2375/J XXVI. GP

Eingelangt am 29.11.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Claudia Gamon‚ MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend weiterführende Klärung des rechtlichen Umfeldes für Kryptowährungen und Blockchain

 

Die Erfindung von Bitcoin im Jahre 2009 war gleichzeitig auch die Erfindung einer neuartigen Technologie – der Blockchain – welche in Zukunft durch ihre viele verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten eine große Rolle in vielen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Bereichen spielen kann. Blockchain und Distributed Leger Technology weisen daher großes disruptives Potenzial auf. Österreich ist international bereits ein attraktiver Standort für Blockchain-Technologie und der darauf aufbauenden Kryptoökonomie. Dieser Trend muss fortgesetzt werden und benötigt daher einen klaren und attraktiven Rechtsrahmen – sowohl auf österreichischer als auch auf gesamteuropäischer Ebene.

Laut Regierungsprogramm ist in der laufenden Legislaturperiode die "Schaffung umfassender Rechtssicherheit für die Chancen der Digitalisierung und den Einsatz neuer Systeme" geplant. Ein neuer Rechtsrahmen soll "innovative, neue Geschäftsmodelle und Technologien im Sinne der gesellschaftlichen Entwicklung ermöglichen und gleichzeitig die Datenautonomie/-hoheit des Bürgers und Konsumenten sicherstellen." Konkret ist dazu die "Definition von Pilotprojekten in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, um die Umsetzung der digitalen Transformation in der öffentlichen Verwaltung zu fördern" geplant.

Durch unsere Anfragen im Frühjahr 2018 zur rechtlichen Behandlung von Kryptowährungen und Blockchain-Anwendungsformen in Österreich konnten bereits einige Fragen geklärt werden – einige andere bleiben aber nach wie vor offen. Ein umfassendes und klar definiertes rechtliches Umfeld für Unternehmen und Privatpersonen ist wesentlich für den österreichischen Wirtschaftsstandort und die europäische Datenwirtschaft.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    In Ihrer Anfragebeantwortung 382/AB wiesen Sie darauf hin, dass es aus Sicht des Vollzuges primär darum ginge, "klare Rahmenbedingungen und Rechtssicherheit zu schaffen." Welche konkreten Maßnahmen wurden seit der letzten Anfragebeantwortung in Ihrem Ressort gesetzt, um Rechtssicherheit und klare Rahmenbedingungen im Bereich Blockchain und Kryptowährungen zu schaffen und welche Maßnahmen befinden sich gerade in Planung?
a. Wie hoch ist der personelle und budgetäre Aufwand derzeit, um möglichst rasch Rechtssicherheit und klare Rahmenbedingungen in diesem Bereich zu schaffen?
b. Inwiefern befinden Sie sich im Austausch mit anderen Ressorts was die Schaffung Rechtssicherheit und klaren Rahmenbedingungen im Bereich Blockchain und Kryptowährungen betrifft?
c. Inwiefern befinden Sie sich – abgesehen vom FinTech-Beirat – im Austausch mit Stakeholdern aus der Privatwirtschaft bzw. aus der Wissenschaft?
d. Welche Ansätze werden in der Ausarbeitung eines neuen Rechtsrahmens verfolgt und nach welchen Gesichtspunkten wurden diese Ansätze ausgewählt?
e. Wann ist mit der öffentlichen Präsentation des neuen Rechtsrahmen zu rechnen?

2.    Inwiefern haben sie sich während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft für die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Rechtsrahmens für "innovative, neue Geschäftsmodelle und Technologien," Blockchain-Technologie im Allgemeinen oder spezifische Anwendungsfälle eingesetzt?

3.    Wann werden die im Regierungsprogramm angekündigten Regulatorischen Sandboxes umgesetzt?
a. Wie hoch sind die Mittel, die dafür bereitgestellt werden?
b. Werden die Kosten zur Gänze vom BMF getragen?
c. Inwiefern sind andere Ministerien in die Umsetzung Regulatorischen Sandboxes involviert?
d. Inwiefern sollen die Erkenntnisse anderen Ressorts, bzw. der Scientific Community oder der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden?
e. Inwiefern unterstützt die österreichische Bundesregierung die Forderung des Europäischen Parlaments, eine Beobachtungsstelle zur Überwachung neu ausgegebener virtueller Währungen bei der Kommission einzurichten und darüber hinaus eine Datenbank zur Klassifizierung von Kryptowährungen zu schaffen, sowie die Schaffung einer gesamteuropäischen regulatorischen Sandbox?

4.    Inwiefern ist Ihnen bekannt, dass österreichische Banken in der Vergangenheit Blockchain-Unternehmer_innen Kontoeröffnungen verweigert, bestehende Konten gesperrt oder Geschäftsbeziehungen beendet haben?
a. Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um diese Situation für Blockchain-Unternehmen in Österreich zu verbessern?
b. In welchem Austausch befindet sich Ihr Ressort mit Blockchain-Unternehmer_innen?
c. Inwiefern ist geplant, durch einen Leitfaden oder durch ein Rundschreiben die Unsicherheiten bei Banken mit Geschäftsbeziehungen zu Kryptounternehmer_innen zu verringern, wie dies z.B. in Deutschland und in der Schweiz geschehen ist?

5.    Aus Ihrer letzten Anfragebeantwortung geht hervor, dass bei der FMA eine "Kontaktstelle FinTech" als Anlaufstelle für Unternehmen eingerichtet wurde. Dazu:
a. Wie viele Unternehmen haben sich seit der Einrichtung der Stelle bis zum Tag der Anfragebeantwortung mit Fragen an die "Kontaktstelle FinTech" gewandt?
b. Welche Fragestellungen sind am Häufigsten aufgetreten?
c. Wann ist mit einer Evaluierung der "Kontaktstelle FinTech" und den aufgetauchten Fragestellungen zu rechnen?

6.    Mit dem JStG 2018 wird für Abgabenpflichtige die Möglichkeit erweitert bindende Auskunftsbescheide gemäß § 118 BAO zu erhalten (Advance Ruling). Bisher konnten schon Rechtsfragen im Zusammenhang mit Umgründungen, Unternehmensgruppen und Verrechnungspreisen sowie eine Forschungsbestätigung Gegenstand von Auskunftsbescheiden sein. Entsprechend dem Regierungsprogramm wurde die Möglichkeit verbindliche Auskunftsbescheide zu erlangen auf Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem internationalen Steuerrecht, die Umsatzsteuer und dem Vorliegen von Missbrauch (§ 22 BAO) erweitert. Ein Auskunftsbescheid, wie gemäß § 23 FMABG für Start-Ups, neuartige Geschäftsmodelle und damit im Zusammenhang stehende Rechtsfragen, ist nicht vorgesehen. Dazu:
a. Gibt es Überlegungen, Auskunftsbescheide für Start-Ups und neuartige Geschäftsmodelle auch im Bereich des Abgabenrechts vorzusehen?
b. Wieviele Anfragen wurden von Start-Ups oder betreffend neuartige Geschäftsmodelle beim BMF und den Finanzämtern eingereicht?
c. Wieviele Anfragen wurden vom BMF und von den Finanzämtern gegenüber Start-Ups oder im Zusammenhang mit neuartigen Geschäftsmodellen im Jahr 2018 beantwortet?
d. Wie lange dauert die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Anfragen?
e. Gibt es Überlegungen – selbstverständlich in anonymisierter Form – die Veröffentlichung von Anfragebeantwortungen von Start-Ups oder neuartigen Geschäftsmodellen ähnlich wie die BMF-Erledigungen im Zusammenhang mit dem „Express-Antwort-Service (EAS)“ in der Finanzdokumentation des BMF („FinDok“) vorzusehen um die gebotene Transparenz derartiger Einzelfallerledigungen zu gewährleisten?

7.    Mit der Schaffung der Auskunftsbescheide gemäß § 23 FMABG wird für Start-Ups die Möglichkeit geschaffen, insbesondere für neuartige Geschäftsmodelle und damit im Zusammenhang stehende Konzessionspflichten eine verbindliche aufsichtsrechtliche Beurteilung zu erhalten. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass es Start-Ups unverhältnismäßig lange auf einen solchen Bescheid warten müssen und dadurch dessen Nützlichkeit erheblich eingeschränkt ist. Dazu:
a. Wieviele derartige Anträge gemäß § 23 FMABG wurden im Jahr 2018 eingereicht?
b. Wieviele sind davon von der FMA behandelt und abgeschlossen worden?
c. Gibt es Überlegungen, die Bearbeitungsdauer der FMA durch zusätzliche Bereitstellung von personellen Ressourcen zu reduzieren?

8.    Der FinTech-Beirat soll Ihr Ressort dabei beraten, Kryptowährungen, ICOs und FinTech-Startups und innovative Finanzprodukte zu regulieren. Dieser Beirat soll bis Jahresende Vorschläge für Maßnahmen machen. Dazu:
a. Welche Personen wurden in den FinTech-Beirat berufen und nach welchen Gesichtspunkten wurden diese Personen ausgewählt?
b. Befinden sich auch Vertreter_innen anderer Ministerien und Ressorts im FinTech-Beirat?
c. Inwiefern stehen Sie mit anderen Ressorts in Kontakt bezüglich der Vorschläge des FinTech-Beirats und zu welchen Regulierungsthemen?
d. Wie oft/in welchen Abständen finden Sitzungen des Beirats statt?
e. Wann ist mit einer Veröffentlichung der Vorschläge zu rechnen?
f. In welchem Zeitraum sollen die Vorschläge des FinTech-Beirat in eine gesetzliche Regulierung (Regierungsvorlage/Ministerialentwurf) überführt werden?
g. Ist geplant, den Beirat über das Ende 2018 und die Veröffentlichung der Vorschläge fortzusetzen?
h. Welche Initiativen im FinTech-Bereich sind im Bundesministerium für Finanzen darüber hinaus in den nächsten Jahren geplant?

9.    Inwiefern sind unterschiedliche Arten von Kyptowährungen, konkret: Kryptowährungs-Token, Utility Token, Equity Token und Asset-Backed Token, als zum börsemäßigen Handel geeignete Waren im Sinne des BörseG 2018 einzustufen? Bitte um Aufschlüsselung nach der jeweiligen Kryptowährungsart.

10. Am 02. Oktober 2018 führte die Österreichische Kontrollbank eine Staatsanleihen-Auktion mit Einsatz der Blockchain-Technologie um. Hierbei wurde die Ethereum-Blockchain verwendet um die Notarisierung und Protokollierung der Daten durchzuführen.
a. In welchem Ausmaß war das BMF hierbei involviert?
b. In welchem Ausmaß war der FinTech-Beirat des BMF in die Umsetzung involviert?
c. Es werden seitens der OeKB AG weitere Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie geprüft. Inwieweit ist das BMF hierbei involviert und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
d. Welche weiteren Einsatzmöglichkeiten sehen Sie hierbei in Zukunft?

11. Welche konkreten Maßnahmen sind geplant, um eine Tokenisierung von Unternehmensanteilen in Österreich zu ermöglichen?
a. Schätzen Sie die Übertragung von Unternehmensanteilen mittels Blockchain-Technologie als einen zulässigen Modus ein?
b. Inwiefern soll ein Eintrag in der Blockchain die Eintragung im (digitalen) Aktienbuch ersetzen?
c. Inwiefern soll die Blockchain als digitales Aktienbuch gewertet werden?
d. Welche rechtlichen Änderungen sollen diesbezüglich im Aktien-, GmbH- und Börsegesetz umgesetzt werden?
e. Inwiefern soll das Verbot des Insider-Handels und die Meldepflichten des Börsegesetzes auch auf Kryptoassets ausgedehnt werden?
f. Inwiefern befinden Sie sich diesbezüglich im Austausch mit dem BMDW?

12. Welche konkreten Maßnahmen wurden bereits gesetzt, bzw. befinden sich derzeit in Planung, um die Schaffung von Initial Coin Offerings und das öffentliche Angebot von Security Tokens zu unterstützen?
a. Inwiefern soll das Mining von Kryptowährungen als Alternativer Investmentfond (AIF) qualifiziert und folglich dem Alternativen Investmentfonds Manger-Gesetz (AIFMG) unterliegen?
b. Sind ICOs/ITOs in Österreich mit Kryptowährungs-, Utility-, Equity- oder Asset-Backed-Token jeweils grundsätzlich bereits durchführbar? Bitte um Beantwortung für die jeweilige Kryptowährungsart.
c. Welche rechtlichen Anforderungen und Einschränkungen sind in Österreich bei der Durchführung von ICOs/ITOs in Österreich mit Kryptowährungs-, Utility-, Equity- oder Asset-Backed-Token jeweils zu beachten? Bitte um Beantwortung für die jeweilige Kryptowährungsart.

13. Inwiefern teilt teilt das Ministerium die Ansicht der FMA sowie Rechtsexperten, dass Security-Token, die gesellschaftsrechtliche oder schuldrechtliche Ansprüche verkörpern, Wertpapiere iSd MiFiD II darstellen und damit unter die Kapitalmarktaufsichtsgesetze fallen?

14. Wie ist der Handel mit Kryptowährungen mit Kryptowährungs-, Utility-, Equity- oder Asset-Backed-Token gewerberechtlich einzuordnen? Inwiefern ist geplant, ein neues Gewerbe zu schaffen und in die Gewerbeordnung aufzunehmen? Bitte um Beantwortung für die jeweilige Kryptowährungsart.

15. Wie ist die steuerliche Behandlung jener Fälle bei welchen eine Kryptowährung über einen Proof-of-Stake (PoS) Konsens-Algorithmus von Privatpersonen, bzw. Unternehmen erzeugt werden?

16. Wie ist die steuerliche Behandlung jener Fälle bei welchen eine Kryptowährung über einen Delegated Proof-of-Stake (DPoS) Konsens-Algorithmus von Privatpersonen, bzw. Unternehmen erzeugt werden?

17. Wie ist die rechtliche und steuerliche Behandlung beim Betrieb von Masternodes bei unterschiedlichen Konsens-Algorithmen (PoW, PoS, DPoS, etc.) für private, bzw. gewerbliche Betreiber?

18. Nach der Novelle der Geldwäscherichtlinie sollen auch künftig Anbieter elektronischer Geldbörsen ("Wallet-Anbieter") sowie Dienstleistungsanbieter, die den Umtausch von virtuellen Währungen in Fiatgeld ausführen ('Kryptobörsen') den geldwäscherechtlichen Verpflichtungen unterworfen werden.
a. Wann ist mit der Implementierung der Richtlinie in die österreichische Rechtsordnung zu rechnen?
b. Kommt es zu einer Änderung des Finanzmarkt-Geldwäschegesetz (FM-GwG)?
c. Kommt es zu einer Änderung der Gewerbeordnung (GewO)?
d. Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Novelle der Geldwäscherichtlinie in Österreich ein?
e. Wie soll durch die geldwäscherechtliche Verpflichtung der "Gatekeeper" für den Einstieg in virtuelle Währungen ein "kryptofreundlicheres" Umfeld geschaffen werden?
f. Inwiefern fallen Unternehmen, die ICOs/ITOs ausüben unter den Anwendungsbereich der Geldwäscherichtlinie?
g. Inwiefern fallen Plattformen, welche verschiedene Kryptowährungen eintauschen, ohne dass staatliche Währungen auf der Plattform involviert sind (Krypto-Krypto), unter den Anwendungsbereich der Geldwäscherichtlinie?

19. Wie sollen sogenannte dezentrale Kryptowährungsbörsen in Österreich rechtlich behandelt werden und welche Problematiken ergeben sich im aktuellen Rechtssystem für diese neuartige Form einer Tauschbörse?

20. Ein signifikanter Anteil der Meldungen, welche derzeit in der FMA Whistleblowing-System eingehen, betreffen potentielle Straftaten mit Bezug zu Kryptowährungen.
a. Welche ist die zuständigen Stelle in der FMA, die diese Informationen erhält und bearbeitet?
b. Auf welche Weise werden diese Informationen geprüft und verarbeitet?
c. Mit welchen Ministerien und Behörden werden die erhaltenen Informationen geteilt?
d. In welcher Form findet eine Zusammenarbeit mit den zuständigen Staatsanwaltschaften sowie dem Bundeskriminalamt statt?

21. Welche Maßnahmen zum Anlegerschutz bezüglich Kryptowährungen, Blockchain, ICO/ITO, Smart Contracts, Mining und Staking gibt es bereits und mit welchen zukünftigen Maßnahmen ist zu rechnen?

22. Immer mehr Menschen legen Teile ihres Vermögens in Kryptowährungen an. Das Sichern und Weitergeben von Kryptowährungen ist jedoch nicht immer ganz ohne rechtliche Herausforderungen: Wie wird Vermögen in Form von Kryptowährungen vererbt? Besteht diesbezüglich beim „digitalen Nachlass“ ein erbrechtlicher Handlungsbedarf?
a. Sind Kryptowährungen erbrechtlich anders zu behandeln als Einlagen auf einem Girokonto?
b. Welche gesetzgeberischen Maßnahmen sind geplant, um sicherzustellen, dass sich Kryptowährungen sicher vererben lassen?

23. c. Eine elektronische Geldbörse (sog. Online Wallet) kann – anders als ein Private Key – nicht vererbt werden. Sind diesbezüglich erbrechtliche Sonderregeln angedacht, um die Vererbung von elektronischen Geldbörsen zu ermöglichen?