2429/J XXVI. GP

Eingelangt am 13.12.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Irmgard Griss, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Verfassung‚ Reformen‚ Deregulierung und Justiz

betreffend Evaluierung des KindNamRÄG 2013 mit Fokus auf Hochstrittige Verfahren

 

Seit 1. Februar 2013 gilt das neue Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz (KindNamRÄG 2013), welches sowohl Neuerungen im Bereich der Obsorge und des Kontaktrechts als auch des Namensrechts brachte. Im April 2016 beauftragte das BMJ das Österreichische Institut für Familienforschung an der Universität Wien (ÖIF) mit der Evaluierung des KindNamRÄG 2013 im Bereich der Obsorge- und Kontaktrechtsregelungen. Darüber hinaus erstellte der Rechnungshof im Rahmen der Gebarungsprüfung einen Prüfungsbericht zur Familiengerichtsbarkeit. Diese beiden – im selben Zeitraum von April 2016 bis März 2017 durchgeführten – Untersuchungen von ÖIF und Rechnungshof bildeten die Grundlage der Evaluierung des KindNamRÄG 2013. Schilderungen von Beratungsorganisationen wie "Rainbows", Berichte aus dem Helfersystem (Mitarbeiter_innen der Kinder- und Jugendhilfeträger, Kinderbeistände, Gerichtssachverständige) und Schilderungen betroffener Eltern erwecken den Eindruck, die Verfahrensdauer habe sich bei hochstrittigen Verfahren mit Inkrafttreten des KindNamRÄG 2013 erheblich verlängert. Die Untersuchung es ÖIF enthält Hinweise, die für eine längere Verfahrensdauer bei hochstrittigen Verfahren sprechen könnten:

„In Bezug auf die Situation während einer Trennung oder Scheidung sehen manche Richter_innen eine negative Entwicklung: So würden Pflegschaftsfälle immer häufiger eskalieren und sich für die Kinder verschlimmern. Daher könne man nicht wirklich sagen, dass sich durch die Gesetzesänderung etwas für die Kinder verbessert hätte.“ - Siehe dazu: Evaluierung des KindNamRÄG 2013, Obsorge und Kontaktrechtsverfahren, Endbericht, Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz, Österreichisches Institut für Familienforschung an der Universität Wien, 31. März 2017, S. 35.

„Nach Ansicht der Fachkräfte haben sich die neuen Obsorgeregelungen dahingehend ausgewirkt, dass die Eltern häufiger eine Neuregelung beantragen. Das Gesetz (§ 180 Abs 3) sieht nämlich vor, dass jeder Elternteil, sofern sich die Verhältnisse maßgeblich geändert haben, bei Gericht eine Neuregelung der Obsorge beantragen kann. Dies würden manche Eltern zum Anlass nehmen, die Obsorge als Druckmittel in Konflikten einzusetzen.“ - Siehe dazu: Evaluierung des KindNamRÄG 2013, Obsorge und Kontaktrechtsverfahren, Endbericht, Eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz, Österreichisches Institut für Familienforschung an der Universität Wien, 31. März 2017, S. 35.

Zahlreiche Studien dokumentieren den schädigenden Einfluss elterlicher Konflikte auf die Entwicklung der Kinder (Amato und Rezac 1994; Healy, Stewart und Copeland 1993; Johnston, Kline und Tschann 1989, Krishnakumar und Buehler 2000, et al.). Während in den USA der Anteil hochstrittiger Trennungen auf 10 – 15 % geschätzt wird (Maccoby und Mnookin 1992), sollen es in Deutschland etwa 5 % aller Trennungen sein, die derart eskalieren. Fichtner (2007) schätzt die Zahl der von hochstrittigen Trennungen betroffenen Kinder in Deutschland auf 10.000 – 15.000 im Jahr. (Fichtner, J., Konzeptionen und Erfahrungen zur Intervention bei hoch konflikthaften Trennungs- und Scheidungsprozessen – Exemplarische Praxisprojekte: Expertise aus dem Projekt „Hochstrittige Elternschaft“. 2007, München: DJI) Da sich die Problematik üblicherweise über einen längeren Zeitraum erstreckt, schätzt er die Zahl aktuell betroffener Kinder auf 50.000.

Geht man in Österreich von einem ähnlichen Verhältnis aus, wären aktuell ca. 5.500 Kinder betroffen. Der Prozentsatz betroffener Familien erscheint relativ klein, allerdings nimmt diese Personengruppe einen Großteil der Ressourcen des Helfersystems in Anspruch. Amerikanischen Schätzungen zufolge binden die 10 % hochkonflikthafte Scheidungsfälle etwa 90 % der Kapazitäten des juristischen und psychosozialen Personals (Neff, R. und Cooper, K., Progress and Parent Education: Parental Conflict Resolution., 2004, Familiy Court Review 42, S. 1 - 16.)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Wie viele hochstrittige Verfahren waren in den fünf Jahren vor und nach Inkrafttreten des KindNamRÄG 2013 in Österreich anhängig, also jeweils in den Jahren 2008, 2009, 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018 YTD, wobei ein Verfahren dann als hochstrittig gilt, wenn eines oder mehrere der folgenden Merkmale zutreffen:
● die Verfahrensdauer beträgt ein Jahr oder länger; ● die Zeit zwischen Abschluss eines Vorverfahrens und Antragstellung zu aktuellem Verfahren beträgt weniger als ein halbes Jahr; ● innerhalb von zwei Jahren wurden drei Anträge oder mehr gestellt; ● einem vorangehenden oder dem aktuellen Antrag gingen ein oder mehrere erfolglose Mediationen, Beratungen oder andere Versuche der außergerichtlichen Streitbeilegung voraus;

a.    im Bereich Obsorge?

b.    im Bereich Kontaktrecht?

c.    im Bereich Unterhalt?

d.    in einem anderen pflegschaftsgerichtlichen Bereich?

2.    Wie viele Kinder sind von den jeweiligen Verfahren betroffen (Angabe pro Jahr für 2008 – 2018 YTD)

a.    im Alter von 0 – 6 Jahren?

b.    im Alter von 7 – 10 Jahren?

c.    im Alter von 11 – 14 Jahren?

d.    im Alter von 15 – 18 Jahren?

3.    In wie vielen der jeweils anhängigen Verfahren war eine der folgenden Institutionen involviert (Angabe pro Jahr für 2008 – 2018 YTD)

a.    Familiengerichtshilfe?

b.    Kinder- und Jugendhilfe?

c.    Gerichtssachverständiger?

d.    Kinderbeistand?

e.    Besuchsbegleitung?

4.    Wie viele Anträge wurden an den Bezirksgerichten gestellt (Angabe pro Jahr für 2008 – 2018 YTD)

a.    im Bereich Obsorge?

b.    im Bereich Kontaktrecht?

c.    im Bereich Unterhalt?

d.    in einem anderen pflegschaftsgerichtlichen Bereich?

5.    In wie vielen Fällen wurde gegen eine richterliche Entscheidung ein Rechtsmittel eingebracht (Angaben pro Jahr für 2008 – 2018 YTD)

a.    im Bereich Obsorge in erster Instanz?

b.    im Bereich Obsorge in zweiter Instanz?

c.    im Bereich Kontaktrecht in erster Instanz?

d.    im Bereich Kontaktrecht in zweiter Instanz?

e.    im Bereich Unterhalt in erster Instanz?

f.      im Bereich Unterhalt in zweiter Instanz?

g.    in einem anderen pflegschaftsrechtlichen Bereich in erster Instanz?

h.    in einem anderen pflegschaftsrechtlichen Bereich in zweiter Instanz?

i.      gegen einen vorläufigen pflegschaftsrechtlichen Beschluss in erster Instanz?

j.      gegen einen vorläufigen pflegschaftsrechtlichen Beschluss in zweiter Instanz?