2388/J XXVI. GP

Eingelangt am 05.12.2018
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Claudia Gamon‚ MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Folgeanfrage: Stabsstelle Think Austria

 

Im Frühjahr 2018 wurde über die Medien bekannt, dass im Bundeskanzleramt eine "neue Einheit für Strategie, Analyse und Planung" entsteht, die direkt dem Bundeskanzler unterstellt ist. Laut Beschreibung auf der Website des BKA soll der Think Tank Think Austria "Zukunftsradar" und "Wirksamkeitsbarometer" sein, ein Pool von internationalen Expert_innen, der "regelmäßiges Benchmarking, Best Practice Analysen und Impact Assessments" durchführt.

Es stellen sich einige Fragen bezüglich potentieller Interessenskonflikte der ehrenamtlich für Think Austria tätigen Personen und diesbezüglich erforderlichen Compliance-Maßnahmen seitens des Bundeskanzleramtes. Laut Bundeskanzleramt ist Antonella Mei-Pochtler, Leiterin der Stabsstelle, ehrenamtlich in dieser Funktion tätig. In einer Anfragebeantwortung gemäß Auskunftspflichtgesetz gelten für sie keine gesetzlichen Regeln betreffend Nebentätigkeiten (https://fragdenstaat.at/anfrage/denkfabrik-think-austria). Frau Mei-Pochtler meldete laut Firmenbuch wenige Tage vor ihrer Bestellung als Leiterin von Think Austria ein Consulting Unternehmen an. Dadurch dass sie aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit im BKA keinen gesetzlichen Offenlegungspflichten unterliegt und nicht als Lobbyistin registriert ist, wäre es theoretisch möglich, dass sie gleichzeitig die Regierung und andere Klient_innen zum selben Thema berät, ohne dass für die Öffentlichkeit oder für Politik und Verwaltung nachvollziehbar ist, welche anderen wirtschaftlichen Interessen sie selbst oder ihre Klient_innen haben.

Potentiell ergeben sich ähnliche Probleme bezüglich Lobbyingtransparenz und mögliche Interessenskonflikte auch mit allen anderen Expert_innen, die ehrenamtlich für Think Austria tätig sind.

In Ihrer Beantwortung unserer Anfrage 1587/J (1576/AB) sind einige Fragen außerdem unzureichend beantwortet und auch die Schilderung des Beitrages von Think Austria zu einem Mehrwert für die Öffentlichkeit eher nebulös formuliert.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    In Ihrer Beantwortung von Frage 5 der Anfrage 1587/J erwähnen Sie ehrenamtlich für Think Austria tätige Expertinnen und Experten. Um wen handelt es sich dabei für das Jahr 2018 konkret und mit wem ist eine Zusammenarbeit im Jahr 2019 geplant?
a) Wird bei der Auswahl Augenmerk auf etwaige Interessenskonflikte gelegt?
b) Wenn ja, welche Guidelines oder Kriterien gibt es dafür?
c) Wenn nein, warum nicht?

2.    Welche Vorkehrungen werden getroffen, um zu verhindern, dass es bei ehrenamtlich tätigen Beratern wie Frau Mei-Pochtler zu Interessenskonflikten kommt?
a) Gibt es ein Regelwerk, um Interessenskonflitke rund um Think Austria zu verhindern und so sicherzustellen, dass hier nicht Lobbying durch die Hintertüre erfolgt?
b) Wenn ja, wie ist der Wortlaut dieser Regeln?
c) Wenn nein, weshalb sehen Sie hier kein Risiko?
d) Werden etwaige wirtschaftliche Interessen von Frau Mei-Pochtler und anderen ehrenamtlich tätigen Expert_innen intern dokumentiert?
e) Wenn nein, warum nicht?

3.    Welche Dokumente und Informationen darf Frau Mei-Pochtler aus dem Bundeskanzleramt und anderen Ressorts erhalten?
a) Gilt für sie das Amtsgeheimnis?
b) Hat sie Zugang zu verwaltungsinternen Daten und Dokumenten?
c) Wenn ja, zu welcher Art Daten und Dokumente?
d) Ist Frau Mei-Pochtler gemäß in den Bundesministerien, im Kanzleramt und im Parlament üblichen Standards sicherheitsbelehrt worden?
e) Wenn ja, wann?
f) Wenn nein, warum nicht?
g) Wie ist sichergestellt, dass diese nicht nach außen weitergegeben werden können?
h) Wie werden all diese Punkte bei anderen für Think Austria tätigen Expert_innen gehandhabt?

4.    Werden Treffen und Kommunikation zwischen externen Berater_innen von Think Austria und Entscheidungsträger_innen dokumentiert?
a) Wenn ja, auf welche Weise und durch wen erfolgt das?
b) Wird diese Dokumentation regelmäßig an Ihr Kabinett übermittelt?
c) Wenn nein, warum nicht?

5.    Wird umfassend veröffentlicht auf welche externen Berater Think Austria zu welchen Themen zurückgreift?
a) Wenn nein, warum nicht?
b) Wenn ja, bitte um Übermittelung.
d) Falls nicht umfassend veröffentlicht wird, warum passiert das nicht?

6.    Sie geben außerdem an, dass welche Ergebnisse auch immer Sie aus der Beschäftigung mit diesen sehr grob gefassten Themen als Input erhalten, in "interne Hintergrundinformationen und Vorbereitungen" einfließen. Was bedeutet das? Wofür werden diese Ergebnisse konkret verwendet? Wer arbeitet damit? Wofür bieten Sie die Grundlage? Werden diese Informationen in Briefings eingearbeitet? Wenn ja, für wen sind diese Briefings? Für welche Anlässe?
a) Welche Ergebnisse gingen aus den von Ihnen genannten Treffen mit Expertinnen und Experten, Vertretern von IIASA, des EPSC oder France Stratégie hervor? Wieso gibt es dazu keine öffentliche Information?

7.    In Ihrer Beantwortung weisen Sie darauf hin, dass eine Ausschreibung der Stellen bei Think Austria laut Ausschreibungsgesetz nicht notwendig war. Nachdem sich Think Austria aber dezidiert der Transparenz verschrieben hat, warum kam es nicht zu einer freiwilligen Ausschreibung der Stellen durch das BKA?
a) In Ihrer Beantwortung schildern Sie die vielfachen Kompetenzen der Mitarbeiter_innen bei Think Austria. Ist es Ihrer Information nach ein Zufall, dass zwei der Stellen an Personen aus dem unmittelbaren ÖVP-Umfeld, eine davon sogar an einen Funktionär, vergeben wurde?
b) Werden Sie Stellen bei Think Austria künftig freiwillig ausschreiben und einen professionellen Auswahlprozess durchführen, um eine objektive Stellenvergabe zu fördern?
c) Wenn nein, warum nicht?

8.    In Beantwortung der Frage 6 aus unserer Anfrage, sagen Sie, im internationalen Vergleich sei durch Think Austria eine Lücke geschlossen worden. Gleichzeitig erklären Sie allerdings, dass die Tätigkeit von Think Austria sich relativ stark von den Aufgaben der Vorbildorganisationen unterscheidet. Think Austria arbeite außerdem vorwiegend nicht selbst wissenschaftlich, sondern beziehe vorwiegend bereits vorhandene inhaltliche Ressourcen und Best Practice Beispiele in die Arbeit ein. Worin bestand also Ihres Erachtens die Lücke, die geschlossen wurde?

9.    Als Vorbild für Think Austria dienten Ihnen laut eigenen Angaben "zahlreiche erfolgreiche Beispiele von Stabsstellen für Politik und Planung" aus anderen Ländern. Dennoch geben Sie auf unsere Anfrage ausgerechnet jene Stelle im deutschen Bundeskanzleramt als einziges Vorbild an, die wohl aus guten Gründen nicht mehr existiert. Wieso ist genau diese Stelle Ihr Leitstern?

10. Auf unsere Frage, womit Think Austria sich vorwiegend beschäftigt, gaben Sie u.a. an, man hätte einen Fokus auf "Querschnittsthemen sowie Materien, die derzeit unter keine unmittelbare ministerielle Zuständigkeit fallen oder einen längeren zeitlichen Horizont aufweisen" und zählen dann sieben Themenfelder auf.
a) Wie definieren Sie das Themenfeld "Neue Wettbewerbsfähigkeit" und warum fällt das Thema Ihrer Analyse nach nicht unter die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums?
b) Wie definieren Sie das Themenfeld "Neue Rolle Österreichs in der Welt" und warum fällt das Thema Ihrer Analyse nach nicht unter die Zuständigkeit des Außenministeriums?
c) Was umfasst das Themenfeld "Neue Leistung und Verantwortung"? Ist dieses Thema nicht durch die Arbeit anderer Ministerien abgedeckt?
d) Was bedeuten "Neue Identität", "Neues Leben", "Neues Denken" und "Neue Wege"? Was daran ist Ihrer Definition "neu"?
e) Die von Ihnen aufgelisteten Themen umfassen quasi alles und nichts. Ist es möglich, eine konkretere Abgrenzung der Themen zu erhalten, für die diese von Ihnen angegebenen fünf Mitarbeiter_innen zuständig sein sollen?

11. Welche Veranstaltungen sind 2019 konkret geplant und wann sollen diese stattfinden?
a) Werden diese Veranstaltungen alle aus dem Budget von Think Austria bezahlt? Wenn nein, durch welche weiteren Mittel werden Sie finanziert?
b) Welche Themen sollen abgedeckt werden?
c) Welche der Veranstaltungen werden öffentlich sein und welche nicht?
d) Mit welcher Begründung werden die nicht öffentlichen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden?

12. Die von Ihnen bereitgestellten Informationen zum Thema inhaltlicher Arbeit, Methodik und Mehrwert für die Öffentlichkeit könnte man auch so zusammenfassen, dass fünf Menschen im Bundeskanzleramt extra dafür eingesetzt sind, Best Practice Beispiele, Studien, Analysen etc. zu finden und zusammenzufassen, die vermutlich in allen aus naheliegenden Gründen inhaltlich mit den Thematiken befassten Ministerien bekannt sind und je nach Sinnhaftigkeit wohl auch Eingang in deren Arbeit findet. Welche über die Kompetenz und Tätigkeit der Beamten in den Ministerien hinausgehenden konkreten Mehrwert schaffen Sie mit diesem Think Tank und wann werden Sie diesen öffentlich machen?