Eingelangt am 19.10.2018
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
DRINGLICHE ANFRAGE
gem. § 93 Abs 2
GOG-NR
der Abgeordneten Mag.
Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Mit Europa
spielt man nicht: Das heimliche Verlängern der Grenzkontrollen durch die
Bundesregierung Kurz kostet Freiheit und Zukunft für alle
Bürger_innen.
Die Bundesregierung Kurz
plant, mit November 2018 ohne öffentliche Debatte und ohne Not erneut die
"temporären" Grenzkontrollen an der österreichischen Grenze
zu verlängern. Das bedeutet, sie schränkt eine der vier Grundfreiheiten
der Europäischen Union – den freien Personenverkehr – ohne
jegliche öffentliche Diskussion darüber ein. Diese ist eine der
augenscheinlichsten Errungenschaften der europäischen Einigung.
Gleichzeitig werden freier Dienstleistungs- und freier Warenverkehr aus und
nach Österreich durch die Entscheidungen der Bundesregierung eingeschränkt.
Die Folgen dieses völlig unverhältnismäßigen Einschnitts
in die Freiheit der Bürger_innen sind jedoch weitreichend für
Wirtschaft, die Verwendung von Steuergeld und die Personenfreizügigkeit
jedes einzelnen Österreichers und jeder einzelnen Österreicherin.
ÖVP und FPÖ tragen Schritt für Schritt jene Freiheiten und Rechte
ab, die durch jahrzehntelange Bemühungen der Europäischen Union
für die Bürgerinnen und Bürger erreicht wurden. Sie bauen eine
Mauer um Österreich und schotten uns ab.
Europarechtswidrige und
unverhältnismäßige Verlängerung der Grenzkontrollen
Der Schengenraum ist
eigentlich ein Gebiet ohne Binnengrenzen und entsprechende Kontrollen an
diesen. Gemäß dem Schengener Grenzkodex (Art. 25 ff. VO 2016/399)
ist es den Schengen-Staaten in absoluten Ausnahmesituationen gestattet,
temporär und nur bei ernsthafter Bedrohung der nationalen Sicherheit oder
der öffentlichen Ordnung, Grenzkontrollen an den nationalen Grenzen
einzuführen. Das Schengen-Abkommen macht klar, dass von dieser
Möglichkeit nur in einer absoluten Notsituation als letztes Mittel Gebrauch
gemacht werden darf, denn es geht dabei um die Einschränkung der Freiheit
von Bürgerinnen und Bürgern. Der Text des Abkommens besagt: "Die
vorübergehende Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen
darf in Umfang und Dauer nicht über das Maß hinausgehen, das zur
Bewältigung der ernsthaften Bedrohung unbedingt erforderlich ist."
Die Kontrollen an den
österreichischen Binnengrenzen bestehen nun seit 2015. Sie wurden
ursprünglich mit Verweis auf die Lage in Griechenland und Deutschland
damit begründet, dass der Schutz der EU-Außengrenze nicht intakt sei
und auf Empfehlung der Kommission und des Rates eingeführt. Ende 2017 war
eine weitere Verlängerung der Kontrollen mit dieser Begründung nicht
mehr möglich. Seitdem beruft sich die österreichische Bundesregierung
auf die "Sicherheitslage in Europa" und Sekundärmigration. Mit
diesem Hinweis verlängerte Österreich die Kontrollen seither bereits
zweimal um jeweils sechs Monate. Der Bundesminister für Inneres hat
gegenüber Medien (APA, 13.9.18) und auch dem Parlament (Aktuelle Europastunde,
26.9.18) argumentiert, dass eine Aufhebung der 2015 eingeführten
Grenzkontrollen erst erfolgen könne, wenn der Schutz der
Außengrenzen tatsächlich funktioniere. Dies ist irritierend, da es
sich weder mit der bisherigen offiziellen Begründung Österreichs
deckt, noch mit Artikel 25 des Schengener Grenzkodexes vereinbar ist.
Walter Obwexer,
Europarechtsexperte an der Universität Innsbruck, weist daraufhin, dass
Mitgliedstaaten Kontrollen gemäß Schengener Grenzkodex nur
vorübergehend und bis zu einer Dauer von zwei Jahren einführen
dürfen und diese einmalig um 6 Monate verlängern dürfen (ORF
Tirol,12.09.18). Diese Zeit ist für Österreich im Mai 2018
abgelaufen. Auch der Asyl- und Europarechtsexperte Jorrit Rijpma von der
Universität Leiden nannte die zeitgleich stattfindenden deutschen
Kontrollen an der Grenze zu Österreich illegal, da die Fristen im Mai 2018
ausgeschöpft waren (SZ, 23.06.18). Experten zufolge ist also sowohl
Österreichs Verlängerung der Kontrollen von Mai 2018 bis November
2018, als auch die im Raum stehende neuerliche Verlängerung im November
2018 auf weitere sechs Monate, illegal.
Die Öffentlichkeit
und das Parlament werden über die Vorgänge bezüglich der
Verlängerung im Dunkeln gelassen. Abgesehen von einer
Absichtserklärung des Innenministers fand keine öffentliche oder
parlamentarische Debatte über eine etwaige Verlängerung der
Grenzkontrollen statt. Es ist nicht bekannt, wie sich die Bundesregierung
untereinander und auf europäischer Ebene diesbezüglich abstimmt.
Fatale Folgen für
die Wirtschaft
Ein Wiederaufziehen der
nationalen Grenzen im Schengenraum wirkt sich auf direktem Wege negativ auf die
Wirtschaft aus. Experten gehen von hohen Kosten aus, die durch Wartezeiten an
den Grenzen verursacht werden: Pönalezahlungen bei
Lieferverzögerungen, ausbleibende Touristen und andere Hindernisse
für Unternehmer, etwa die Notwendigkeit einer Personalverdoppelung z.B.
bei Buschauffeuren und LKW-Fahrern, aufgrund geltender
Arbeitszeitbeschränkungen. Kontrollen an den österreichischen Grenzen
führen zu vermehrten Verkehrsstaus und großen Zeitverlusten für
privat oder beruflich Reisende. Sie sind ein Hindernis für die
Arbeitskräftemobilität und eine Behinderung für jedes
Unternehmen, das grenzüberschreitend Dienstleistungen anbietet. Die
Bundesregierung verursacht diesen finanziellen Schaden entweder völlig
bewusst oder mangels einer Folgenabschätzung der gesetzten Maßnahme.
Die Wirtschaftskammer
bezifferte den Schaden für die Transportwirtschaft 2017 aufgrund der
bisherigen Grenzkontrollen an einigen Grenzübergängen mit mindestens
3,2 Millionen Euro pro Stunde (WKÖ "Die Kosten von
Nicht-Schengen", Juli 2018). Mehr als die Hälfte des
österreichischen Wohlstands wird im Ausland erwirtschaftet, mehr als die
Hälfte der österreichischen Wertschöpfung basiert auf Export.
Der Großteil der österreichischen Exporte entfällt auf
EU-Staaten bzw. andere Schengen-Länder. Das deutsche ifo-Institut hat
errechnet, dass Kontrollen an allen Schengengrenzen das Handelsvolumen um 4,25
Prozent schrumpfen lassen würden und das BIP um 790 Mio. bis 1,96 Mrd.
niedriger wäre (ifo "Handelseffekte von Grenzkontrollen",
März 2016).
Negative Effekte der
Grenzkontrollen und Wartezeiten an den österreichischen Grenzen betreffen
besonders den Tagestourismus. Mit 565 Staus im Sommerreiseverkehr, einem Plus
von 12,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr, bilanzieren die ÖAMTC-Mobilitätsinformationen
den Sommerreiseverkehr 2018. Diesen Daten zufolge waren für beinahe 10
Prozent der Staus die Grenzkontrollen verantwortlich. Auch für den
längsten Stau der Sommerreisesaison – 28 Kilometer vor der Grenze am
Walserberg – waren Grenzkontrollen die Ursache. Von den 97 Millionen
Übernachtungen, die Nicht-Österreicher jährlich hierzulande
buchen, entfallen 82 Millionen auf andere Mitgliedstaaten.
Touristennächtigungen sind nach der Schengen-Erweiterung beträchtlich
angestiegen und werden nun zu einem Teil Opfer der Angstpolitik der
Bundesregierung. In Grenzregionen leidet besonders der Schitourismus unter
Rückgängen. Schätzungen für Westösterreich gehen von einem
Rückgang zwischen 10 und 30 Prozent aus, wobei nicht alle Gebiete gleich
stark betroffen sind.
Der Salzburger
ÖAMTC-Direktor Erich Lobensommer weist darauf hin, dass derart lange
Wartezeiten nicht nur den Autofahrern Nerven koste, sondern auch zum Schaden
von Anrainern und der Umwelt allgemein seien. „Wir ersparen uns letzten
Endes die gesamte Diskussion über Stickoxide, ob 80 oder 100 auf der Autobahn,
denn im Stau wird ein Vielfaches davon emittiert“, sagte Lobensommer.
Unverhältnismäßiger
Mehraufwand für Steuerzahler aufgrund von teurem Grenzeinsatz durch österreichische
Sicherheitskräfte
Teuer und völlig unverhältnismäßig
ist auch der 2015 als Konsequenz der beschlossenen Grenzkontrollen gestartete
Assistenzeinsatz des Österreichischen Bundesheeres an der Süd- und
Ostgrenze Österreichs. Dieser kostete laut einer Anfragebeantwortung des
Verteidigungsministers bisher 125,6 Mio. Euro. Über 50 Bedienstete der
Militärkommandos erhielten seit Beginn des Assistenzeinsatzes
Einsatzzulagen von jeweils mehr als 50.000 Euro brutto. Insgesamt sind
über 800 Soldaten aus sechs Assistenzkompanien das ganze Jahr über im
Assistenzeinsatz tätig. Zusätzlich sind selbstverständlich auch
noch Sicherheitskräfte der Österreichischen Bundespolizei im Einsatz.
Der finanzielle Aufwand
steht in keiner Relation zu den Zahlen der illegalen Grenzübertretungen
aus Ungarn und Slowenien, wo die österreichischen Grenzkontrollen
bestehen. 2018 kommt auf einen im Assistenzeinsatz an der Grenze eingesetzten
Soldaten nicht einmal ein aufgegriffener Flüchtling. Angesichts dieser Zahlen
ist es völlig unglaubwürdig, von einer Bedrohung für die
öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit zu sprechen, die die
Verlängerung von Grenzkontrollen rechtfertigen würde.
Schaden für das
Ansehen Österreichs während der Ratspräsidentschaft und Spaltung
der Gesellschaft
Mehr als die Hälfte
der Ratspräsidentschaft Österreichs ist nun vorbei. Die
österreichische Bundesregierung fiel bisher vor allem durch Fototermine in
Tracht und außenpolitische Eklats, wie etwa der berühmte Knicks der
Außenministerin vor dem russischen Präsidenten, auf. Der
österreichische Politikwissenschaftler Anton Pelinka drückte es
folgendermaßen aus: "Die Ratspräsidentschaft wird wie eine
gewaltige PR-Veranstaltung für die Wiener Regierung aufgezogen (und ein
wenig auch für die EU). Auf der einen Seite werden Bundeskanzler Sebastian
Kurz, sein Vize Heinz-Christian Strache und ihre Ministerriege den Wählern
zu demonstrieren versuchen, über welch beeindruckendes europapolitisches
Gewicht sie verfügen. Europa höre ihnen zu – ihnen, den
Wächtern über die Balkan- und andere Migrationsrouten" (Die Zeit,
25.6.18).
Die EU-Kommission
drängt bereits seit Anfang des Jahres auf ein möglichst baldiges Ende
der Grenzkontrollen. Innenkommissar Dimitris Avramopoulos sagte bereits damals,
er werde nationalen Grenzkontrollen "nicht für immer" zustimmen
und: "Wir müssen zügig zur normalen Funktionsweise des
Schengen-Systems zurückkehren. Die Wiedereinführung dauerhafter
Grenzkontrollen im Schengen-Raum wäre ein schwerer Rückschlag."
Es gehe nicht nur um die Reisefreiheit, sondern auch das Gefühl der
EU-Staaten, zusammenzugehören, statt von einander abgeschottet zu sein
(APA, 19.4.18).
Die Aufgabe der
österreichischen Bundesregierung während ihres Ratsvorsitzes
wäre es, im Sinne des Zusammengehörigkeitsgefühls zu
argumentieren, mit gutem Beispiel voranzugehen und die vier Grundfreiheiten der
Union im Sinne aller EU-Bürger_innen zu verteidigen. Ihr einziger
"Erfolg" hingegen war bisher, die Freiheiten der Unionsbürger
und Unionsbürgerinnen einzuschränken und einer Politik der Angstmache
und der Exklusion in ganz Europa Tür und Tor zu öffnen und sie
salonfähig zu machen. Statt Allianzen mit Kräften einzugehen, die ein
starkes, zukunftsfittes und nach außen hin einiges Europa vorantreiben
wollen, schließt man sich mit den Spaltern und Hinderern der
europäischen Einigung zusammen. Dieser Regierung liegt es nur daran,
weiterhin eine innere Bedrohung zu suggerieren und damit die Einschränkung
der Freiheit der Bürger_innen zu rechtfertigen. Die Spaltung der
Gesellschaft ist die Luft, die diese Regierung zum Atmen braucht. Über die
Folgen für die Österreicherinnen und Österreicher und deren
Geldbörse macht man sich offenbar keine Gedanken.
Aus diesem Grund stellen
die unterfertigenden Abgeordneten folgende
Formeller
Entscheidungsprozess
- Auf welche Vorschriften
der Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für
das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex)
stützt die Bundesregierung die erneute Verlängerung der
Grenzkontrollen an Binnengrenzen des Schengen-Raums im November 2018?
- Laut Art 25 Abs 1
Schengener Grenzkodex können Kontrollen für höchstens 30
Tage angeordnet werden, nach Abs 3 können diese um weitere 30 Tage
verlängert werden, nach Abs 4 können sie anschließend bis
zu einem Maximum von sechs Monaten verlängert werden. Warum wird von
der Bundesregierung eine Verlängerung direkt für sechs Monate
angeordnet, obwohl dies nicht dem Unionsrecht entspricht?
- Wie kommt die
Bundesregierung zu Ihrer Ansicht, dass das erneute Anordnen der
Grenzkontrollen alle sechs Monate (im November 2017, dann im Mai 2018,
jetzt im November 2018) rechtskonform ist?
- Namhafte
Europarechtsexperten widersprechen dieser Ansicht (Obwexer et al.,
siehe Begründung). Worin unterscheidet sich die Analyse der
Bundesregierung von der dieser Experten und welche Experten hat die
Bundesregierung herangezogen, um zu einer Entscheidung zu kommen?
- Wann, wie und in welcher
Form hat die Bundesregierung darüber entschieden, ob über
November 2018 hinausgehend Grenzkontrollen an Binnengrenzen des
Schengen-Raumes durchzuführen sind?
- Sehen Sie die Frage des
freien Personenverkehrs als eine der "grundsätzliche[n]
Angelegenheiten der Mitgliedschaft Österreichs bei der
Europäischen Union", die laut Bundesministeriengesetz iVm den
Erlässen des Bundespräsidenten zu Bundesminister_innen im BKA
in den Verantwortungsbereich des Bundeskanzlers fällt? Wenn nein,
warum nicht?
- Waren Sie als
Bundeskanzler in die Entscheidungsfindung involviert? Wenn ja, in welcher
Form? Wenn nein, warum nicht?
- Wann wurden Sie als
Bundeskanzler vom Innenminister über seine Pläne, die
Grenzkontrollen über November 2018 hinausgehend zu verlängern,
informiert?
- Wurde das Thema im
Ministerrat besprochen? Wenn ja, wann und in welcher Form? Wenn nein,
warum nicht?
- Wenn es eine Abstimmung
zwischen den relevanten Regierungsmitgliedern dazu gab, wurde im Rahmen
dieser auch eine mögliche Beendigung der Grenzkontrollen besprochen?
Wenn ja, welche Argumente gegen ein Ende der Kontrollen wurden Ihnen
vorgebracht und welche dafür? Wie hat die Abwägung
diesbezüglich stattgefunden?
- Der zuständige
EU-Kommissar Avramopoulos gab Anfang des Jahres an, mit all jenen Staaten
in engem Kontakt zu sein, die Kontrollen an ihren Grenzen aufrechterhalten.
Fanden im Vorfeld der Entscheidung Gespräche mit der
Europäischen Kommission zum Thema statt?
- Wie hat sich die
Kommission Ihnen oder anderen Mitgliedern der Bundesregierung
gegenüber über die beabsichtigte Verlängerung der
Grenzkontrollen geäußert?
- Wie gestaltete sich der
Dialog mit der Kommission dieses Jahr bezüglich der Grenzkontrollen
bisher generell?
- Ist diese
Verlängerung der Grenzkontrollen vorerst die letzte, vorausgesetzt,
es kommt nicht zu einer echten Notsituation?
- Was muss sich konkret
verändern, damit künftig auf Grenzkontrollen verzichtet wird?
Welche Indikatoren sind dafür relevant und wer hat diese wie
festgelegt?
Nachbarstaaten
- Gemäß Artikel
27 Abs 5f findet mindestens zehn Tage vor Wiedereinführung der
Grenzkontrollen eine "Konsultation, gegebenenfalls
einschließlich gemeinsamer Sitzungen zwischen dem Mitgliedstaat, der
die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen
beabsichtigt, den anderen Mitgliedstaaten, insbesondere jenen, die von der
solchen Maßnahmen unmittelbar betroffen sind, und der Kommission"
statt. Gibt es bereits einen Termin für diese Konsultationen? Wenn
ja, wann finden diese statt und wer nimmt an diesen teil? Wenn nein, warum
nicht?
- Wann fanden
Konsultationen zur letzten Verlängerung der Kontrollen im Mai 2018
statt? Was wurde von wem besprochen und worauf wurde sich
verständigt?
- Das slowenische
Innenministerium reagierte öffentlich äußerst irritiert
auf die Ankündigung Österreichs, weiterhin Grenzkontrollen an
der österreichisch-slowenischen Grenze durchführen zu wollen. Sie
teilten mit: "Diese Maßnahme ist ungerechtfertigt und
unverhältnismäßig, was auch die Statistiken
bestätigen. Diese zeigen, dass keine Gefahr von sekundärer
Migration und erst recht keine Gefährdung der internen Sicherheit
Österreichs besteht" (APA/STA, 28.09.18). Inwiefern
fließen die Bedenken der Nachbarstaaten (insbesondere Sloweniens) in
die Überlegungen zur Verlängerung der Grenzkontrollen ein?
- Wie beurteilen Sie
diese Einschätzung der Situation vonseiten der Slowenen?
- Gab es ein
Gespräch mit Slowenien über die geplante Fortführung der
Grenzkontrollen? Wenn ja, wann und worauf wurde sich verständigt?
Wenn nein, warum nicht?
- Gab es solche
Gespräche mit Ungarn? Wenn ja, wann und worauf wurde sich
verständigt? Wenn nein, warum nicht?
- Wird es zukünftig solche
Gespräche geben? Wenn ja, von wem und wann? Wenn nein, warum nicht?
- Wie stehen Sie als
Bundeskanzler zu den Kontrollen Deutschlands an der
deutsch-österreichischen Grenze?
- Haben Sie mit Ihrer
deutschen Amtskollegin Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel über die
etwaige Verlängerung der Grenzkontrollen gesprochen? Wenn ja, wann
und worauf wurde sich verständigt? Wenn nein, warum nicht?
- Hat ein anderes
Mitglied der Bundesregierung, insbesondere der Innenminister,
Gespräche mit seinem/ihrer deutschen Amtskollegen/in
diesbezüglich geführt? Wenn ja, wer, wann und worauf wurde sich
verständigt? Wenn nein, warum nicht?
- Wird es zukünftig
solche Gespräche geben? Wenn ja, von wem und wann? Wenn nein, warum
nicht?
Mitteilung sowie grundsätzliche
Bedingungen
- Wann und in welcher Form
wurde der Europäischen Kommission und den anderen Mitgliedsstaaten
mitgeteilt, dass Österreich im November 2018 wieder Grenzkontrollen
an den Binnengrenzen durchführen wird?
- Der Innenminister nennt
in seinen öffentlichen Auftritten immer wieder den "fehlenden
Außengrenzschutz" und das "Sicherheitsgefühl der
österreichischen Bevölkerung" (zuletzt APA, 12.10.18) als
Gründe für die Verlängerung der Grenzkontrollen. Diese
entsprechen nicht den Vorgaben nach Art 25 Schengener Grenzkodex. Sind die
im Schreiben an Kommission und Mitgliedstaaten vorgebrachten, anderen
Gründe lediglich vorgeschoben, um die Unrechtmäßigkeit der
Grenzkontrollen zu verschleiern? Beruht die weitere Verlängerung der
Grenzkontrollen in Wahrheit auf dem "Sicherheitsgefühl der
österreichischen Bevölkerung" und nicht auf einer
ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren
Sicherheit iSd Art 25 (1)?
- Das uns vorliegende
Schreiben des Innenministers enthält "die Bezeichnungen der
zugelassenen Grenzübergangsstellen", wie in Art 27 Abs 1 lit c
Schengener Grenzkodex verlangt, nicht. Wie lauten diese?
- Nach welchen
Gesichtspunkten wurde entschieden, an welchen Grenzen Kontrollen
stattfinden sollen und an welchen nicht? Welche Indikatoren wurden dabei
verwendet und wer legte diese fest?
- Warum wird an der
Grenze zu Italien nicht kontrolliert?
- Kontrollen werden nur
als "letztes Mittel" wiedereingeführt. Welche weiteren
Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um eine
Wiedereinführung der Grenzkontrollen zu vermeiden?
- Wie wurde diese
evaluiert?
- Warum waren bzw. sind
diese nicht ausreichend?
- Der Innenminister
argumentiert in seinem Schreiben, dass nur Binnengrenzkontrollen "den
österreichischen Grenzkontrollorganen das Instrument der
Zurückweisung in den Nachbarstaat ermöglichen". Warum
können laut Ansicht der Bundesregierung polizeiliche Kontrollen in
Grenznähe, die seit jeher auch im Schengenraum üblich sind und
laut Art 23 Schengener Grenzkodex bzw. § 35 Abs 1 Z 6f SPG explizit
vorgesehen sind, diesen Zweck nicht erfüllen?
- Der Innenminister
argumentiert in seinem Schreiben, dass "der Schmuggel von Tatmitteln
(z.B. Waffen vom Westbalkan)" ein "weiteres immanentes
Sicherheitsrisiko" darstellt und Grenzkontrollen hier einen
Sicherheitsgewinn bringen. Wie viele und welche "Tatmittel"
wurden in der Zeit von (a) 12.11.17-11.5.18 und (b) seit 12.5.18 an der
(i) österreichisch-slowenischen Grenze und (ii) österreichisch-ungarischen
Grenze sichergestellt?
- Art 26 Schengener
Grenzkodexes erfordert eine Bewertung durch den Mitgliedsstaat, inwieweit
mit einer derartigen Maßnahme der Bedrohung der öffentlichen
Ordnung oder der inneren Sicherheit gegebenenfalls voraussichtlich
angemessen begegnet werden kann und ob die
Verhältnismäßigkeit zwischen der Maßnahme und der
Bedrohung gewahrt ist. Der Innenminister gibt in seinem Schreiben dazu
lediglich bekannt, Österreich werde "die
Kontrollmodalitäten so gestalten, dass diese der Bedrohungslage
gegenüber verhältnismäßig sind und den
grenzüberschreitenden Reise- und Warenverkehr möglichst wenig
nachteilig beeinträchtigen".
- Der genannte Artikel
verlangt die Bewertung der voraussichtlichen Auswirkungen jeglicher Bedrohung
der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit,
einschließlich als Folge von terroristischen Zwischenfällen
oder Bedrohungen sowie durch die organisierte Kriminalität. Wie
wurde hierbei vorgegangen? Welche Indikatoren wurden dabei verwendet und
wer legte diese fest? Und was war das Ergebnis?
- Der genannte Artikel
verlangt ebenfalls die Bewertung der voraussichtlichen Auswirkungen, die
diese Maßnahme auf den freien Personenverkehr innerhalb des Raums
ohne Kontrollen an den Binnengrenzen haben wird. Wie wurde hierbei
vorgegangen? Welche Indikatoren wurden dabei verwendet und wer legte
diese fest? Und was war das Ergebnis?
- Wie wurde die Bewertung
der Verhältnismäßigkeit zwischen Maßnahme und
Bedrohung durchgeführt? Welche Indikatoren wurden dabei verwendet
und wer legte diese fest? Und was war das Ergebnis?
- Wie wurden die
Auswirkungen auf Ordnung und Sicherheit und die Auswirkungen auf den
freien Personenverkehr miteinander verglichen? Welche Indikatoren wurden
dabei verwendet und wer legte diese fest? Und was war das Ergebnis?
Berichtspflicht
- Gemäß Art 33
legt der Mitgliedstaat, der die Kontrollen an seinen Binnengrenzen
durchgeführt hat, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der
Kommission innerhalb von vier Wochen nach Aufhebung der Kontrollen an den
Binnengrenzen einen Bericht über die Wiedereinführung von
Kontrollen an den Binnengrenzen vor, in dem insbesondere die erste
Bewertung und die Einhaltung der in den Artikeln 26, 28 und 30 genannten
Kriterien, die Durchführung der Kontrollen, die praktische Zusammenarbeit
mit den benachbarten Mitgliedstaaten, die Auswirkungen auf den freien
Personenverkehr und die Wirksamkeit der Wiedereinführung der
Kontrollen an den Binnengrenzen, einschließlich einer
Ex-post-Bewertung der Verhältnismäßigkeit der
Wiedereinführung der Grenzkontrollen, dargestellt werden.
Österreich hat seit 2016 in fünf konsekutiven Perioden
Grenzkontrollen nach Artikel 25ff durchgeführt: (i)
12.11.16-12.02.17, (ii) 11.02.17-11.05.17, (iii) 11.05.17-11.11.2017, (iv)
12.11.17-12.05.18, (v) 12.05.18-11.11.18;
- Wurde für die
Perioden (i)-(iv) jeweils ein Bericht übermittelt? Wenn nein, warum
nicht?
i. Wurden diese veröffentlicht? Wenn ja, wo?
Bitte um Übermittlung. Wenn nein, warum nicht?
- Wird für die
Periode (v) ein Bericht erstellt? Wenn ja, wann wird dieser
fertiggestellt? Wenn nein, warum nicht?
i. Wird dieser Bericht veröffentlicht? Wenn ja,
wann und wo? Wenn nein, warum nicht?
Auswirkungen auf die
österreichische Wirtschaft, insbesondere den Tourismus
- Wie hoch schätzen
Sie die Kosten für die österreichische Wirtschaft auf Grund der
von Österreich durchgeführten Grenzkontrollen? Bitte um
Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahr.
- Wie hoch schätzen
Sie die Kosten für die österreichische Wirtschaft auf Grund der
von Deutschland durchgeführten Grenzkontrollen? Bitte um
Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahr.
- Welche Folgen haben die
aktuellen Personenkontrollen Ihrer Information nach für das Handelsvolumen?
- Gab bzw. gibt es eine
insgesamte und alle relevanten Ressorts beinhaltende
Folgenabschätzung für die Wirtschaft, insbesondere den
Tourismus? Wenn ja, von welchen Folgen geht man für die nächsten
sechs Monate für die einzelnen Bundesländer (bitte um
Aufschlüsselung) aus? Wenn nein, warum nicht?
- Gab es im Vorfeld der
Grenzkontrollenverlängerung einen Austausch mit Vertretern der
Wirtschaft, um mögliche Auswirkungen zu diskutieren? Wenn ja, wann
und mit wem? Wenn nein, warum nicht?
- Welchen Umfang hat der
Schaden, den die Wirtschaft durch die bisherigen Grenzkontrollen seit
2015, nahm? Bitte um nach Bundesland und Jahr.
- Wie groß ist der
Rückgang der Übernachtungen sowie der Schaden am Tagestourismus
Ihrer Information nach? Bitte um nach Bundesland, Jahr und Volumen der
dadurch entgangenen Einnahmen.
Auswirkungen auf die
Umwelt
- Durch vermehrte Staus,
die durch die Grenzkontrollen verursacht werden, kommt es auch zu einer
stärkeren Umweltbelastung. Gab es eine Erhebung der Folgen, die diese
Grenzkontrollen auf die Umwelt haben? Wenn ja, zu welchem Schluss ist man
gekommen? Wenn nein, warum nicht? Bitte um Aufschlüsselung nach
Bundesland und Jahr.
- Wie entwickelten sich
Emissionen, v.a. Stickoxide, Feinstaub und CO2 an von den
österreichischen oder deutschen Grenzkontrollen betroffenen
Verkehrshotspots in Österreich seit 2015? Bitte um Aufschlüsselung
nach Bundesland, Messstelle und Jahr.
- Wurden seitens der
Bundesregierung kompensatorische Maßnahmen gesetzt, um die
zusätzliche Belastung auszugleichen? Wenn ja, welche? Wenn nein,
warum nicht? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahr.
Verwaltungsaufwand,
Personal und Kosten
- Welcher zusätzliche
Verwaltungsaufwand entstand durch die Einführung der nationalen Grenzkontrollen?
Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland und Jahr.
- Wie viele Bedienstete
des Innenministeriums sowie anderer Ressorts sind mit der Abwickelung der
Grenzkontrollen beschäftigt (inkl. Polizeibeamte, die
überwiegend bei Grenzkontrollen eingesetzt sind)? Bitte um
Aufschlüsselung nach Bundesland, Ressort und Jahr.
- Welche Kosten
verursacht dies? Bitte um Aufschlüsselung nach Bundesland, Ressort
und Jahr.
In formeller Hinsicht
wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühestmöglichen
Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur
mündlichen Begründung zu geben.