfGH wur­den in den Ausschüssen vertagt, anstatt sie sofort zu behandeln. In Anfragen zu die­sem Thema wurde noch im Juni 2018 vom Bundesminister für Verfassung, Refor­men, Deregulierung und Justiz mitgeteilt: „Derzeit werden die Auswirkungen des Er­kenntnisses des Verfassungsgerichtshofs analysiert und deren Folgewirkungen im Hinblick auf allfällige Maßnahmen im Bereich der Justiz geprüft“ (694/AB). Im ABGB wurden zwei Worte vom VfGH aufgehoben, und im EPG wurden ebenfalls nur einige Worte und ein kurzer Passus aufgehoben. Der VfGH benötigte nicht einmal zwei Mo­nate (12. Oktober 2017 bis 4. Dezember 2017), um diese paar Worte als verfas­sungswidrig zu erkennen, das Bundesministerium rätselt nach mehr als 6 Monaten noch immer, was die Auswirkungen seien.

Die Regierungspartei FPÖ hat vor etwa einem Monat verlauten lassen, dass sie eine „sachliche Privilegierung“ der ungleichgeschlechtlichen Ehe per Gesetz verwirklichen wolle, bevor das genannte VfGH-Erkenntnis am 1.1.2019 wirksam werde.

Um Aufschluss über die weitere Vorgangsweise der Bundesregierung zu die­sem Thema zu erhalten, richten die unterzeichnenden Abgeordneten an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz diese

 

Anfrage:

1)    Hat das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz inzwischen analysieren können, was die Auswirkungen des gegen­ständlichen Erkenntnisses des VfGH sind?

2)    Falls ja (Frage 1), ist eine legistische Anpassung des AGBG und des EPG an das Erkenntnis des VfGH noch vor der Jahreswende geplant?

3)    Falls ja (Frage 2), ist eine „sachliche Privilegierung“ der ungleichgeschlechtli­chen Ehe, wie sie der FPÖ vorschwebt, angedacht?

4)   Falls ja (Frage 3), wie soll eine solche Privilegierung ausgestaltet werden?

5)    Falls nein (Frage 1), warum nicht?

6)    Falls eine aktive legistische Umsetzung des gegenständlichen VfGH-Erkennt- nisses vor dem 1.1.2019 nicht erfolgt, wie erklären Sie den BürgerInnen, dass ohne Not gleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit der Ehe verweigert, und ungleichgeschlechtlichen Paaren die Möglichkeit der eingetragenen Part­nerschaft vorenthalten wurde, obwohl dies bereits seit Anfang dieses Jahres umgesetzt hätte werden können?

7)    Wird in der Vollziehung des Justizbereiches, zu der auch die Erstellung von Regierungsvorlagen zum Ehe- und Partnerschaftsrecht gehört[1], die Recht­sprechung des VfGH und des Europäischen Gerichtshofes für Menschen­rechte zu diesem Thema stärkeren Einfluss haben als die Wertungen einer Koalitionspartei?

 

 



[1] Kahl, zu Art 52 Abs 1, 2-4 B-VG, in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg (Hrsg.), Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 7. Lfg. 2005, RZ 25 zu Art 52 Abs 1,2-4 B-VG; oder Hofer-Zeni, Sind Regierungsvorlagen „Gegenstände der Vollziehung“ nach Art 52 Abs 1 B-VG?“, ÖJZ 1970, S 600.