2436/J XXVI. GP

Eingelangt am 13.12.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Sabine Schatz und GenossInnen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend rechtsextreme Straftäter auf der Flucht

 

Begründung:

Im Jahr 2017 haben die österreichischen Behörden 660 dezidiert ‚rechtsextrem‘ motivierte Tathandlungen vermerkt.[1] Diese Zahlen rangieren seit 2015 auf einem Dauerhoch und markieren gleichzeitig einen Trend, der sich wohl auch 2018 fortsetzt. Laut einer Anfragebeantwortung des Innenministers wurden im ersten Halbjahr 2018 in Österreich bereits 335 rechtsextreme Taten verzeichnet. Aus einer Anfragebeantwortung im Bundestag an die deutsche Bundesregierung wurde bekannt, dass sich in Deutschland 467 straftätig gewordene Rechtsextreme auf der Flucht befinden – fünf davon gemäß der Einschätzung der datenbesitzenden Stellen sollen sich in Österreich befinden.[2]

 

Im Juni diesen Jahres wurde der Fall eines Mörders bekannt, der aus Österreich flüchtete – um seiner Haft zu entgehen und dann auf einem Neonazi-Bauernhof in Sachsen-Anhalt beim „Kirschenpflücken“ von Zielfahndern aufgefunden wurde[3].

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten an den Bundesminister für Inneres folgende

 

Anfrage:

 

1.    Gegen wie viele Personen liegt ein offener Haftbefehl aufgrund rechtsextremer[4] Straftaten vor? (Aufschlüsselung nach Tatbestand, Bundesland und Geschlecht)

a.    Wie viele dieser Haftbefehle bestehen bereits länger als vier Wochen? (Aufschlüsselung nach Dauer, Tatbestand, Bundesland und Geschlecht)

2.    Gegen wie viele Täter rechtsextremer Straftaten lag nach Kenntnis des Vollziehungsbereiches des Ministers zum Zeitpunkt der letzten Erfassung (Datum bitte angeben) ein nicht vollstreckter Haftbefehl vor? (Aufschlüsselung nach Delikten, Bundesland und Geschlecht)

a.    Gegen wie viele Täter nach dem Verbotsgesetz 1947 liegt ein nicht vollstreckter Haftbefehl vor? (Aufschlüsselung nach Bundesland und Geschlecht)

                             i.        Wie viele Haftbefehle davon sind länger als 4 Wochen offen?

                            ii.        Wie viele Haftbefehle davon sind länger als 8 Wochen offen?

                           iii.        Wie viele Haftbefehle davon sind länger als 12 Wochen offen?

                           iv.        Wie viele Haftbefehle davon sind länger als 24 Wochen offen?

b.    Gegen wie viele Täter nach dem StGB §283 liegt ein nicht vollstreckter Haftbefehl vor? (Aufschlüsselung nach Bundesland und Geschlecht)

                             i.        Wie viele Haftbefehle davon sind länger als 4 Wochen offen?

                            ii.        Wie viele Haftbefehle davon sind länger als 8 Wochen offen?

                           iii.        Wie viele Haftbefehle davon sind länger als 12 Wochen offen?

                           iv.        Wie viele Haftbefehle davon sind länger als 24 Wochen offen?

3.    Gibt es in ihrem Vollziehungsbereich Kenntnis darüber, wie viele der gesuchten rechtsextremen Straftäter sich mutmaßlich im Ausland aufhalten?

4.    Wenn ja, wo werden diese Straftäter vermutet? (aufgeschlüsselt nach Staaten, Straftat und )

5.    Wurde der jeweilige Partnerdienst des BVT jeweils über die Gefährdungseinschätzung des Täters und über dessen vermuteten Aufenthaltsort informiert?

6.    Wie viele rechtsextreme Straftäter gegen die ein Haftbefehl länger als zwei Wochen offen war, wurden in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 im Ausland aufgegriffen? (aufgeschlüsselt nach Staat, Straftaten und Dauer bis zur Festnahme)

 

7.    In welchen Jahren sind die aktuellen Haftbefehle nach Kenntnis des Bundesministeriums jeweils ausgestellt worden? (dabei bitte Anzahl der gesuchten Personen nennen und zusätzlich angeben, um welches Delikt es sich handelt)

8.    Wurden seit dem 18. Dezember 2017 Haftbefehle gegen rechtsextreme Straftäter nicht vollstreckt?

a.    Wenn ja, warum nicht?

b.    Wenn ja, in wie vielen Fällen handelt es sich um Tatbestände nach dem Verbotsgesetz 1947?

c.    Wenn ja, in wie vielen Fällen handelt es sich um Tatbestände nach §283 StGB?

d.    Welche sind die häufigsten Gründe dafür, dass ein Haftbefehl nicht vollstreckt wurde? (aufgeschlüsselt nach Grund und Bundesland)

 

9.    Ist in ihrem Vollziehungsbereich bekannt, wie viele rechtsextreme Straftäter, gegen die im Ausland ein Haftbefehl läuft, sich zum aktuellen Zeitpunkt in Österreich mutmaßlich ihrer Haft entziehen?

a.    Wie viele davon waren zum Zeitpunkt ihrer Flucht im Strafvollzug?

b.    Wie viele davon pflegen mutmaßlich Kontakte zu österreichischen Neonazis und Rechtsextremen?

10. Wie viele rechtsextreme Straftäter, die im Ausland gesucht wurden und versuchten, sich ihrer Haft in Österreich zu entziehen, wurden in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 in andere Staaten überstellt? (aufgeschüsselt nach Staaten, Jahr und Geschlecht)

 

11. Wie viele Haftbefehle wurden jeweils in den Jahren 2015, 2016, 2017 und 2018 nicht vollzogen? (aufgeschlüsselt nach Jahr, Bundesland und Geschlecht)

a.    Bei wie vielen Personen wegen dem Verstoß gegen das Verbotsgesetz 1947?

b.    Bei wie vielen Personen wegen eines Gewaltdeliktes?

c.    Bei wie vielen Personen wegen einem Gewaltdelikt mit rassistischem oder antisemitischen Hintergrund?

d.    Bei wie vielen Personen wegen Verhetzung lt. STGB § 283.

e.    Was waren in den jeweiligen Jahren die drei häufigsten Gründe, dass der Haftbefehl nicht vollzogen wurde?

12. Was sind die häufigsten fünf Gründe in Österreich warum ein Haftbefehl nicht vollzogen wird?

13. Wie viele Haftbefehle aufgrund von Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund wurden seit 2015 vollzogen? (aufgeschlüsselt nach Jahr, Bundesland und Geschlecht)

 

 

 

 

 



[1] https://orf.at/v2/stories/2436116/, abgerufen am 11. Dezember 2018

[2] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE (19/5228); online verfügbar unter: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/062/1906214.pdf, abgerufen am 11. Dezember 2018

[3] https://www.nachrichten.at/oberoesterreich/Geflohener-Moerder-nach-sieben-Wochen-im-Ausland-verhaftet;art4,2934445, abgerufen am 11. Dezember 2018, vgl. auch: https://www.stopptdierechten.at/2018/07/25/der-moerder-und-die-neonazis/, abgerufen am 11. Dezember 2018

[4] Verwiesen wird auf die Rechtsextremismus-Definition des Verfassungsschutzes, Verfassungsschutzbericht 2016, S.11: "Die von den österreichischen Staatsschutzbehörden verwendete Definition von Rechtsextremismus versteht unter diesem Begriff eine Sammelbezeichnung für politische Auffassungen und Bestrebungen - von fremdenfeindlichlrassistisch bis hin zur nationalsozialistischen Wiederbetätigung -, die im Namen der Forderung nach einer von sozialer Ungleichheit geprägten Gesellschaftsordnung die Normen und Regeln eines modernen demokratischen Verfassungsstaates ablehnen und diesen mit Mitteln bzw. Gutheißung von Gewalt bekämpfen. Der Terminus Rechtsextremismus ergibt sich aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Verwendungskontexten und den damit korrespondierenden Interpretationen, mit denen erjeweils bezeichnet wird. Die Befürwortung einer Diktatur, Islam- und Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Chauvinismus, Sozialdarwinismus, Rassismus sowie die Verharmlosung und Relativierung des Nationalsozialismus (Revisionismus), prägen das Weltbild rechtsextremer Ideologen und ideologisierter Gruppierungen/Bewegungen, Netzwerke, Szenen und Milieus. Charakteristisch für rechtsextremistische Einstellungs- und Handlungsmuster ist die Verherrlichung eines "völkischen Nationalismus" mit deutschnationalen bzw. nationalistisch-konservativen Konzepten. Zentrale Wesensmerkmale rechtsextremistischer Ideologien sind antidemokratische und antipluralistische Gesellschaftsauffassungen bei gleichzeitiger Ablehnung des vorherrschenden (d. h. demokratischen) politischen Systems. In seiner äußersten Steigerungsform kann sich Rechtsextremismus bis hin zum (Rechts-) Terrorismus steigern, um systematisch gegen politische Gegner, gegen Opfergruppen rechtsextremistischer Weltanschauungen und gegen staatliche Institutionen bzw. gegen ihre Repräsentanten vorzugehen. "