2001/J XXVI. GP

Eingelangt am 15.10.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Arbeit‚ Soziales‚ Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend Geringfügige Beschäftigungen und Bezug von Sozial(versicherungs-)leistungen

 

Im Wechselspiel zwischen Erwerbstätigkeit und sozialen Sicherungssystemen ist eine wesentliche Frage zentral: Wie müssen die sozialen Sicherungssysteme gestaltet sein, dass sie Menschen wieder zurück in eine Erwerbstätigkeit und damit ökonomische Unabhängigkeit bringen? In diesem Zusammenhang lassen sich verschiedene Beschäftigungshemnisse identifizieren, die es für Bezieher_innen von Sozial(versicherungs-)leistungen attraktiver scheinen lassen, keine Erwerbstätigkeit aufzunehmen bzw. nur eine Tätigkeit mit niedriger Erwerbsintensität aufzunehmen. Langfristige Folgen staatlicher Abhängigkeit, langsamer Dequalifizierung, geringer Aufstiegschancen und unzureichender finanzieller Absicherung im Alter werden von vielen Betroffenen, die in solchen Inaktivitätsfallen landen, nicht antizipiert (oder können nicht antizipiert werden).

Auch die Geringfügigkeitsgrenze kann eine solche Inaktivitätsfalle darstellen. Bis zu einem Einkommen von monatlich € 438,05 (2018) kann weiterhin eine große Anzahl an Sozial(versicherungs-)leistungen bezogen werden und dabei diese Leistung weiter bezogen werden. Für Sozial(versicherungs-)Leistungen, die zeitlich begrenzt sind, ist diese Grenze weniger problematisch, weil das Nebeneinander von geringer Erwerbstätigkeit und Sozialleistung eine zeitliche Begrenzung hat und im Anschluss daran wahrscheinlich im Großteil der Fälle wieder eine höhere Erwerbsintensität zu erwarten ist. Anders verhält es sich im Falle der zeitlich unbegrenzten Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, wenn dadurch dauerhaft Abhängigkeitsverhältnisse kultiviert werden, die die Betroffenen nicht wieder in die ökonomische Selbstständigkeit entlassen.

Die starre Geringfügigkeitsgrenze ist gerade deshalb problematisch, da ihr Überschreiten zum vollständigen Wegfall der Sozial(versicherungs-)Leistung führt. Diese Inflexibilität führt dazu, dass es zuwenig attraktiv ist, das Einkommen (durch Mehrarbeit) und damit die ökonomische Unabhängigkeit, zu erhöhen. Flexible Übergangsregelungen in der Anrechnung von Einkommen auf die entsprechenden Sozial(versicherungs-)Leistungen, sollten gerade in Zeiten der Digitalisierung - die z.B. die monatliche Beitragsgrundlagenmeldung ermöglichen - kein Problem mehr darstellen.

Gerade deshalb ist es wichtig zu wissen, ob die Sozialversicherungsträger überhaupt die Datenlage kennen, wie viele Personen unterschiedliche Sozial(versicherungs-)Leistungen erhalten und nebenbei geringfügig erwerbstätig sind und in welchem Umfang dies geschieht. Denn wie die Anfragebeantwortung 10337/AB XXV.GP gezeigt hat, scheint der Informationsaustausch zwischen verschiedenen staatlichen Institutionen des Sozial(versicherungs-)wesens wenig ausgeprägt zu sein, obwohl für einen entsprechenden Erfolg der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik die Erhebung dieser Daten und ein damit verbundener Datenaustausch unumgänglich wäre, gerade weil so auch neue, innovative und flexible gesetzliche Regelungen im Sinne der Betroffenen geschaffen werden können.

Insbesondere im Hinblick auf die zunehmende Digitalisierung sind auch die sozialen Sicherungssysteme darauf angewiesen, sich in ihrer Flexibilität an die sich ändernden Rahmenbedingungen für Erwerbstätige anzupassen, statt diese Entwicklungen auszublenden. Die Verwaltung muss die Möglichkeiten der Digitalisierung besser nutzen und sich selbst an geänderte Umstände anpassen, denn - so viel Einfluss man auch dem österreichischen Sozial(versicherungs-)System zustehen mag - selbst dieses System wird die kommenden ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklungen nicht aufhalten können.

Die Bundesregierung sieht offenbar in der Möglichkeit des geringfügigen Zuverdienstes neben dem Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, eine Inaktivitätsfalle. So lässt sich die noch umzusetzende Maßnahme des Regierungsprogrammes "Geringfügige Beschäftigung und Leistungsbezug: Zeitliche Begrenzung, um ein Verharren im Leistungsbezug hintanzuhalten" erklären. Ob die zeitliche Begrenzung diese Inaktivitätsfalle tatsächlich beseitigt, sei dahin gestellt. Eine Lösung der starren Zuverdienstgrenzen wäre jedenfalls bedeutsamer.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Wie viele Personen waren 2018 je Monat aufgrund eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses gemeldet? (jeweils einzeln für jeden Monat, für Personen die auch bei mehreren geringfügigen Beschäftigungen nicht über der Geringfügigkeitsgrenze verdienten, nach Geschlecht getrennt)

2.    Wie viele Bezieher_innen von verschiedenen Sozial(versicherungs-)Leistungen waren 2018 im jeweiligen Bezugsmonat auch aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung gemeldet? (jeweils einzeln für jeden Monat im Jahr 2018, nach Geschlecht getrennt)

a.    Arbeitslosengeld

b.    Notstandshilfe

c.    Alterspension

d.    Kinderbetreuungsgeld

e.    Weiterbildungsgeld

3.    Wie hoch war jeweils die durchschnittliche Beitragsgrundlage gem. Frage 2 (jeweils einzeln pro Monat im Jahr 2018, für jede der gelisteten Leistungen a-e einzeln, nach Geschlecht getrennt)

4.    Wie viele Bezieher_innen von Sozial(versicherungs-)Leistungen waren im Jahresdurchschnitt seit 2010 während einem Monat in dem eine solche Leistung bezogen wurde auch aufgrund einer geringfügigen Beschäftigung gemeldet? (jährlich für 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und bisher für 2018 nach Geschlechtern getrennt)

a.    Arbeitslosengeld

b.    Notstandshilfe

c.    Alterspension

d.    Kinderbetreuungsgeld

e.    Weiterbildungsgeld

5.    Wie viele Bezieher_innen von Sozial(versicherungs-)Leistungen waren im Jahresdurchschnitt seit 2010 während einem Monat in dem eine solche Leistung bezogen wurde auch aufgrund einer unselbstständigen UND selbstständigen geringfügigen Beschäftigung gemeldet? (jährlich für 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und bisher für 2018, nach Geschlechtern getrennt)

6.    Wie viele Bezieher_innen von Frage 5 kamen dabei insgesamt auf ein Einkommen über der jeweils geltenden Geringfügigkeitsgrenze? (jährlich für 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und bisher für 2018, nach Geschlechtern getrennt)

7.    Wie lange bezogen Personen eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung und waren gleichzeitig 2018 geringfügig beschäftigt? (jeweils einzeln für jeden Monat, nach Geschlechtern)

a.    Bezugsdauer < 1 Jahr

b.    Bezugsdauer zwischen 1 und 2 Jahren

c.    Bezugsdauer zwischen 2 und 3 Jahren

d.    Bezugsdauer zwischen 3 und 5 Jahren

e.    Bezugsdauer zwischen 5 und 10 Jahren

f.      Bezugsdauer von über 10 Jahren

8.    Wie lange waren Personen die jeweils am Stichtag 30. September 2018, 30. Juni 2018, 31. März 2018 und 31. Dezember 2017 eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung erhielten, gleichzeitig geringfügig beschäftigt? (jeweils einzeln für jeden Monat, nach Geschlechtern)

a.    Geringfügige Beschäftigung <1 Monat

b.    Geringfügige Beschäftigung 1 bis 2 Monate

c.    Geringfügige Beschäftigung 2 bis 3 Monate

d.    Geringfügige Beschäftigung 3 bis 6 Monate

e.    Geringfügige Beschäftigung 6 bis 12 Monate

f.      Geringfügige Beschäftigung >12 Monate

9.    Mit welchen Maßnahmen verhindern Sie, dass die unflexiblen Zuverdienstgrenzen beim Bezug von verschiedenen Leistungen zum Beschäftigungshemmnis werden?

10. Welche Gründe stehen einem automatischen Datenabgleich zwischen verschiedenen Zahlstellen von Sozial(-versicherungs-)leistungen (AMS, Sozialversicherungsträger usw.) entgegen?

11. Würde ein automatischer Datenausgleich zwischen verschiedenen Stellen (z.B. AMS, Sozialversicherungsträger, ...) im Zusammenhang mit der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung nicht flexiblere Zuverdienstmöglichkeiten erlauben?

12. Bis wann ist mit einer Umsetzung der im Regierungsprogramm geplanten zeitlichen Befristung des geringfügigen Zuverdienst während des Bezugs von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe zu rechnen?

13. Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung mit einer zeitliche Befristung, die mit flexibleren Zuverdienstgrenzen nicht erreichbar sind?