2396/J XXVI. GP

Eingelangt am 06.12.2018
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alfred J. Noll, Rossmann, Kolleginnen und Kollegen, an den Bundesminister für Finanzen,

in Zusammenhang mit der Regierungsvorlage zum ÖBAG-Gesetz 2018 (367 d.B.), mit dem die Rechtsform des Beteiligungsvehikels des Bundes geändert und weitere Unternehmen in Staatseigentum an die neue Beteiligungsverwaltungs-AG übertragen werden sollen

Der mit extrem kurzer Begutachtungsfrist vom BMF vorgelegte Entwurf eines ÖBAG- Gesetzes sieht die Umwandlung der ÖBIG-GmbH in eine AG vor, sowie die Übertra­gung der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und die Verwaltung des Verbund-Anteile der Republik an die neu zu schaffende ÖBAG.

Mit der „Verwaltung“ der Verbundanteile des Staates (Bilanzsumme 11,3 Milliarden) und Übernahme der BIG (Bilanzsumme 12,9 Milliarden), der bestehenden Mehrheit an der Post und der qualifizierten Beteiligung an der ÖMV wird die ÖBAG dann nicht nur einen beträchtlichen Teil des Volksvermögens verwalten, sondern auch lebens­wichtige Bereiche der bundesweiten Infrastruktur.

Nicht nur der ehemalige VfGH-Präsident Korinek hat darauf hingewiesen, dass auch bei rein privatwirtschaftlichen Ausgliederungen die "Pflicht zur Normierung von Ingerenzbeziehungen" besteht[1], sodass die Verantwortlichkeit der Bundesregierung aus Art 20 Abs 1 B-VG, und die parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten der Art 52 und 53 B-VG, erhalten bleiben. - In der neuen Fassung des Gesetzes wird der Vorstand zwar zu vierteljährlichen Berichten an den BMF und jährlichen Berichten an die Bundesregierung verpflichtet, jedoch wurde der folgende Satz entfernt: „Die Beteiligungsgesellschaften haben der ÖBIB alle für die im Gesetz oder im Gesellschaftsvertrag zur Erfüllung ihrer festgelegten Aufgaben erforderlichen Informationen unter Einhaltung der aktienrechtlichen und börsenrechtlichen Bestimmungen zur Verfü­gung zu stellen. Vor den Hauptversammlungen und Generalversammlungen der Beteiligungsgesellschaften sind rechtzeitig Weisungen des Eigentümervertreters über das Stimmverhalten einzuholen; dies gilt nicht für Wahlen in den Aufsichtsrat.“ Diese Verpflichtung wird auch für die ÖBAG wichtig sein und sollte wieder aufgenommen werden. - Die Intention des neuen ÖBAG-Gesetzes ist es, in alle Beteiligungsgesellschaften Aufsichtsratsmitglieder der ÖBAG zu entsenden, was zu begrüßen ist.

Jedoch reichen die genannten Modifikationen nicht aus, um die in der Lehre aus gutem Grund geforderten Ingerenzbeziehungen - auch im gesellschaftsrechtlichen Regelwerk - zu begründen. Es ist jedenfalls eine Informationspflicht der in Beteiligungsuntemehmen der ÖBAG entsendeten AR-Mitglieder an den BMF gesetzlich und in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag vorzusehen. Darüber hinaus sollte eine rasche Eingriffsmöglichkeit des BMI bzw. der Bundesregierung per Weisung direkt an AR-Mitglieder der Beteiligungsunternehmen der ÖBAG in Personal- und anderen wichtigen Angelegenheiten geschaffen werden.

Ein weiterer verfassungsrechtlicher Aspekt ist in Verbindung mit § 1 Abs 1 „Bundes­verfassungsgesetz, mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der ös­terreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden“, zu finden, wonach vom Ak­tienkapital der Verbundgesellschaft mindestens 51 vH im Eigentum des Bundes stehen müssen. Man kann den hier verwendeten Eigentumsbegriff auch so interpretieren, dass selbst die Überlassung der Verwaltung (und Kontrolle) dieses Anteiles an einen Dritten bereits die Intention dieser Verfassungsbestimmung unterläuft.

Auch die Zielsetzung der ÖBAG ist nicht klar definiert, und es fehlt das ausdrückliche Verbot einer Privatisierung ohne vorherigen Regierungsbeschluss.

Es ergeht daher in Zusammenhang mit diesem Gesetzesentwurf der Regierung an den Bundesminister für Finanzen folgende

Anfrage:

1)    Die „wesentlichen Aufgaben“ werden im ÖBAG-Gesetzesvorschlag nur in Be­ziehung auf das größere Ganze beschrieben („Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Österreich gemäß § 7 Abs. 5"). Was das Ziel der Beteiligungsverwaltung der großen bestehenden Beteiligungen, insbesondere der Mehrheitsbeteiligungen, sein soll, bleibt im Dunkeln. Sind diese Ziele etwa die Erhöhung der Beteiligungswerte, die Erhaltung oder sogar zusätzliche Schaffung von Arbeitsplätzen, der umweltfreundliche Betrieb der Beteiligungsunternehmungen, die Erhöhung des Profites und der Dividen­denausschüttung, die Privatisierung von Beteiligungsanteilen, oder welche sonstigen Ziele?

2)    Wird die Regierungsvorlage noch um entsprechende Kontrollklauseln ergänzt werden, die die Verantwortlichkeit der Bundesregierung aus Art 20 Abs 1 B­VG, und die parlamentarischen Kontrollen gem. Art 52 und 53 B-VG ermöglichen werden?

3)    Falls nicht, warum nicht?

4)    Wird die Regierungsvorlage den im geltenden Gesetz (ÖBIB-Gesetz 2015) in § 6 Abs 2 enthaltenen Satz über für die „festgelegten Aufgaben erforderlichen Informationen“ wieder ins neue Gesetz eingefügt?

5)    Falls nicht, warum nicht?

6)    Wird in der Regierungsvorlage eine Informationspflicht der in Beteiligungsun­ternehmen der ÖBAG entsendeten AR-Mitglieder an den BMF noch gesetzlich verankert werden?

7)    Falls nicht, warum nicht?

8)    Wird die Regierungsvorlage um eine Verpflichtung ergänzt werden, in den Mehrheitsbeteiligungen der ÖBAG in den Satzungen bzw. in den Gesell­schaftsverträgen Informationspflichten an den BMF vorzusehen?

9)    Falls nicht, warum nicht?

10) Widerspricht  die geplante Übergabe der gesamten Beteiligungsverwaltung an der Verbundgesellschaft AG an die ÖBAG nicht § 1 Abs 1 des „Bundesverfas- sungsgesetz(es), mit dem die Eigentumsverhältnisse an den Unternehmen der österreichischen Elektrizitätswirtschaft geregelt werden“?

11) Weshalb werden im Gesetzesentwurf zwar Regierungsermächtigungen für den Fall verlangt, dass Beteiligungen die aktienrechtlich relevanten Schwellen von 25% der Anteile plus eine Aktie etc. überschreiten würden, jedoch nicht für die Fälle, in denen durch Verkauf oder Abtretung die Anteile der ÖBAG eine solche Schwelle unterschritten würden?

12) Weshalb fehlt die ausdrückliche Verpflichtung, vor Verkauf oder Abtretung von Beteiligungsanteilen die Zustimmung der Bundesregierung einzuholen („§ 8. (1) Privatisierungsvorhaben bedürfen grundsätzlich eines Auftrags der Bun­desregierung', kann so aufgefasst werden, dass lediglich im Falle eines Verkaufs aller Anteile ein Auftrag der Bundesregierung vorliegen muss)?

13) Die AR-Mandats-Obergrenzen des § 86 AktG verfolgen den Zweck, eine Äm­terkumulierung solchen Ausmaßes zu verhindern, dass eine profunde Kon- trolltätigkeit der beaufsichtigten Unternehmen für eine Person unmöglich gemacht würde. § 11 Abs 4a ÖBAG-Gesetz setzt laut Regierungsvorlage die Obergrenzen der Mandatszahl gem. AktG außer Kraft. Über welche besonderen Gaben müssen die zukünftigen Mandatsträger der ÖBAG verfügen, dass sie bis zu 12 AR-Mandate auf eine Person vereinen können?

 

 



[1] Korinek, „Staatsrechtliche Bedingungen und Grenzen der Ausgliederung und Beleihung“, ÖZW
2000/2, S 57 ff; Horner; Ausgliederung und Ingerenz, Wolf Theiss Award Band 6, nw Verlag, 2004, S
40, 121 f und 161; Kucsko-Stadlmayer, „Verfassungsrechtliche Schranken der Reduzierung und Aus
gliederung von Staatsaufgaben“, in: Kritik und Fortschritt im Rechtsstaat, Tagung der ÖJK in Weißen
bach am Attersee, Mai 1997, Verlag Österreich, S 185 ff und 188.