2499/J XXVI. GP

Eingelangt am 21.12.2018
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Anfrage

 

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Polizeieinsatz beim Wiener Derby am 16.12.2018

 

Im Rahmen des Wiener Derbys am 16.12.2018 in der Generali Arena Wien kam es zu einem massiven Polizeieinsatz, über den in den Medien vielfach und sehr unterschiedlich berichtet wurde. Die wesentlichen Informationsgrundlagen sind einerseits die Presseaussendung der Landespolizeidirektion Wien vom 17.12.2018, 15:37 Uhr, in der Teile des Polizei-Einsatzprotokolles wiedergegeben werden und andererseits die Berichterstattung durch den Twitter Account "Rechtshilfe Rapid - Solidargemeinschaft von Fans für Fans des SK Rapid".

In dieser letztgenannten Gruppe wurde von angeblich überschießenden Polizeimaßnahmen berichtet. So seien 1.338 Menschen über viele Stunden in der Kälte ohne Zugang zu Sanitäranlagen oder Getränken festgehalten/eingekesselt worden. Diesen Darstellungen widerspricht der veröffentlichte Polizeibericht nicht zur Gänze. Laut Polizei seien Personen, welche bei den Beamt_innen vor Ort vorstellig geworden sind, das Verlassen des Kessels ermöglicht worden. Dennoch hat der gesamte Einsatz für den Großteil der betroffenen Menschen von 15:06 Uhr (Beginn der Einkesselung) bis 21:55 Uhr (Identität der letzten Person wurde festgestellt), d.h. fast sieben Stunden gedauert. Die Berufsfeuerwehr Wien wurde Polizeiangaben zufolge erst um 19:45 Uhr beigezogen, um die Wartenden mit heißen Getränken zu versorgen. Erst ab 17:07 Uhr (somit erst zwei Stunden nach Beginn der Anhaltung) wurden Frauen und Kinder sowie Gebrechliche aufgefordert, für eine priorisierte Behandlung vorzutreten. Mit der Identitätsfeststellung wurde laut Polizeibericht erst um 16:32 Uhr (also eineinhalb Stunden nach Beginn der Anhaltung) begonnen. Erst nach Spielende (ca. 18:48 Uhr) wurden zusätzliche Polizeikräfte zur Aufarbeitung der Identitätsfeststellungen beigezogen und weitere "Aufarbeitungsschleusen" installiert.

Zu den Vorwürfen gegenüber der Polizei zählen insbesondere:

1. Die Anhaltung/Einkesselung habe an einem gefährlichen Ort, dem engen Fußweg oberhalb der A23 Tangente stattgefunden. Dieser Bereich wäre im Falle einer Massenpanik eine zusätzliche Gefahrenquelle gewesen. Direkt neben dem Stadion gibt es zwei große Fußballfelder, auf deren Fläche die Anhaltung wesentlich besser zu bewerkstelligen gewesen wäre.

2. Die Rechtfertigung für die Anhaltung/Einkesselung seien fragwürdig, da nicht klar sei, ob tatsächlich Gegenstände auf die Fahrbahn geworfen wurden.

3. Die Verhältnismäßigkeit der polizeilichen Anhaltung/Einkesselung sowie die Identitätsfeststellungen an 1338 Personen seien fragwürdig- dies insbesondere durch die Relation zwischen der legitimen beabsichtigten Ausforschung einzelner Straftäter_innen (§ 176 StGB- vorsätzliche Gemeingefährdung) und der Anhaltung von 1338 Personen in der Kälte.

4. Helfer_innen, anderen solidarischen Besucher_innen des Matchs sowie Rettungskräften sei der Zutritt zu den eingekesselten Menschen verwehrt worden. 

5.  Die Anhaltung/Einkesselung habe sieben Stunden angedauert, dies in bitterer Kälte. Die Menschen hätten keine Möglichkeit gehabt eine Toilette aufzusuchen oder etwas zu trinken. Unter anderem sei Frauen in der angehaltenen Masse von Exekutivbeamt_innen geraten worden, sich hinter einer nahe gelegenen Betonmauer zu erleichtern.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Die Presseaussendung der Landespolizeidirektion Wien vom 17.12.2018, 15:37 Uhr, enthält nur Teile des Polizei-Einsatzprotokolls vom 16.12.2018. Wir ersuchen um Übermittlung des gesamten amtlichen Polizei-Einsatzprotokolls.

2.    Wir ersuchen um Übermittlung des gesamten amtlichen Polizeifunk Protokolls in Bezug auf den Einsatz an der Generali Arena am 16.12.2018.

3.    Wurde der Marsch der Fans als Versammlung im Sinne des Artikel 11 EMRK gewertet?
a. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte er ansonsten?

4.    Wie viele Exekutivbeamt_innen wurden für den Einsatz an der Generali Arena am 16.12.2018

a.    im Vorfeld abgestellt?

b.    am Tag selbst tatsächlich von Beginn an eingesetzt?

c.    am Tag selbst tatsächlich von Beginn an in Reserve/auf Abruf gestellt?

d.    am Tag selbst tatsächlich zu Beginn der Einkesselung vor Ort bei der Arena eingesetzt?

e.    am Tag selbst tatsächlich nach Beginn der Einkesselung zur Identitätsfeststellung nachträglich zugezogen?

f.      insgesamt aktiv?

5.    Zu welchem Zeitpunkt wurde von wem entschieden, diese große Personengruppe einer vollständigen und lückenlosen Identitätsfeststellung zu unterziehen?

a.    Wann fand die Einsatzbesprechung für den 16.12.2018 statt?
i. Wer hat an der Einsatzbesprechung teilgenommen?
ii. Gab es externe Personen, die bei der Einsatzbesprechung anwesend waren?
iii. Waren Fanvertreter bei der Einsatzbesprechung anwesend?
iv. Was wurde bei der Einsatzbesprechung für den 16.12.2018 festgelegt?

b.    Wann wurden die Formulare für die Identitätsfeststellung gedruckt?
i. In welcher Stückzahl waren diese ab welchem Zeitpunkt am 16.12.2018 vor Ort bei der Generali Arena?
ii. In welcher Stückzahl und zu welchem Zeitpunkt wurden Formulare nachgeliefert?

6.    Wie lange dauerte die Einkesselung?

7.    Wieviele Personen wurden angehalten?

8.    Was waren die sanitären Bedingungen? 

9.    Welche polizeilichen Zwecke verfolgte die Massnahme? Zu welchem Zeitpunkt waren diese Zwecke erfüllt bzw. gegenstandslos? 

10. Welche gelinderen Maßnahmen wurden erwogen und warum verworfen?

11. Falls die Kesselung im Interesse der Strafrechtspflege erfolgte, welchen notwendigen Anteil hatte die Identitätsfeststellung an der Aufklärung von Straftaten?

12. Inwiefern wurden die Angehaltenen mit Essen bzw. Trinken versorgt?

13. In welcher Weise war es verhältnismäßig, diese Personen unter den geschilderten Bedingungen zur beabsichtigten Ausforschung einzelner Straftäter_innen (§ 176 StGB- vorsätzliche Gemeingefährdung) anzuhalten?

14. Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Anhaltungen? 

a.    Wenn ja, wie verlief der Prozess der Entscheidungsfindung hinsichtlich der massenhaften Identitätsfeststellung im Detail?

b.    Wenn nein, weshalb wurde die Verhältnismäßigkeit nicht thematisiert?

c.    Gab es von einzelnen Exekutivbeamt_innen Äußerungen von Bedenken?

15. Weshalb wurde für die Einkesselung der extrem enge Fußweg oberhalb der A23 Tangente gewählt?

a.    Wurde dieser Ort schon im Vorfeld festgelegt?

                                  i.    Wenn ja, wann?

                                ii.    Wenn ja, warum schien die Örtlichkeit den ausführenden Exekutivbeamt_innen angemessen?

                               iii.    Wenn ja, wurde während der Anhaltung ein anderer, weniger gefährlicher Ort in für die nachfolgenden Identitätsfeststellungen in Betracht gezogen (etwa die zwei großen Fußballtrainingsfelder neben dem Stadion)?

                               iv.    Wenn nein, warum nicht?

16. Welche Dauer wurde von den Exekutivbeamt_innen für die Identitätsfeststellungen vorgesehen?

17. War den ausführenden Exekutivbeamt_innen klar, dass mit einem extremen Zeitaufwand für die Identitätsfeststellungen gerechnet werden musste?

a.    Wenn nein, weshalb unterlagen die Entscheidungsträger aufseiten der Exekutive einer Fehleinschätzung hinsichtlich des Ausmaßes der Wartezeit und den Wartebedingungen angesichts der zu kontrollierenden Personenzahl?

  1. Wenn ja, welche Maßnahmen wurden getroffen um die Betroffenen so rasch wie möglich abzufertigen?
  2. Wurden diesbezüglich Rücksprachen mit leitenden Beamt_innen abgehalten?

i.      Wenn ja, wie und mit welchem Inhalt verliefen diese Rücksprachen?

ii.    Wenn nein, weshalb gab es keine Rücksprachen?

18. Warum wurden die gekesselten Personen nicht unverzüglich über Lautsprecher informiert?

19. Warum wurden nicht ausreichend Aufarbeitungschleusen eingerichtet, um die Kesselung in maximal ein bis zwei Stunden zu beenden?

20. Warum wurden nicht vorhandene Kräfte von Einsatzeinheiten und WEGA herangezogen, um Schleusen einzurichten?

21. Sollte den gekesselten Personen die Teilnahme am Spiel unmöglich gemacht werden?

22. Welcher „Durchsatz“ an Identitätsfeststellungen pro Stunde und Aufarbeitungsschleuse nimmt die LPD Wien in ihren Planungen für derartige Einsätze an? 

23. Bitte um Aufstellung: Wie viele Aufarbeitungsschleusen gab es? Wann wurden sie eingerichtet und wann beendeten sie ihre Tätigkeit? Beamt_innnen welcher Einheiten/Kontingente wurden für die Durchführung der jeweiligen Aufarbeitungsschleuse herangezogen? Die Identität wie vieler Personen wurde jeweils festgestellt?

24. Ab welchem Zeitpunkt wurde mit den Identitätsfeststellungen der eingekesselten Personen begonnen? 
a. Warum nicht unverzüglich?

25. Wie lange nach Beginn der Einkesselung wurden Frauen und Kinder sowie Gebrechliche aufgefordert für eine priorisierte Behandlung vorzutreten?

a.    Warum erst zu diesem Zeitpunkt?

b.    Warum wird ein derartiges Vorgehen als verhältnismäßig erachtet?

26. Welche Personalressourcen wurden ab wann (genaue Aufstellung der Anzahl der Beamten und Uhrzeiten) für diese Aufgabe zugezogen?

27. Weshalb wurde die Berufsfeuerwehr Wien erst um 19:45 Uhr beigezogen, um die Wartenden zu versorgen?

a.    Hätte die aus Sicht des BMI nicht schon viel früher erfolgen müssen?

  1. Gab es andere Einsatzkräfte (Katastrophenzug, etc.) die vor Ort waren?
    i. Wurden diese zu den Eingekesselten gelassen? 
    ii. Wenn nein, warum nicht?

28. Ist es richtig, dass Betroffenen geraten wurde, sich hinter einer nahe gelegenen Betonmauer zu erleichtern?

a.    Wurde in Betracht gezogen eine anderweitige sanitäre Versorgung der Wartenden zu organisieren?

29. Ist es richtig, dass angeforderte Rettungskräfte nicht zu den Angehaltenen vorgelassen wurden? Wenn ja, mit welcher Begründung?

30. Wenn im Polizeibericht von 22 Hilfeleistungen durch Polizist_innen gesprochen wird, welche Hilfeleistungen waren dies im Detail? (Bitte um detaillierte Aufschlüsselung)

31. Welche Maßnahmen erachtet der Herr Bundesminister als kritisch?

32. Wo sieht der Herr Bundesminister daher Verbesserungsbedarf bei der Planung zukünftiger Einsätze?