2367/J XXVI. GP

Eingelangt am 28.11.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Dr. Hannes Jarolim, Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz

betreffend Die Heimopferrente von Kirchenmissbrauchsopfern

„Wieso erhalten Opfer von Misshandlungen in kirchlichen Kinder-oder Jugendheimen eine Rente, aber Opfer von Misshandlungen in Pfarren nicht?". Diese beklemmende Frage stellen sich viele Opfer von in Pfarren getätigten sexuellen Misshandlungen, insbesondere angesichts vielfach empfundener Untätigkeit der den missbrauchenden Würdenträgern vorgesetzter Stellen. Die Diskussionen um Herrn Bischof Groer und der Umgang mit den seinerzeitigen Vorwürfen können hier als mahnendes Beispiel empfunden werden.

Anlassfall eines nun sogar beim VfGH anhängigen Verfahrens ist solch eine Ungleichbehandlung eines steirischen Opfers kirchlichen Missbrauchs. Der heute 52-Jährige klagt, von einem Pfarrer wiederholt schwer missbraucht und hilflos allein gelassen worden zu sein. Die Folge war - so wie bei fast allen anderen sexuell missbrauchten Kindern auch - eine tiefe Traumatisierung, welche sich das ganze Leben lang in unterschiedlicher Intensität bemerkbar macht. Dass Opfer sexueller Missbräuche in besonderem Ausmaß Zuneigung und Betroffenheit der Gesellschaft benötigen um mit ihrem schweren Los so umzugehen, dass nicht deren gesamtes Leben zerstört wird, ist eine keineswegs neue Erkenntnis der Medizin, insbesondere der Psychiatrie.

Daher hat es das Opfer im gegenständlichen Fall auch als schmerzhaft empfunden, dass ihm im Zuge der an sich zutiefst zu begrüßenden Aufarbeitungsarbeiten des Staates zugunsten der vielen Geschändeten von der Bischofskonferenz bzw. Kardinal Schönborn eingesetzten „Klasnic-Kommission" als „Geste" ein Betrag von € 15.000 zugezählt wurde, die für Opfer vorgesehene Heimopferrente aber vorenthalten wurde. Der Umstand ist nunmehr - mangels Reaktionen staatlicher Behörden und Organe - beim VfGH anhängig.

Das Opfer schildert, in den 1980er-Jahren im Zuge des Firmunterrichts mehrfach von einem sein Autoritätsverhältnis massiv ausnützenden Pfarrer bedrängt und sexuell missbraucht worden zu sein. Der Pfarrer habe sich auch als „Serientäter" erwiesen und unzählige weitere Kinder bedrängt und sexuell missbraucht. Er habe weder Reue gezeigt noch sich bis dato vor einem Gericht verantworten müssen. Von der Kirche wurde er letztlich immerhin suspendiert.

Was geblieben ist, sind schwere Traumatisierung der steirischen Opfer. Der 52-jährige Akademiker wurde derart massiv geschändet/geschädigt/traumatisiert, dass er nun sogar erwerbsunfähig wurde und nun eine niedrige Rente bezieht. Infolgedessen fordert er nun eine lebenslange Opferrente nach dem Heimopferrentengesetz (HOG), wobei von der Klasnic-Kommission bereits 2012 Folgeschäden anerkannt wurden und es zu einer Geste in Form der Auszahlung eines Betragen in Höhe von € 15.000 kam.

In gegenständlicher Causa hat die Sozialversicherung des 52-jährigen Opfers zwischenzeitlich beantragt, man möge dem 52-Jährigen keine Rente nach dem Heimopferrentengesetz (HOG) ausbezahlen und zwar mit der Begründung, dass, laut Auskunft der Klasnic-Kommission, der 52-Jährige zwar ein anerkanntes Opfer sei, jedoch nicht die Voraussetzungen des HOG erfülle.

Nach dem Heimopferrentengesetz (HOG) gebührt „Heimopfern" zwölf Mal jährlich eine monatliche Zusatzrente von EUR 300,-. Voraussetzung dafür ist, dass das ehemalige Gewaltopfer bereits eine Entschädigung einer Opferschutzeinrichtung erhalten hat. Gleiches gilt bei Gewährung der Mindestsicherung wegen dauerhafter Erwerbungsfähigkeit infolge der Missbrauche. Im August 2018 kam es auf Drängen der SPÖ zu einer Ausweitung des HOG. Künftig sind nun auch Personen, die als Kinder oder Jugendliche in Krankenanstalten, Psychiatrieeinrichtungen, in städtischen Kinderheimen oder Einrichtungen privater Träger schwer misshandelt bzw. missbraucht wurden, vom Gesetz erfasst.

§ 1 Abs. 1 HOG sieht nun ausdrücklich vor, dass „Personen, die sich... wegen nach dem 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1999 erlittener Gewalt im Rahmen einer Unterbringung ... in entsprechenden Einrichtungen der Kirchen." befanden, anspruchsberechtigt sind.

Andere Formen von Gewaltakten, die innerhalb der kirchlichen Mauern Kindern und Jugendlichen angetan wurden, seien laut Ansicht der Bundesregierung nicht vom HOG umfasst.

Die zuständigen Organe der Bundesregierung unter BK Sebastian Kurz argumentieren hierzu, dass die Bevorzugung ehemaliger Heim- und Pflegekinder verfassungskonform wäre, mit den Worten: „Diese Kinder waren - meist zwangsweise im Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe - von ihren Familien getrennt und Heimen oder Pflegefamilien zugewiesen. Diese Opfer erscheinen deshalb besonders schutzbedürftig, weil eine effektive Unterstützung durch ihre Angehörigen gegen systematische Misshandlungen von vornherein ausschied." Von vielen als zynisch empfunden wurde seitens genannten Organe auch betont, dass die Heimopferrente eine Art „freiwillige Beihilfe" wäre und der Gesetzgeber über einen hohen Gestaltungsspielraum verfüge.[1]

Derzeit erhalten Missbrauchsopfer (unabhängig davon, ob sie in Heimen untergebracht waren oder beispielsweise nur in der Kirche zum Firmunterricht waren) eine finanzielle Abgeltung durch die Klasnic-Kommission, einer von der katholischen Kirche eingesetzten „Opferschutzanwaltschaft" (eine Art Schadenabwicklungseinrichtung der Tätervertreter). Das Geld, dass die Kirche zur Entschädigung bereitstellt, stammt aus einer eigenen Opferschutzeinrichtung.[2] Dotiert werden die finanziellen Entschädigungen von der Bischofskonferenz, der Superiorenkonferenz und der Vereinigung der Frauenorden Österreichs.

 

Finanzielle Abgeltungen soll es von 5.000 Euro bis hin zu 25.000 Euro geben. 5.000 bei leichten Fällen „ohne überschießender'' Gewaltanwendung, 15.000 Euro gibt es für mehrfache Übergriffe über einen längeren Zeitraum hinweg; bis zu 25.000 stehen Opfern von „über mehrere Jahre hinweg fortgesetzten Missbrauch mit Verletzungsfolgen und/oder fortdauernden seelischen Schmerzen" zu. Bei der Summe würde man sich an der Judikatur der vergangenen Jahre orientieren.[3]

Im Gegensatz dazu hat bei einem Prozess gegen das Kloster Mehrerau der Vergleich eine Entschädigung von € 250.000 ergeben.

Die Rechtsvertreter der Plattform „Betroffene Kirchlicher Gewalt" hatten 130.000€ für jedes Opfer kirchlicher Gewalt gefordert und sprachen von einer „Beleidigung der Betroffenen" für die Auszahlung derart niedriger Summen, da „gerade eine Institution wie die römisch-katholische Kirche, die über ein Milliardenvermögen verfügt" nicht einmal bereit sei, in der Höhe der ohnehin geringen gerichtlichen Praxis zu entschädigen".[4]

Auch die Klasnic-Kommission muss sich immer wieder mit heftiger Kritik an ihren Entscheidungen auseinandersetzen.[5] Wie bereits erwähnt ist die Klasnic-Kommission datenschutzrechtlich ein Teil der Erzdiözese Wien bzw. der Bischofskonferenz. Die von der Klasnic-Kommission stets angepriesene „Unabhängigkeit" zur Aufklärung kirchlicher Missbrauchsverbrechen ist allerdings aufgrund dieser Zugehörigkeit zu hinterfragen.

So ist es keine Überraschung, dass die Klasnic-Kommission 2012 Daten eines Missbrauchsopfers an die Bischofskonferenz weitergegeben hatte. Unter Daten versteht man hier: Namen, Anschrift, Taufdaten und Kirchenaustrittsdaten sowie die Art des Missbrauchs, Orte des Missbrauchs, Namen von Therapeuten und die gesammelte Korrespondenz zwischen Opfer und Opferschutzanwaltschaft gespeichert, sowie Clearing-Daten. Im Prinzip also jene höchst sensiblen Informationen, die im psychologischen Gutachten zur Ermittlung der Höhe des Schadensersatzes gesammelt werden.

Die Weitergabe eines Schreibens an Betroffene von bestimmten Tätern, die sich bei der Klasnic- Kommission gemeldet haben, wodurch sich Betroffene untereinander vernetzen könnten, wurde nicht gestattet.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Staat durch die Heimopferrente seiner Verpflichtung nachkommt und die Erstattung von in ihrem Bereich entstandenem Leid und schweren Schäden, in Heimen und Spitälern, anvertrauten Menschen übernimmt. Die Kirche kommt jedoch den anderen Formen von Gewaltakten, welche innerhalb der kirchlichen Mauern Kindern und Jugendlichen angetan wurden, und vom HOG nicht mitumfasst sind, nicht nach. Einmalige finanzielle Abgeltungen durch die Klasnic- Kommission sind oftmals nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Viele Missbrauchsopfer sind oftmals (auch nach all der Zeit) derart massiv geschändet/geschädigt/traumatisiert und enden in der Erwerbsunfähigkeit.

In vielen Fällen fehlt nach wie vor eine Aufklärung und die unverzügliche Beendigung bestehender Missbrauche. Sie wurde schlicht nicht durchgeführt. Teilweise wurde sogar mit Argumenten agiert, welche den Opfern ein weiteres Mal Leid und Schaden zufügte.

Es ist gut und richtig, dass dem Staat das Schicksal der Kinder von damals keineswegs gleichgültig ist, sondern er sich für die Kinder von damals, aber auch von heute, verantwortlich zeigt.[6] Der Staat übernimmt hier aber die Verantwortung der Kirche, welche viel zu oft ihre schützender Hand über solche geistigen Würdenträger gehalten hat, deren sexuelle Missbrauche unzähligen Kindern die Lebenskraft gebrochen und deren Zukunft und Chancen genommen hat. Medizinische Erkenntnisse sprechen hier Bände.

Übrig bleiben aber diejenigen Missbrauchsopfer, welche nur eine einmalige finanzielle Abgeltung durch die kircheneigene Klasnic-Kommission erhalten haben. Opfer brauchen mehr als nur eine einmalige finanzielle Entschädigung für das ihnen zugetragenen Leid. Die schwere Traumatisierung und massive Schändung kann mit einer einmaligen Entschädigung nicht geheilt werden. Weshalb sich die Kirche, welche ein Milliardenvermögen aufweist, ihrer Verantwortung entzieht, kann nur hinterfragt werden. Nächstenliebe sieht anders aus.

 

 

 

Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz nachstehende


Anfrage

1.       Ist in Planung, Opfern von Organträgern kirchlicher Organisation, welche nicht in Pflegefamilien oder Heimen untergebracht wurden, in das HOG zu integrieren?

2.       Derzeit kommt der Staat, also die Steuerzahler, für die Entschädigung durch die Heimopferente auf, und nicht die Kirche selbst. Ist eine Gesetzesänderung vorgesehen, in welcher die Kirche für die Heimopferrente aufzukommen hat?

a.       Wenn ja, wie würde ein Gesetzesentwurf aussehen?

b.       Wenn nein, wieso nicht?

3.       Missbrauchsopfer, welche eine einmalige finanzielle Abgeltung durch die Klasnic-Kommission erhielten, aber die Voraussetzungen für den Erhalt der Heimopferrente nicht erfüllen, erhalten keine Rente für das ihnen Zugefügte, Ist eine Gesetzesänderung vorgesehen, in welcher die Kirche für eine Rente aufzukommen hat?

a.       Wenn ja, wie würde ein Gesetzesentwurf aussehen?

b.       Wenn nein, wieso nicht?

4.       Im Strafrecht existierte eine Verjährungshemmung spezifisch bei Delikten gegenüber Minderjährigen gemäß §58 Abs. 3 Zif. 3 StGB, im Zivilrecht gibt es keine explizite Regelung; es gelten die allgemeinen Bestimmungen. Im Strafrecht ist sich verjährungsrechtlich der Gesetzgeber der spezifischen Situation von Minderjährigen bewusst ist, wenn sie Opfer von Straftaten werden, im Zivilrecht ist dies nicht der Fall. Diese unterschiedliche Vorgangsweise ist nicht nachvollziehbar, da die Problematik an sich die gleiche ist. Aufgrund dieser kurzen Verjährung gemäß § 1489 ABGB - der zweite Satz ist bei Geistlichen aufgrund ihrer Vermögenslosigkeit nicht von Relevanz - ist es den minderjährigen Betroffenen unmöglich, zu einer Entschädigung zu kommen, da Traumatisierung und Stigmatisierung dem entgegenstehen. Es scheint unumgänglich, die Verjährung bei Verbrechen gegen Minderjährige im Zivilrecht aufzuheben, da ansonsten nur die Täter und ihre Organisation durch die Verjährung geschützt werden

a.       Ist eine Gesetzesänderung im ABGB geplant, welche die Verjährung des § 1489 ABGB dahingehend abändert, dass im Falle einer Entschädigungsklage aufgrund des Vorliegens eines Personenschadens eines Minderjährigen, der Personenschaden vorsätzlich herbeigeführt wurde und die Minderjährigkeit des Beschädigten ursächlich oder jedenfalls begünstigend für die rechtswidrige Handlung des Schädigers war, der Einwand der Verjährung ausgeschlossen werden kann?

b.       Wenn nein, warum nicht?

5.       Ein weiteres Problem liegt darin, dass oftmals nicht Priester zur Zahlung herangezogen werden können, da diese de facto vermögenslos sind. (§ 1489 Satz 2 ABGB) Folglich wäre nach den Grundregelungen der österreichischen Rechtsordnung die gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft zur Begleichung heranzuziehen.

Ist es geplant einen eigenen zivilrechtlichen Haftungstatbestand für anerkannte gesetzliche Religionsgemeinschaften einzuführen, welche vor allem dadurch Straftaten Vorschub leisteten, dass sie Straftaten systemisch verheimlichen und die Verfolgung über Jahre und Jahrzehnte massiv erschweren und diese Straftaten in einem eklatanten Widerspruch zu den eigenen religiösen Botschaften stehen, welche diese Religionsgemeinschaften nicht zuletzt aufgrund ihrer gesetzlichen Anerkennung öffentlich und somit privilegiert verbreiten und diese gesetzliche Anerkennung für die Verheimlichung dieser Straftaten ge- und benutzt wird umso die Verfolgung dieser Straftaten massiv erschweren? Auf die Überlegungen des Verbandsverantwortlichengesetzes wird hierbei verwiesen.

a.       Wenn ja in welche und wie?

b.       Wenn nein, warum nicht?



[1] https://derstandard.at/2000088208823/Kirchenmissbrauchsopfer-schaltet-wegen-Heimopferrente-VfGH-ein

[2] https://religion.orf.at/stories/2703515/

[3] https://newsv1.orf.at/100625-52715/?href=https%3A%2F%2Fnewsv1.orf.at%2F100625-52715%2F52716txt_story.html

[4] https://newsv1.orf.at/100625-52715/?href=https%3A%2F%2Fnewsv1.orf.at%2F100625-52715%2F52716txt_story.html

[5] https://derstandard.at/1317018561370/Missbrauch-in-der-Kirche-Heftige-Kritik-an-Klasnic-Kommission; https://derstandard.at/1326504064349/Missbrauchsvorwuerfe-Klasnic-Kommission-Kein-Geld-trotz-Gestaendnisses

[6] https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2017/PK0476/