2400/J XXVI. GP

Eingelangt am 07.12.2018
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Anfrage

 

 

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesministerin für Arbeit‚ Soziales‚ Gesundheit und Konsumentenschutz

betreffend Umsetzung EU-Aufnahmerichtlinie

 

Die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Aufnahme-Richtlinie) legt unter anderem fest, wann Asylsuchenden in einem Mitgliedstaat Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren ist. Artikel 15 der Richtlinie legt dabei folgendes fest:

"Artikel 15 Beschäftigung

(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass der Antragsteller spätestens neun Monate nach der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz Zugang zum Arbeitsmarkt erhält, sofern die zuständige Behörde noch keine erstinstanzliche Entscheidung erlassen hat und diese Verzögerung nicht dem Antragsteller zur Last gelegt werden kann.

(2) Die Mitgliedstaaten beschließen nach Maßgabe ihres einzelstaatlichen Rechts, unter welchen Voraussetzungen dem Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt wird, wobei sie gleichzeitig für einen effektiven Arbeitsmarktzugang für Antragsteller sorgen. Aus Gründen der Arbeitsmarktpolitik können die Mitgliedstaaten Bürgern der Union, Angehörigen der Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen Vorrang einräumen.

(3) Das Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt darf während eines Rechtsbehelfsverfahrens, bei dem Rechtsmittel gegen eine ablehnende Entscheidung in einem Standardverfahren aufschiebende Wirkung haben, bis zum Zeitpunkt, zu dem die ablehnende Entscheidung zugestellt wird, nicht entzogen werden."

In Österreich ist Asylwerbenden ein voller Zugang zum Arbeitsmarkt de facto erst dann möglich, wenn ihr Antrag auf Asyl positiv beschieden wurde und sie einen Status als Asylberechtigte haben. Bis dahin können sie lediglich - sofern sie eine Beschäftigungsbewilligung bekommen - als Saisonarbeitskräfte im Tourismus oder der Landwirtschaft arbeiten, in der Regel beschränkt für sechs Monate. Daneben ist es erlaubt, gemeinnützige Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten zu verrichten, die kein Dienstverhältnis begründen. Bzw. einer selbständigen Tätigkeit in einem freien Beruf nachzugehen, was in der Praxis nur für ganz wenige Betroffene eine realistische Möglichkeit darstellt.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer des erstinstanzlichen Asylverfahrens von der Asylantragstellung bis zur Erstentscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betrug im Jahr 2017 rund 16 Monate. Dazu kommt dann in vielen Fällen noch das zweitinstanzliche Verfahren. Im Vorjahr wurden 42,4 Prozent der negativen Asylbescheide in zweiter Instanz vom Bundesverwaltungsgericht (BVwG) aufgehoben oder abgeändert. Die durchschnittliche Verfahrensdauer vor dem BVwG betrug bei 49 Prozent der im Jahr 2017 abgeschlossenen Asylverfahren länger als sechs Monate.

Bis vor kurzem gab es noch die Möglichkeit für Asylwerbende, die unter 25 Jahre alt sind, eine Lehre in einem Mangelberuf zu absolvieren. Diese Möglichkeit wurde per Erlass im September bis auf Weiteres abgeschafft, und das obwohl es in Österreich nach wie vor einen massiven Fachkräftemangel gibt. Es stellt sich die Frage, inwieweit dieses Vorgehen mit geltendem EU-Recht in Einklang zu bringen ist.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Welche Möglichkeiten gibt es in Österreich für Asylwerber_innen, deren Verfahren neun Monate oder länger dauert, effektiv am Arbeitsmarkt zu partizipieren?

2.    Wie viele Asylwerber_innen haben in Österreich seit 2015 unbefristeten Zugang zum Arbeitsmarkt durch eine Beschäftigungsbewilligung erhalten?

3.    Wie viele Asylwerber_innen haben seit 2015 als Saisonarbeitskräfte im Rahmen einer Kontingentverordnung befristeten Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten? (Bitte um Auflistung nach Jahr, Geschlecht und Bundesland)

a.    Wie viele davon im Wintertourismus?

b.    Wie viele davon im Sommertourismus?

c.    Wie viele davon als Erntehelfer_innen?

4.    Inwieweit sehen Sie die Bestimmungen der EU-Aufnahmerichtlinie in Österreich umgesetzt? (Bitte um Angabe der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen)

5.    Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um einen effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt lt. EU-Aufnahmerichtlinie für Asylwerbende unter 25 Jahren, die bisher die Möglichkeit hatten, eine Lehrausbildung zu absolvieren, zu ermöglichen?

6.    Welche expliziten arbeitsmarktpolitischen Gründe sprechen dafür, anderen EU-Bürger_innen oder Drittstaatsangehörigen, Vorrang am Arbeitsmarkt einzuräumen?

7.    Welche speziellen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ergreifen Sie, um Asylwerbenden, Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu ermöglichen und zu erleichtern? (insb. Qualifizierungsmaßnahmen, Sprachkurse, o.ä.)

a.    Wie hoch waren die Ausgaben für derartige Maßnahmen im Jahr 2018? (Bitte um Auflistung nach Maßnahme, Budget und Teilnehmer_innenzahl)

b.    Wie viele budgetäre Mittel sind für derartige Maßnahmen 2019 vorgesehen?

8.    Zweck der EU-Aufnahmerichtlinie ist u.a. folgender: "Einheitliche Bedingungen für die Aufnahme von Antragstellern sollten dazu beitragen, die auf unterschiedliche Aufnahmevorschriften zurückzuführende Sekundärmigration von Antragstellern einzudämmen." Inwieweit entspricht die aktuelle österreichische Rechtslage diesem Bestreben?

a.    ...insbesondere, wenn Nachbarstaaten wie Deutschland deutlich attraktivere Rahmenbedingungen für jugendliche Asylwerbende (Drei Plus Zwei) bieten?